Beelitz plant Schutzkonzept - Schafe sollen Waldbränden das Futter wegfressen

Do 22.06.23 | 12:11 Uhr
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Feuer breitet sich am 19.06.2022 bei einem Waldbrand in Beelitz aus. (Quelle: dpa/Cevin Dettlaff)
Audio: Antenne Brandenburg | 23.06.2023 | Susanne Hakenjos | Bild: dpa/Cevin Dettlaff

Beelitz will sich besser vor Waldbränden schützen. Bestandteile sind Klassiker wie mehr Löschbrunnen und gut befahrbare Waldwege - aber auch Schafe. Von Susanne Hakenjos

Am 19. Juni 2022 brannte nahe Beelitz (Potsdam-Mittelmark) der Wald. In nur sieben Stunden standen 227 Hektar Wald in Flammen - eine Fläche, die größer ist als der Wandlitzsee.

Das Feuer konnte erst wenige hundert Meter vor den ersten Gebäuden gestoppt werden. Schon im Jahr 2018 hatte die Feuerwehr im Ortsteil Fichtenwalde eine Feuerwand nur knapp vor den ersten Häusern aufhalten können. Die Stadt Beelitz will ihre Einwohner jetzt vor solchen Gefahren besser schützen und hat dafür bereits konkrete Pläne entwickelt. Am Dienstag wurden sie den Stadtverordneten vorgestellt und sollen auch mit den Bürgern noch diskutiert werden.

Schafe als Brandschutzhelfer

Mit im Spiel als Brandschutzhelfer sind dabei: Schafe. Sie sollen, heißt es in dem Entwurf für ein Schutzkonzept, neu angelegte Schutzstreifen zwischen Siedlungen und dem Wald beweiden, der an Häuser angrenzt. Idee ist, dass die Tiere in diesem Bereich am Boden alles Brennbare wegfressen, erklärt die von der Stadt beauftragte Waldbrandexpertin Juliane Baumann. "Eine Ausbreitung des Feuers passiert ja über Bodenbrände. Was die Tiere nun tun, ist, die Bodenvegetation zu reduzieren und auch das Gras kurz zu halten, sodass sich Brände auch nicht über den Boden ausbreiten können."

Die Öko-Agrarmanagerin hat in der Vergangenheit bereits als Feuerwehrfrau in Spanien gearbeitet. Jetzt bringt die 44-Jährige ihre Expertise zu Waldbränden in Beelitz mit ein.

Pilotflächen geplant

Im Beelitzer Ortsteil Fichtenwalde sowie in Beelitz-West sollen den Plänen zufolge die ersten dieser Schaf-Sicherheitsstreifen angelegt werden - als Pilotflächen. Die beweideten Zonen sollen 100 Meter breit sein.

Teil der geplanten Schutzzonen ist ein völlig baumfreier Streifen, drei Meter breit, der zwischen Wald und Häusern eingezogen werden soll. Hier wächst lediglich Gras. Von hier aus soll die Feuerwehr das Feuer besser bekämpfen können. Außerdem soll durch diesen Bereich verhindert werden, dass Feuer durch brennende Wipfel und umstürzende Bäume auf Häuser überspringt. Daran angrenzend folgt als Teil der neuen Pufferzone ein Streifen ausgelichteter Wald, der durch die Beweidung frei von Aufwuchs und Totholz bleibt.

Für den Ortsteil Fichtenwalde wurde bereits ein konkreter Ort für die erste Pufferzone ins Auge gefasst: der Siebenbrüderweg. Hier könnte dann mehrfach im Jahr ein Schäfer seine Tiere durch die Fläche führen, so Baumann. Eine sogenannte Hütehaltung eigne sich an dieser Stelle gut.

Was die Tiere nun tun, ist die Bodenvegetation zu reduzieren und auch das Gras kurz zu halten, sodass sich Brände auch nicht über den Boden ausbreiten können.

Juliane Baumann, Waldbrand-Expertin

Eine Gefahr für die Waldumbauflächen im Beelitzer Stadtwald seien die Tiere nicht, betonte bei der Infoveranstaltung auch der Beelitzer Stadtförster Martin Schmitt. Solche Flächen mit den dort aufwachsenden jungen Laubbäumen seien ohnehin zum Schutz vor Wildverbiss umzäunt.

Das umfangreiche Gesamtkonzept für Beelitz wurde im Team gemeinsam mit der Stadtwehrführung der Feuerwehr, dem Revierleiter des Stadtwaldes Beelitz, Diplom-Forstingenieur Martin Schmitt und Ordnungsamtsleiter Bernd-Rüdiger Ahlfeld erarbeitet.

Der Entwurf geht jetzt in die weitere Diskussion mit den Bürgern und Stadtverordneten. Das war nach der ersten Präsentation vielen Stadtverordneten wichtig, denn die Idee beweideter Zonen ist nicht unumstritten. "Ich finde, wir müssen die verschiedenen Zielkonflikte, die es gibt, zwischen Waldbrandschutz und Naturschutz tiefer diskutieren", erklärte dazu Thilo Köhn von der SVV-Fraktion GfB/SPD. "Auch die Frage, die Böden freizuhalten von Unterholz, darüber müssen wir uns weiter austauschen. Ich denke aber, dass wir am Ende zu einem guten Ergebnis kommen."

Expertin: Andere Länder nutzen bereits "Waldweiden"

Mit der Idee einer sogenannten "Waldweide", die hier für präventiven Waldbrandschutz eingesetzt werden soll, würde Beelitz in Brandenburg und Deutschland Neuland betreten. Bislang werde in Deutschland eine solche strategische Beweidung lediglich im Bereich der Landschaftspflege, also für Naturschutzziele praktiziert, erklärte Juliane Baumann. Eine strategische Beweidung von siedlungsnahen Waldrändern als Brandvorsorge werde aber in Ländern wie den USA, Kanada, Chile, Lateinamerika, ebenso wie im Mittelmeergebiet in südeuropäischen Ländern wie Spanien bereits praktiziert, sagte die Öko-Agrarmanagerin. Und grundsätzlich sei eine solche Form der "Waldweide" für den Brandschutz im Brandenburger Waldgesetz auch nicht verboten.

Die Stadt sei bei der Erarbeitung ihrer Pläne auch mit dem Landesumweltamt und Forstbehörden in Gesprächen, betonte Juliane Baumann. Das "Beelitzer Modell" solle auch wissenschaftlich begleitet werden, unter anderem durch den Biodiversitätsforscher Thilo Heinken von der Universität Potsdam.

Brunnen, Brandschneisen, Bürgerinfos

Zu dem Beelitzer Waldbrandschutz-Konzept gehören darüber hinaus auch klassische Präventionsmaßnahmen: Unter anderem wurden bereits zahlreiche neue Tiefbrunnen für Löschwasser errichtet, Hauptwege im Wald wurden und werden für schwere Fahrzeuge ertüchtigt, klassische Brandschneisen werden im Frühjahr gepflegt und der Wald wird weiter in einen feuerbeständigeren Mischwald umgewandelt. Auch das Karten- und Datenmaterial wurde unter anderem mit Daten aus Forstkarten speziell für Beelitz optimiert.

Die Feuerwehr Beelitz trainiert auch immer wieder den Einsatz im Forst und qualifiziert ihre Kameraden weiter, berichtete Stadtwehrführer Mathias Jahn. Zum Gesamtkonzept gehört auch die Aufstellung von Katastrophenschutzplänen, Öffentlichkeitsarbeit und die Aufklärung der Bürger über eigene Möglichkeiten, im Inneren gefährdeter Siedlungen die Brandlasten zu verringern. Künftig wird es zum Thema Waldbrandschutz auch auf der Internetseite der Stadt eine eigen Informationsseite geben.

Aktuelle Infoveranstaltungen zum Beelitzer Waldbrand-Schutzkonzept für interessierte Bürgerinnen und Bürger [beelitz.de/veranstaltungen]:

- Mittwoch, 21.06.2023 ab 18.00 Uhr in Fichtenwalde

- Donnerstag, 22.06.2023 ab 18.00 Uhr in Beelitz

Sendung: Antenne Brandenburg, 21.06.2023, 15:12 Uhr

6 Kommentare

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  1. 6.

    Wie sieht denn ein "unberührter" Wald aus, ein symbiotisches System? Das sollte Vorbild und Anker sein, sonst schaffen wir uns die nächsten Probleme – kaum noch Wild und Wasser, noch weniger Insekten, Pilze …?

  2. 5.

    "Andere Länder nutzen bereits Waldweiden" – das ist auch ein ganz lang genutzter (vergessener) Weg. Monokulturen, Forst statt Wald, LandWirtschaft statt Bauerntum, da springt der Hase durch den Pfeffer!

  3. 4.

    Was soll daran amüsant sein? Schafe grasen, Rehwild äst. Also schon grundsätzlich unterschiedliches Verhalten bei der Nahrungsaufnahme. Man rechnet grob zwei Schafe pro 1000 qm bei ausschießlicher Ernährung durch Gräser. Der "Nebenjob" als Brandschutzhelfer ist ja nicht neu und im Küstenschutz sind die grasenden Wollknäuel schon lange erfolgreich angestellt.
    Konzeptionslos wäre z.B. der Einsatz von Elefanten.

  4. 3.

    Wenn man dann noch wüsste, dass unterschiedliche Tierarten auch unterschiedliches Futter bevorzugen....

  5. 2.

    Erst das Wild wegjagen und dann Schaffe gegen das nachwachsende Unterholz.
    Wenn es nicht so ärgerlich wäre, könnte man sich über die ahnnungslose Konzeptionslosigkeit amüsieren.

  6. 1.

    Das gibts ja wohl nicht, nun wird sich schon mittelbar bei der Tierwelt beschwert.

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