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Quelle: dpa/Rainer Jensen

Von der Tat bis zum Urteil

Der Fall Jonny K.: Eine Chronologie

Bundesweit hatte das Verbrechen am Berliner Alexanderplatz Entsetzen und eine Debatte über Jugendgewalt ausgelöst. Jonny K. stirbt nach einer Prügelattacke. Die Strafe des Gerichts: Die Schläger müssen ins Gefängnis.

Nach der tödlichen Prügelattacke gegen den 20-jährigen Jonny K. im Oktober 2012 setzt die Berliner Staatsanwaltschaft eine Belohnung für Hinweise auf die Täter aus. Zehn Tage nach der Tat gelingt der Polizei eine erste Verhaftung. Doch erst Anfang April haben sich alle Gesuchten der Polizei gestellt, zwei von ihnen hatten sich direkt nach der Tat ins Ausland abgesetzt. Eine Chronologie.

Die Tat und erste Festnahmen

13./14.10.2012

In der Nacht zum 14. Oktober schlagen mehrere junge Männer den 20-jährigen Jonny K. so brutal zusammen, dass er einen Tag später seinen Verletzungen erliegt. Der Oberschüler will vor einem Lokal am Berliner Alexanderplatz einem betrunkenen Freund beistehen, als er selbst angegriffen wird. Dabei treten die Täter auch mehrfach gegen seinen Kopf, als er schon am Boden liegt.

16.10.2012

Die Berliner Staatsanwaltschaft setzt eine Belohnung von 15.000 Euro für Hinweise auf die tödliche Prügelattacke aus. Im Laufe der Ermittlungen wird die Polizei von sechs Beteiligten ausgehen, auf die sie die Suche konzentriert.

23.10.2012

Die Berliner Polizei nimmt einen 19-jährigen Tatverdächtigen in der Osloer Straße in Berlin-Wedding fest. Gegen ihn wird wegen Körperverletzung mit Todesfolge ermittelt. Im Verhör kooperiert er Medienbereichten zufolge mit der Polizei.

24.10.2012

Nach dieser ersten Festnahme erhöht sich der Druck auf die anderen Beteiligten: Zwei weitere Verdächtige im Alter von 19 und 21 Jahren stellen sich in Begleitung ihrer Anwälte der Polizei.

Ermittlungen und Gedenken

26.10.2012

Zwei der drei Tatverdächtigen sind wieder auf freiem Fuß: Der Haftbefehl gegen den 21-Jährigen wird "aufgrund seines Geständnisses, seiner sozial-familiären Bindungen und seines Vorlebens außer Vollzug gesetzt". Der zweite Verdächtige entgeht einem Haftbefehl, da dem 19-Jährigen lediglich gefährliche Körperverletzung vorgeworfen werden könne. Diese habe sich zudem nicht gegen den getöteten Jonny K. gerichtet, sondern gegen dessen Begleiter.

29.10.2012

Die Berliner Staatanwaltschaft protestiert erfolgreich gegen die Freilassung des 21-Jährigen, er kommt wieder in Untersuchungshaft.

21.11.2012

Gedenkgottesdienst für Jonny K. in der Berliner Marienkirche: "Wir müssen dafür sorgen, dass so etwas nie wieder passiert. Wir sind eine Gesellschaft, wir wohnen in einer Stadt und müssen gemeinsam gegen Gewalt kämpfen", so die Schwester des Opfers, Tina K.

22.11.2012

Ein vierter Verdächtiger stellt sich der Polizei. Der 21-Jährige kommt wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung sowie Beteiligung an einer Schlägerei in Untersuchungshaft. Damit sind vier der sechs mutmaßlich beteiligten Männer ermittelt. Drei von ihnen sitzen in Untersuchungshaft, ein weiterer wurde wieder auf freien Fuß gesetzt. Zwei sind weiterhin flüchtig, sie sollen sich bereits kurz nach der Tat  in die Türkei abgesetzt haben.

Tina K. wird für ihr Engagement gegen Jugendgewalt mit dem Medienpreis "Bambi" ausgezeichnet. In Erinnerung an ihren Bruder will sie eine Stiftung gegen Gewalt gründen.

09.12.2012

Schwere Vorwürfe: Ein 21-jähriger Verdächtigter belastet die zwei noch flüchtigen, mutmaßlichen Täter schwer. Nach einem Bericht des "Spiegel" über das Verhör sollen der 19-jährige Onur U. und der 24-jährige Bilal K. den Streit provoziert haben. Onur U. soll die Schlägerei ausgelöst haben, indem er einem angetrunkenen Freund von Jonny K. einen Stuhl wegzog. Danach sei die Prügelei ausgebrochen. Kurz darauf habe der 24-Jährige Jonny K. einen ersten Tritt gegen die Brust versetzt. Jonny K. soll daraufhin mit dem Kopf auf dem Pflaster aufgeschlagen sein. Danach soll Bilal K. den am Boden liegenden Jonny K. noch einmal gegen den Kopf getreten haben.

06.03.2013

Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen die vier bereits gefassten Tatverdächtigen. Der Vorwurf lautet bei allen Angeklagten mindestens gefährliche Körperverletzung. Bei zwei der vier Männer gibt es nach Meinung der Staatsanwaltschaft zudem den "hinreichenden Verdacht", dass ihre Schläge und Tritte zum Tod von Jonny K. geführt haben könnten.

Lange Suche nach flüchtigem Verdächtigen

09.03.2013

Der in die Türkei geflüchtige Tatverdächtige Bilal K. kehrt nach Deutschland zurück und wird noch am Flughafen festgenommen. Damit ist der fünfte von insgesamt sechs Tatverdächtigen gefasst. Die Staatsanwaltschaft wirft Bilal K. Körperverletzung mit Todesfolge, gefährliche Körperverletzung sowie Beteiligung an einer Schlägerei mit tödlichem Ausgang vor.

04.04.2013

Die türkischen Behörden werden im Fall Jonny K. aktiv: Die Oberstaatsanwaltschaft der türkischen Stadt Sivas (Anatolien) ermittelt gegen den in die Türkei geflüchteten Onur U. wegen "vorsätzlichen Mordes" und "vorsätzlicher Körperverletzung".

07.04.2013

Mehr als 1.000 Gäste kommen zu einem Benefizkonzert für Jonny K., das seine Schwester Tina K. initiiert hat. Der Erlös soll dem von ihr gegründeten Verein "I Am Jonny" zugutekommen, der sich mit Jugendprojekten gegen Gewalt in Berlin engagiert.

08.04.2013

Der sechste Tatverdächtige Onur U. stellt sich den Behörden. Zielfahnder nehmen den 19-Jährigen kurz nach seiner Landung aus Izmir am Flughafen Tegel fest.

16.04.2013

Die Anklagen im Fall Jonny K. sind komplett: Gut eine Woche nach seiner Rückkehr aus der Türkei ist auch die Anklageschrift gegen den zuletzt festgenommenen Onur U. fertig, der als Hauptverdächtiger gilt. Ihm wird Körperverletzung mit Todesfolge, gefährlicher Körperverletzung und Beteiligung an einer Schlägerei vorgeworfen.

Der erste Prozess

13.05.2013

Prozessbeginn im Fall Jonny K.: Auf der Anklagebank sitzen die sechs mutmaßlichen Schläger. Vier von ihnen müssen sich wegen Körperverletzung mit Todesfolge verantworten. Doch vor Gericht weisen alle die Schuld von sich.

30.05.2013

Einem Schöffen in dem Verfahren reißt der Geduldsfaden: Dieser hatte die Aussagen eines Augenzeugen, der sich auf Erinnerungslücken berief, mit den Worten kommentiert: "Sind Sie zu feige oder wollen Sie uns verarschen?". Daraufhin beantragt die Verteidigung dessen Ausschluss wegen Befangenheit.

02.06.2013

Das Verfahren platzt und muss neu aufgerollt werden. Weil der Schöffe neben den umstrittenen Äußerungen vor Gericht auch einer Zeitung ein Interview gegeben haben soll, wird er als befangen abgelehnt.

Der zweite Prozess

06.06.2013

Zurück auf Start: Am 06. Juni wird vor dem Berliner Landgericht der Prozess um den Tod des 20-jährigen Jonny K. neu eröffnet. Wieder bestreiten die Täter ihre Schuld am Tod Jonny K.'s.

10.06.2013

Auch in der Neuauflage des Prozesses nennt der Hauptzeuge den Angeklagten Onur U. als Verursacher der Prügelei. "Er war am aggressivsten, er schlug als Erster zu", erinnert sich der 29-Jährige. Erstmals identifizierte der Lebensgefährte von Jonny K.s Schwester weitere Angeklagte, die bei der Schlägerei dabei gewesen sein sollen.

17.06.2013

Ein weiterer Zeuge sagt aus, 50 Meter vom Tatort entfernt gewesen zu sein. Er habe zwei junge Männer gegen Kopf und Körper von Jonny K. treten sehen. Die Angreifer seien dann schnellen Schrittes weggegangen und er habe Erste Hilfe geleistet, sagte der Zeuge.

15.07.2013

EIn Polizist sagt vor Gericht aus, einer der Schläger habe sich - laut Angabe eines anonymen Zeugens - mit der Tat gebrüstet. Der Zeuge sei in der Tatnacht zufällig ab Alexanderplatz mit einer Gruppe fünf junger Männer in einer U-Bahn gefahren.

"Mann, das hast du gut gemacht", wiederholte der Polizist vor dem Berliner Landgericht eine Aussagen des Augenzeugen über das mitgehörte Gespräch. Ob die Gruppe der jungen Leuten tatsächlich die Angeklagten waren, ist allerdings nicht sicher. Der anonyme Zeuge hatte berichtet, dass die jungen Männer sich über eine Schlägerei mit einem Verletzten unterhalten hätten.

01.08.2013

Die Jugendgerichtshilfe spricht sich dafür aus, dass drei der sechs Angeklagten nach dem milderen Jugendstrafrecht verurteilt werden. Bei den 19 und 20 Jahre alten Männern liegen Reifeverzögerungen vor, heißt es. Auch auf eine Haftstrafe solle verzichtet werden. Nur im Falle des vorbestraften 20-jährigen Onur U., der als ein Haupttäter gilt, sei eine Bewährungsstrafe zu verhängen.

Das Gericht ist an die Einschätzung der Jugendgerichtshilfe nicht gebunden.

06.08.2013

Am elften Verhandlungstag wird mit der Befragung eines 21-jährigen Zeugens die Beweisaufnahme abgeschlossen.

Die sechs Angeklagten hatten zwar eine Beteiligung an der Prügelei zugegeben, aber jede Schuld am Tod ihres Opfers von sich gewiesen.

12.08.2013

Die Staatsanwaltschaft fordert in ihren Plädoyers fünfeinhalb Jahre Haft für den mutmaßlichen Haupttäter Onur U. und für die fünf Mitangeklagten Haftstrafen zwischen zweieinhalb und drei Jahren. Die Verteidigung beantragt Strafen auf Bewährung.

Die Schwester des Getöteten sieht keine Reue bei den Angeklagten. Es sei nicht zu erkennen, dass ihnen die Tat leid tue, sagt Tina K.

15.08.2013

Das Berliner Landgericht spricht die Urteile: Gegen den Haupttäter Onur U. verhängt es eine Jugendstrafe von viereinhalb Jahren wegen Körperverletzung mit Todesfolge, die anderen Angeklagten bekommen Haftstrafen von bis zu zwei Jahren und acht Monaten.

16.08.2013

Der Anwalt des Haupttäters Onur U. legt Revision gegen das Urteil ein. Die Haftstrafe von viereinhalb Jahren für seinen Mandanten sei unangemessen hoch, so die Begründung.

22.08.2013

Nach Onur U. kündigen auch die anderen fünf Verurteilten an, in Revision zu gehen - das heißt, keiner der sechs Täter will das Urteil akzeptieren.

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