Der rbb|24-Adventskalender | Abgefahren aufgemacht - 19. Tür: Bis zur Hallendecke und nicht weiter

Mo 19.12.22 | 06:12 Uhr | Von Stefan Ruwoldt
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Adventskalender: Ein Zeppelin mit Geschenken fliegt vor der brandenburgischen Luftschiffhalle (Quelle: Marcus Behrendt)
Bild: Marcus Behrendt

Wo heute das Tropical Island thront, sollte sie starten: die in sonnigen Höhen gleitende Luftfahrtzukunft der Lausitz. Dafür bauten Enthusiasten eine Art überdimensioniertes Flughafenhäuschen für diesen Traum. Es war der Anfang vom Ende einer schwebenden Idee.

24 kleine Geschichten rund um Bewegung, Geschwindigkeit oder um das bloße Fortkommen, das Verschwinden oder über Menschen, die etwas in Gang setzen - all das natürlich in Berlin und Brandenburg. Alle Türchen auf einen Blick finden Sie hier.

Ganz leise und auch nur kurz ist eine Melodie zu hören: Dieses Türchen enthält eine Spieluhr. Beim Umschlagen nudelt hinter der Öffnung eine verrostete Walze die Brandenburg-Hymne. Der "rote Adler" steigt für uns "über Sumpf und Sand". Wir versuchen das auch und landen zusammen mit ihm in der Realität - auf einem Handtuch in der Lausitz.

Der Sand unterm Handtuch gehört zu einer Kunstlandschaft, die seit rund 20 Jahren die Menschen berauscht: Tropical Islands. Die Geschichte dieser Freizeitanlage ist eine Brandenburger Holpergeschichte der besten Art, ein Wolkenheim, wie man es sich brandenburgischer nicht vorstellen kann. Hereinspaziert, was kostet die Welt.

Das Türenteam

Marcus Behrendt (Quelle: Marcus Behrendt)
Marcus Behrendt

Illustrator und Comiczeichner "EMBE", mit bürgerlichem Namen Marcus Behrendt, steigt auch bei Schnee und Kälte auf sein Rad. Der gelernte Pädagoge nutzt jede Gelegenheit zum Zeichnen.

Stefan Ruwoldt (Quelle: Marcus Behrendt)
Marcus Behrendt

Redakteur Stefan Ruwoldt ist dem Weihnachtmann hinterhergehetzt, hat ihn aber nie erwischt. Das tat er mit dem Rad, dem Boot und seinem ganz privaten Motorschlitten. Nur beim Reiten, Golfen und Gleitschirmfliegen guckt er lieber zu.

Ein Glückschiff voller Scheine

Ein paar Jahrzehnte zurück. 1994. Die Russen haben ihre Panzer verladen und die Brandenburger sehen irgendwie zu, dass sie in der neuen Welt klar kommen. Zur gleichen Zeit haben ein paar Maschinenbauunternehmen eine Studie beauftragt. Sei wollen wissen, ob sich der Luftraum für den Transport ihrer Konstruktionen eignet. Zwei Jahre später beglücken sie mit ihrer Idee Brandenburg. Es wird die Cargolifter AG gegründet, zwei weitere Jahre später sind die ersten Millionen von privaten und unternehmerischen Anlegern eingesammelt. Es folgen Spatenstiche, Messen, Präsentationen und natürlich eine Gewerbeimmobilie mit Potenzial.

Das Land der großen Lufthoffnung liegt in der Ortschaft Brand (Dahme-Spreewald) auf einem ehemaligen Militärflughafen der abgezogenen Russen, und die Selbstbestätigungswelle läuft sofort ausgesprochen rund: Die Politik lobt die Innovativen, die Innovativen fordern Innovativgeld und die Innovativgeldgeber gucken auf Charts. Alle träumen vom neuen Zeppelin, der diesmal feuerfester gebaut wird und aufsteigt über "Sumpf und Sand". Ein Brandenburger Adler, der deutsche Maschinen am Ballon durch in die Welt bugsiert.

Zur Traumidee passend wird eine Halle der Superlative gebaut: 100 Meter hoch, 360 Meter lang und 210 Meter breit. In Brand wächst im Milleniumsjahr ein Tempel der Luftfahrt- Championsleague. Und er holt sofort den ersten Titel: größtes freitragendes Gebäude auf der Erde. Nur der Himmel ist höher, doch auch der liegt in Reichweite.

Zwei Jahre dauert der Traum, dann platzen die Zeitpläne. Die Konzepte verraten ihre Lücken und die Baupläne sorgen für Kopfschütteln. Im Frühjahr 2002 ist Schluss. Kein neues Geld fließt. Niemanden überzeugen die Modellvorlagen mehr. Börsenabsturz der Aktie, Insolvenz, Verkauf der Masse.

Männer, die nicht aufgeben wollen

Übrig sind Videos im Netz von älteren Männern, die der Welt erzählen, was sie verpasst. Sie blasen Luftschiff-Prototypen mit der Hand auf und filmen sich verschwitzt bei der Montage. Doch neue Risikoballon-Geldgeber finden sich kaum. Stattdessen entsteht mit Geld aus Asien im Luftschiffhangar ein geräumiger Pool unter einem sehr hohen Dach. In jede Ecke und auch auf den Flur zur Umkleide stellen die neuen Investoren Palmen. Es gibt Palmen-T-Shirts und Palmen-Tassen. Und es gibt Palmen zum Aufblasen. Ein echtes Signal für die Region.

Das Tropical Island ist geboren.

Beitrag von Stefan Ruwoldt

5 Kommentare

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  1. 5.

    Also Tropical Island is' nix für mich. Palmen in BRB - naja - wenn's so weitergeht. Aber Google-Timelaps (gelinkter Bericht) ist irgendwie an mir vorbeigegangen. Voll spannend.

  2. 4.

    Vielen Dank für den Hinweis! Haben nochmal nachgeschaut, die Grenzen haben sich tatsächlich noch nicht verschoben :D

  3. 3.

    Brand hat nach 1945 zu verschiedenen Kreisen gehört, aber noch nie zu Oberspreewald-Lausitz. Jetzt ist es Dahme-Spreewald.

  4. 2.

    Entschuldigen Sie, aber meines Erachtens liegt Brand (und damit das Tropical Island) im LDS...

  5. 1.

    Also ich als ortsansässiger Bürger von Brand weiß das Brand im Landkreis Dahme Spreewald liegt. Es sei denn die Grenzen haben sich verschoben ;) und zu Cargolifter das war ja mal ne schöne Luftnummer

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