rbb24
  1. rbb|24
  2. Panorama

Leider gibt es ein Problem beim Abspielen des Videos.

Audio: Inforadio | 22.11.2021 | Detlef Troppens | Quelle: dpa/Matthias Balk

Hohe Auslastung in Berlin und Brandenburg

Klinikleitungen sehen "sehr ernste" Lage bei den Intensivbetten

Besonders im Süden Brandenburgs schnellen die Corona-Neuinfektionen in die Höhe, erste Patienten mussten in andere Landkreise verlegt werden. Verschärft hat sich die Lage auch in Berlin, zunehmend müssen Operationen verschoben werden.

Die Versorgungslage in Brandenburger Krankenhäusern spitzt sich auch zum Wochenbeginn weiter zu. Grundsätzlich sei im Land die Situation "sehr ernst", sagte Detlef Troppens, Vorstandsvorsitzender der Landeskrankenhausgesellschaft Brandenburg e. V. (LKB), am Montag im Inforadio des rbb. "In manchen Landkreisen ist die Lage drastisch", fügte er hinzu.

Von den insgesamt 1.000 Intensivbetten in Brandenburg könnten wegen Personalknappheit "nur 720 bis 750" betrieben werden, so Troppens. Aktuell seien davon 600 belegt, darunter 370 Beatmungsplätze. "92 Intensivbetten sind mit Covid-Patienten belegt, darunter werden 73 beatmet. Die Brandenburger Intensivbetten sind also zu 83 Prozent belegt, davon sind 12 Prozent Covid-Patienten. Dazu muss man wissen, dass die Intensivkapazitäten in Brandenburg seit jeher nicht überbordend sind, und neben Corona gibt es ja auch noch das normale Krankheitsgeschehen: Schlaganfälle, Herzinfarkte, Unfälle, akute Bäuche", erklärte Troppens im Inforadio.

Corona-Pandemie

Dritter Landkreis in Südbrandenburg überschreitet Inzidenz von 1.000

In fast ganz Südbrandenburg gehen die Inzidenzzahlen zum Wochenstart in nur eine Richtung: Nach oben. Mit Spree-Neiße meldet nun der dritte Landkreis eine Inzidenz über 1.000. Der Kreis umschließt Cottbus. Doch gerade dort ist die Inzidenz gesunken.

Verlegungen schränken Rettungseinsätze ein

Nach wie vor beobachte man in Brandenburg ein Nord-Süd-Gefälle. "Besonders akut ist die Lage im Raum Cottbus und im Landkreis Elbe-Elster, es beginnt aber auch schon in Westbrandenburg", so Troppens. Erste Patienten seien schon aus Kliniken in Südbrandenburg in andere Landkreise verlegt worden, "die Beziehungen unter Brandenburgs Krankenhäusern funktionieren so wie in den vergangenen Coronawellen auch jetzt wieder gut. Richtung Berlin wird es schwierig, und auch zwischen den benachbarten Bundesländern stottert es noch ein bisschen", so der Chef der Brandenburger Krankenhausgesellschaft.

Für die Patienten selbst seien Verlegungen natürlich "nicht so toll, und wir binden ja auch Rettungskapazitäten, denn durch die Verlegungstransporte fehlen die uns Rettungswagen in der Notfallversorgung", betont Troppens.

Auch bei der Verschiebung planbarer Operationen gebe es in Brandenburg noch ein Nord-Süd-Gefälle, erklärt er weiter. "Im Süden ist es schon so, dass die planbaren Eingriffe nicht mehr stattfinden, aber auch das sind ja nicht überflüssige Operationen. Dabei geht es um Tumoroperationen und weitere Sachen, die man schon die ganze Pandemie über vor sich herschiebt, das geht auch nicht uferlos. Mit der Verschiebung von planbaren Operationen kann man vielleicht 20 bis 30 Prozent auf den Intensivstationen freischaufeln, mehr aber auch nicht. Ein Herzinfarkt bleibt ein Herzinfarkt und ist nicht verschiebbar."

Corona-Grafiken

Das sind die aktuellen Fallzahlen in Berlin und Brandenburg

Die Corona-Lage in Berlin und Brandenburg: Wie viele Covid-19-Erkrankte liegen in den Kliniken? Wie entwickelt sich die Lage? Alle wichtigen Erkenntnisse in Grafiken. Von Haluka Maier-Borst, Jenny Gebske, Arne Schlüter und Sophia Mersmann

Corona-Pandemie führt zu Personalausfällen

Auch der Geschäftsführer des Klinikums Lausitz in Forst (Spree-Neiße), Hans-Ulrich Schmidt, sprach am Montagmorgen im rbb-Programm Radioeins von "besorgniserregenden Entwicklungen." Am Montag überschritt im Landkreis Spree-Neiße die Sieben-Tage-Inzidenz die 1.000er Marke, damit übersteigen nun schon drei Brandenburger Landkreise diese Schwelle (Elbe-Elster und Oberspreewald-Lausitz).

Im Forster Krankenhaus gibt es sechs Intensivbetten, von denen zwei von beatmeten Covid-Patienten belegt sind. "Im zehn Kilometer von uns entfernten Carl Thiem-Klinikum liegen zehn Corona-Patienten auf der Intensivstation, und die Infektionsdynamik scheint weiter zuzunehmen", so Schmidt. Das beobachte man auch am Klinikstandort in Potsdam. Das Infektionsgeschehen verlagere sich zunehmend von Sachsen über Südbrandenburg auch nach Mittel- und Nordbrandenburg, beobachtet er.

Neue Corona-Regeln ab Mittwoch

Brandenburg beschließt Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte

Die Brandenburger Landesregierung hat die Corona-Regeln wie erwartet verschärft: Für Ungeimpfte gelten künftig Kontaktbeschränkungen, in Hot Spots auch Ausgangsbeschränkungen. Weihnachtsmärkte müssen wieder schließen.

Auf die kommenden Wochen schaut er mit großer Sorge: "Wir werden Situationen bekommen, die wir so noch nicht kennen", meint Schmidt. Im Elbe-Elster-Kreis, wo die Sieben-Tage-Inzidenz derzeit bei 1.300 liegt, seien Kinder von 5 bis 14 Jahren "extrem infektiös, die tragen das dann in die Familien rein". Auch in seiner Klinik in Forst gebe es "enorme Ausfälle von Mitarbeitern, deren Kinder krank sind, die in Quarantäne sind und sich auch selbst infizieren, wenn gleich sie nicht krank werden, weil sie geimpft sind", fasst er zusammen.

Noch 89 freie Betten in Berlin

Unterdessen hat sich auch in Berlin die Lage in den Krankenhäusern verschärft. In Berlin gibt es derzeit nur noch 89 freie Intensivbetten. Das verlautete am Montag auf einer Konferenz der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI).

Intensivmediziner und DIVI-Mitglied Thorsten Jan-Thorsten Gräsner sagte der rbb-Abendschau, Berlin sei wie viele Großstädte stark belastet. Ziel sei es, nicht in die Situation zu kommen, dass man keine Versorgungskapazitäten mehr vor Ort habe. Mit einer gezielten strategischen Patientenverlegung könne man dafür sorgen, dass Krankenhäuser in besonders betroffenen Regionen wieder Luft bekommen. Außerdem müsse das Infektionsgeschehen deutlich reduziert werden.

Intensivmediziner für Kontaktbeschränkungen

Der Berliner Intensivmediziner Jörg Weimann sagte, zunehmend müssten planbare Operationen verschoben werden, und das voraussichtlich auf längere Zeit. Wenn die Entwicklung nicht gestoppt werde, werde das so weitergehen. Man wisse, dass ungefähr 20 Prozent der Menschen in der Stadt nicht geimpft seien. Außerdem gebe es bei Geimpften Impfdurchbrüche. Eine Triage könne man daher als letztes Mittel nicht mehr ausschließen.

Weimann hält die jetzige Impfkampagne zwar für wichtig, sie würde aber erst in einigen Wochen greifen. Viel dringlicher seien Kontaktbeschränkungen.

Sendung: Inforadio, 22.11.2021, 10:05 Uhr

Artikel im mobilen Angebot lesen