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Fragen und Antworten

Was die Corona-Variante Omikron so besonders macht

Neue Mutante, doppelte Sorgen. Die Omikron-Variante kann sich wohl schneller ausbreiten und teilweise die Immunabwehr von Geimpften aushebeln. Doch die Forschung hält nicht nur schlechte Nachrichten bereit. Von Haluka Maier-Borst

Zunächst war es eine dumpfe Vermutung. Dann überschlugen sich in den letzten zwei Wochen die Nachrichten rund um die neue Omikron-Variante: Erst die Entscheidung der Weltgesundheitsorganisation WHO, die Variante als bedenklich einzustufen und ihr einen eigenen Namen zuzuordnen. Dann kamen die ersten Meldungen zu Labordaten, teilweise nur mitgeteilt in kurzen Tweets mit Bildern. Und es begann von vielen Seiten das Rätselraten.

rbb|24 hat sich bewusst dagegen entschieden, schon letzte Woche die Lage einzuordnen. Wir wollten zum einen mehr Daten abwarten und zum anderen mit mehreren Experten und Expertinnen sprechen, um die Situation besser zu verstehen. Um klarer zu sehen, welche Erkenntnisse wie sicher sind. Herausgekommen ist eine vorläufige Sammlung der wichtigsten Fragen und Antworten, die aber immer noch auf Vorveröffentlichungen und damit Ergebnissen im Frühstadium basiert.

Was macht die Omikron-Variante so besonders?

Viren mutieren. Ständig. Und wenn sie einen Vorteil dadurch bekommen, setzen sie sich durch und kriegen dann Namen wie "Alpha" und "Delta". Und doch ist bei Omikron etwas anders. "Bei Omikron, sind nicht nur kleine Einzelteile des Virus ausgetauscht, sondern ganze Blöcke aus dem Ursprungsvirus herausgebrochen. Das ist schon ungewöhnlich", sagt der Molekulargenetiker Walter Doerfler von der Universität Erlangen-Nürnberg.

Ähnlich beschreibt es sein Kollege Jonas Fuchs von der Universität Freiburg. "Omikron hat uns definitiv überrascht. Es hat mehr als doppelt so viel Mutationen in seinem Oberflächenprotein im Vergleich zu früheren Varianten. Wir dachten gar nicht, dass das Virus so anders aussehen kann", sagt er.

Wieso sieht Omikron so anders aus?

Fuchs und andere Forscher haben eine spezielle Theorie, wie Omikron entstanden ist: Sie glauben, dass das Virus sich lange in einer Person gehalten hat, die ein geschwächtes Immunsystem hatte. Zum Beispiel durch HIV, Hepatitis oder die Folgebehandlung einer Organtransplantation. In solch einem Körper kann sich das Virus über Monate gegen das Immunsystem behaupten, ohne zerstört zu werden. "Und durch diese lange Zeit kann das Virus viel ausprobieren, quasi testen, wie es ein Immunsystem am besten austrickst", sagt Fuchs.

Der Freiburger Forscher hat genau diese Häufung von Veränderungen mit Kollegen und Kolleginnen bei einem Covid-Patienten mit einer transplantierten Niere beobachtet [nature.com]. Auch hier hielt die Infektion rund ein halbes Jahr an und das Virus bildete Merkmale, die ihm dabei halfen, sich gegen das Immunsystem zu behaupten. Fuchs gibt aber auch zu Bedenken, dass andere Erklärungen möglich sind. Denkbar sei zum Beispiel auch, dass das Virus in einer Erdregion unterwegs war, in der wenig das Viruserbgut analysiert wird und es sich dort lange unbemerkt verändern konnte.

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Wie anders verhält sich Omikron? Und wie sicher ist man sich da?

Aktuell gibt es mehrere Vermutungen über den Effekt dieser Veränderungen. Die erste ist, dass die neue Variante sich noch besser verbreitet als Alpha und Delta. Das erscheint plausibel angesichts der rapide steigenden Zahlen in Südafrika und Großbritannien. Allerdings könnte sich dieser Anstieg auch durch einen anderen Effekt erklären lassen und damit sind wir bei der zweiten Vermutung: Dass die Omikron-Variante auch Geimpfte und Genesene gut anstecken kann.

Zunächst galt das als gut begründete Vermutung, weil in Südafrika – trotz hoher Alpha und Delta-Welle – wieder die Zahlen stiegen. Inzwischen bestätigen Laborversuche aus Schweden [drive.google.com], Deutschland [medrxiv.org] und Südafrika [ahni.org] zusätzlich, dass deutlich weniger Antikörper aus dem Blut von Geimpften und Genesenen sich an das Virus heften. Entsprechend gehen viele Forscher davon aus, dass die Omikron-Variante sowohl ansteckender ist als auch besser die Immunabwehr aushebelt.

Die dritte Vermutung im Zusammenhang mit Omikron ist die positivste, aber auch unsicherste. Nämlich dass diese Variante zu weniger schweren Verläufen führt. In den ersten Daten aus Südafrika zeigen sich tatsächlich weniger Hospitalisierungen als mit anderen Varianten. Trotzdem warnt Fuchs, dass nach so wenigen Wochen an Daten genau diese Vermutung noch am unsichersten ist. Außerdem wiesen andere Forscher darauf hin, dass das Mehr an milderen Verläufen darauf zurückzuführen sei, dass eben ein größerer Teil der Bevölkerung schon geimpft oder genesen ist [twitter.com].

Welchen Vorteil bieten die Impfungen, wenn Omikron doch die Immunabwehr aushebelt?

Auch wenn die Antikörper von Geimpften deutlich schlechter an die Omikron-Variante binden, können Impfungen weiterhin einen positiven Effekt haben. "Eine erste, wenn auch geringe Immunantwort ist immer noch besser als gar keine", sagt Fuchs. Das gebe dem Körper Zeit, angepasste Antikörper zu entwickeln und seine anderen Teile des Immunsystems zu mobilisieren.

Die Immunologin Birgit Weinberger von der Universität Innsbruck weist zudem darauf hin, dass die Antikörper viel mehr machen, als nur das Virus vor dem Eindringen in die Zelle zu blockieren. Sie markieren das Virus und infizierte Zellen, damit andere Teile des Immunsystems diese zerstören. "Das verhindert dann zwar nicht vollständig die Infektion, aber zumindest einen schweren Verlauf", sagt sie. Entsprechend halten sie und Fuchs es für äußerst unwahrscheinlich, dass die bisher zweifach geimpften gar nicht gegen das Virus geschützt sind.

Ob das aber wirklich so ist, werden erst spätere Daten zeigen, weil eben Zeit vergehen muss, bis genügend Daten vorhanden sind, um verlässlich zu bestimmen, wie oft Infizierte ins Krankenhaus müssen.

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Welche Kombination von Impfungen ist am besten? Und wie gut sind Leute mit überstandener Infektion geschützt?

Eine Studie österreichischer Forscherinnen schaute sich an, wie gut Antikörper aus dem Blut von Geimpften und von Genesenen gegen Omikron funktionieren [medrxiv.org]. Dabei ist zu sehen, dass tendenziell noch am ehesten die Antikörper aus einer Kreuzimpfung oder zwei Mal Biontech auf Omikron reagierten. Das deckt sich auch weitestgehend mit den Ergebnissen aus einer Frankfurter Studie.

Alle diese Reaktionen fallen aber, wie gesagt, deutlich schwächer aus als bei anderen Varianten. Zudem zeigt die österreichische Studie auch, dass die Antikörper bei Genesenen gegen die neue Variante versagen. Das widerlegt vorerst die These, dass Genesene besser geschützt seien als Geimpfte.

Einzige Ausnahme sind die sogenannten Superimmunen, also Menschen, die sowohl eine Impfung als auch eine Infektion hinter sich haben. Doch hier warnt die Immunologin Weinberger vor falschen Schlüssen: "Es ist definitiv besser, erst geimpft zu sein und dann doch zu erkranken als andersrum, eben weil es bei Durchbruchsinfektionen in der Regel zu milderen Verläufen kommt."

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Welchen Unterschied macht eine Booster-Impfung?

"Eine Dreifach-Immunisierung führt grundsätzlich dazu, dass noch mehr Antikörper vorhanden sind als direkt nach der zweiten Impfung und auch dazu, dass die Immunantwort insgesamt breiter ausfällt", sagt Birgit Weinberger und verweist dabei auf Studien, die schon vor Omikron gemacht wurden und auf dem Wissen von anderen Dreifachimpfschema.

Dass dieses Mehr der Immunantwort entscheidend sein könnte, zeigen nun erste kleine Studien. So konnte ein Team um die Virologin Sandra Ciesek von der Universität Frankfurt zeigen [medrxiv.org], dass bei Blut von dreifach-geimpften Menschen die Immunantwort deutlich stärker gegenüber Omikron ausfällt als bei zweifach-geimpften. Ähnliches berichtet nun auch eine Forschergruppe [drive.google.com], zu der der Charité-Immunologe Leif Erik Sander gehört. Auch eine erste Analyse aus Großbritannien deutet an, dass nach der Booster-Impfung [khub.net] die Wirksamkeit gegen Omikron deutlich höher ist. Allerdings basieren diese Studien noch auf Ergebnissen mit wenigen Patienten bzw. wenigen Infizierten.

Trotzdem bedeutet das nicht, dass es nach dem Booster keine Durchbruchsinfektion geben kann, wie der Bericht über sieben geboosterte Infiziert aus Südafrika zeigt [ssrn.com]. Allerdings hatten alle sieben nur milde Symptome. Das macht Hoffnung, könnte aber auch schlicht daran gelegen haben, dass die sieben Betroffenen jung waren.

Wird das auf ewig so weitergehen?

Längst geistern durch das Netz ironische Kommentare, die sagen, dass man mit der zehnten Impfung wahrscheinlich dann wirklich sicher sei. Und eine Spur Wahres könnte auf den ersten Blick dran sein. "Natürlich, je mehr man impft, desto mehr gibt es theoretisch für das Virus einen Vorteil, wenn es so mutiert, dass es die Immunantwort umgehen kann", sagt der Molerkulargenetiker Walter Doerfler. Dass sich also immer wieder neue Varianten bilden, die auch gegen verbesserte Impfstoffe bestehen, ist nicht auszuschließen. Und doch gibt es gute Argumente fürs Impfen.

Die größte Chance für neue Mutationen bieten, neben den erwähnten Personen mit geschwächtem Immunsystem, nach wie vor die vielen ungeschützten Menschen. Frühere Arbeiten zeigten, dass selbst Geimpfte mit Durchbruchsinfektionen eine deutlich geringere Vielfalt an Mutationen aufwiesen als ungeimpfte Infizierte [medrxiv.org].

Sowohl Doerfler als auch Fuchs sehen darum in den Impfungen von Kindern und den bisher unversorgten Teilen der Weltbevölkerung einen entscheidenden Schritt. Einer, um dem Virus das Reservoir für immer neue Infektionen und damit potenziellen Entwicklungsschritten abzugraben. Und einer, der auch deshalb wichtig ist, weil gegen Omikron monoklonale Antikörper als Therapie für Schwererkrankte kaum noch wirken [medrxiv.org].

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Und wie wird das alles enden?

Alle Pandemien enden, irgendwann. Das wiederholen immer wieder Epidemiologen und Virologinnen gleichermaßen. Die Frage ist aber natürlich das Wie und Wann. Fuchs hofft dass der Variantenreichtum des Virus sich eindämmen lässt, wenn mehr Menschen immun werden und man zugleich Erkrankungen von immungeschwächten genau die Krankheit im Blick behält.

Birgit Weinberger zieht als Immunologin derweil den Vergleich zur Grippe. Die würde zwar auch jedes Jahr kommen, aber eben nicht mehr auf eine gänzlich ungeschützte Bevölkerung treffen. Das werde auch von Jahr zu Jahr mehr der Fall mit Covid-19 sein. So dass eben nicht mehr durch die Infektionen das Gesundheitssystem überlastet wird. "Wie wir hinkommen, das liegt in unserer Hand, ob eben über Impfungen oder Infektionen, über viele schwere Verläufe oder weniger."

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