Schulgesetz im Landtag - Gründung Freier Schulen in Brandenburg soll erleichtert werden

Mi 25.01.23 | 07:21 Uhr | Von Markus Woller
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Symbolbild: Flur einer Grundschule in Deutschland (Bild: imago images/René Traut)
Audio: Antenne Brandenburg | 25.01.2023 | Nico Hecht | Bild: imago images/René Traut

Schulgründungs-Initiativen in Brandenburg wissen oft bis zu den Sommerferien nicht, ob sie danach tatsächlich öffnen dürfen. Die Koalitionsfraktionen wollen nun für schnellere Klarheit sorgen. Auch die Finanzierung soll erleichtert werden. Von Markus Woller

  • Brandenburger Koalition will feste Fristen für Schulgründungen schaffen
  • Bewährungszeit soll von drei auf zwei Jahre verkürzt werden
  • Finanzierung der Freien Schulen weiter in Diskussion

Kinderlachen hallt am Mittag durch die Flure der künftigen Loris-Grundschule in Beelitz-Heilstätten (Potsdam-Mittelmark). Nicht weiter ungewöhnlich, wäre da nicht der Fakt, dass es die Schule bisher gar nicht gibt. Im vergangenen Sommer hatte die Einrichtung brandenburgweit Aufmerksamkeit erhalten, als das Bildungsministerium dem Träger Kinderwelt aus Potsdam wenige Tage vor den Sommerferien die Zulassung versagte.

Bereits angeheuerte Lehrer blieben damals genauso ungläubig zurück wie 48 Schüler und deren Eltern, die sich fest auf eine Genehmigung verlassen hatten. "Das hat uns schon sehr überrascht", sagt Mutter Kathleen Exner rückblickend. Damals sollte ihr Sohn in die neue Freie Schule eingeschult werden. Zum Glück hatte er bereits einen Platz an einer anderen Schule sicher. Allerdings sei der Bedarf bis heute riesig. "Beelitz braucht die Schule dringend, weil immer mehr Menschen hier nach Heilstätten ziehen."

Geschäftsführer registriert Bewegung in der Politik

Der Träger machte aus der Not eine Tugend. Aus dem ursprünglichen Ganztagsschulangebot trennte er den Hort-Bereich ab. So hallt jetzt hier doch noch Kinderlachen durch die Flure. Auch viele Mädchen und Jungen, die eigentlich in dem restaurierten Haus aus dem Ensemble der Beelitzer Heilstätten hätten zur Schule gehen wollten, verbringen hier ihre Nachmittage.

Kinderwelt-Geschäftsführer Gerald Siegert kann dem plötzlichen Aus mittlerweile sogar positive Seiten abgewinnen, schließlich habe sich dadurch auch etwas bewegt: Im Ministerium wie auch im politischen Raum, so Siegert. Mittlerweile gebe es einen verständlicheren Leitfaden für Gründungsinitiativen, eine bessere Kommunikation mit dem Bildungsministerium als Genehmigungsbehörde.

Landtag berät am Mittwoch über Schulgesetz

Das Verfahren sei transparenter geworden, findet auch der Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen in Brandenburg (AGFS), Dirk Seifert. Viel Hoffnung setzt der Lobbyist zudem auf eine neue Initiative der Koalitionsfraktionen in Potsdam. Die wollen an diesem Mittwoch im Landtag dafür sorgen, dass die Landesregierung sich des Schulgesetzes bezüglich der Freien Schulen noch einmal annimmt.

Das Ziel: Das Verfahren zur Genehmigung neuer Freier Schulen soll durch die Festsetzung klarer Fristen berechenbarer gemacht werden. Dies solle mehr Verbindlichkeit für beide Seiten schaffen und, wenn alles gut läuft, Schockmomente wie im Sommer in Beelitz zukünftig verhindern helfen.

Damit das wirklich klappe, müssten viele Details noch geklärt werden, so AGFS-Geschäftsführer Seifert. Man sei in Gesprächen. Für die mehr als ein Dutzend Gründungsinitiativen, die in diesem Jahr auf eine Genehmigung hoffen, komme die Initiative wohl in jedem Fall zu spät. Anders sehe das beim zweiten Teil des Koalitionsvorhabens aus, glaubt Seifert.

Hoffnung auf finanzielle Entlastungen

Denn neben der Einführung von verlässlichen Verfahrensfristen soll es für Freie Schulen zukünftig schneller Geld aus dem Landeshaushalt geben. Auch das will die Koalition an diesem Mittwoch anstoßen. So soll ein Betriebskostenzuschuss erstmalig bereits nach zwei Jahren gewährt werden können.

Bislang musste ein Träger, der bislang keine Schule im Land betreibt, drei Jahre ohne staatliche Zuwendungen auskommen. So blieben vor allem die Risiken für Anschub-Investitionen bei den privaten Initiativen. Viele Neugründungen stünden zu Beginn am Rande des finanziellen Kollapses und könnten mit einer Verkürzung der Frist entlastet werden. Dies, so hofft Seifert, könne vielleicht noch vor dem Sommer umgesetzt werden.

Kein Gehör bei den regierenden Parteien findet bislang die Forderung der Freien Schulen nach einem finanziellen Ausgleich für entgangene Zuschüsse innerhalb dieser Wartefrist. Die AfD im Landtag fordert, den Freien Schulen hier eine Ausgleichszahlung zu gewähren.

Gericht: Land muss Zuschüsse nicht zahlen

Dass das Land nicht gewillt ist, auf alle Forderungen der Freien Schulen einzugehen, hatte es erst jüngst eindrucksvoll gezeigt. Vor dem Oberverwaltungsgericht war es gegen ein erstinstanzliches Urteil aus einer Musterklage vorgegangen. Demnach hätten den freien Trägern nachträglich Betriebskostenzuschüsse aus den Jahren 2018/19 und 2020/21 in Höhe von bis zu 84 Millionen Euro zugestanden.

Das OVG entschied am Ende, dass das Land zur Zahlung der Zuschüsse nicht verpflichtet gewesen sei. Eine Revision ist eigentlich ausgeschlossen. Ob die Freien Schulen mit einer sogenannten Nichtzulassungsbeschwerde dennoch gegen das Urteil vorgehen, ist bislang noch nicht entschieden.

In Brandenburg gibt es momentan 188 Schulen in freier Trägerschaft. 33.000 Schüler lernen in ihnen. In den vergangenen Jahren hat die Zahl der Initiativen, die eine Schulgründung beim Ministerium beantragt haben, immer weiter zugenommen. Vor allem in Gemeinden im Speckgürtel von Berlin werden diese immer öfter mit offenen Armen empfangen, weil durch den großen Zuzug Schulplätze fehlen.

Träger mahnt bessere Kommunikation an

Unter der Vorgängerregierung hatten die Freien Schulen es schwer, sich Gehör zu verschaffen. Rot-Rot setzte auf das staatliche Schulwesen. "Die Stimmung hat sich in den letzten Jahren tatsächlich gebessert", so Seifert.

Aber: Immer noch sind die Hürden für die Eröffnung neuer privater Schulen in Brandenburg hoch. Rund 600 Seiten dick sei so ein Antrag, erläutert Gerald Siegert vom Beelitzer Schulprojekt. Das Ministerium prüfe alle Aspekte. Vom pädagogischen Konzept über die hinreichende Ausbildung der Lehrer bis hin zur Ausstattung der Unterrichtsräume. "Was ich mir wünsche, ist eine bessere Kommunikation", so Siegert. Entschieden werde bislang vom Tisch aus. "Der Träger muss auf dem Weg besser begleitet werden", wünscht sich der Geschäftsführer.

Den Antrag fürs kommende Schuljahr hat Siegert nach der Kritik des Ministeriums aus dem Sommer noch einmal komplett überarbeitet. Jetzt soll es endlich klappen. 90 Schüler sollen hier zunächst Platz finden, viele Bewerbungen von potenziellen neuen Beelitzer Schülern hat er schon. Wenn das geschafft ist, will Siegert gleich das nächste Projekt angehen: Die Schule soll einen Neubau bekommen. 600 Schüler könnten darin Platz finden. Doch nach den Erfahrungen des letzten Jahres hält sich die Vorfreude auf das neue Projekt erstmal noch in Grenzen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 25.01.2023, 7 Uhr

Beitrag von Markus Woller

10 Kommentare

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  1. 9.

    Wozu braucht man solche Schulen?
    Wozu braucht man in jedem Bundesland ein anderes Schulsystem? Die Unfähigkeiten dieser und der vorherigen Regierungen in Sachen Bildung, Gesundheit und Infrastruktur sind einfach nicht fassbar.
    Auf den Lehrermangel wird seit Jahren hingewiesen, die Substanz der Schulen bröckelt so vor sich hin.
    Der Staat hat auch eine Verantwortung.
    Das förderale System kommt an seine Grenzen.
    Wird in anderen Schulen und Bundesländern anders gerechnet.
    Ist 2+2 nicht immer 4?

  2. 8.

    "Viele Neugründungen stünden zu Beginn am Rande des finanziellen Kollapses " Bei einer Firma würde man dann sagen, daß der Geschäftplan nicht stimmte und nicht hinreichend Eigenmittel zur Verfügung standen - das könnte man durch einen Nachweis ausreichender Eigenmittel vor der Genehmigung ausschließen.

  3. 7.

    "als das Bildungsministerium dem Träger Kinderwelt aus Potsdam wenige Tage vor den Sommerferien die Zulassung versagte." Mit welcher Begründung. Wenigstens einen Satz zu den Gründen, sonst hängt das so frei im Raum.

  4. 6.

    Aber durch die Gründung solcher zusätzlichen freien Schulen werden es auch nicht mehr Lehrer, die vorhandenen Pädagogen verteilen sich nur auf mehr Schulen. Ich verstehe auch nicht, warum dort Mittel des Staates fließen sollen. Wenn jemand eine eigene Schule gründen will und das vom Konzept und Lehrplan genehmigungsfähig ist und hinreichend Lehrpersonal gewonnen und bezahlt werden kann, dann kann doch eine solche Schule auch jetzt schon aus Eigenmitteln betrieben werden. Wozu ein alternatives Schulsystem in Konkurenz zu den staatlichen Schulen aber trotzdem wesentlich durch den Staat finanziert?

  5. 5.

    Man kommt der gesetzlichen Vielfaltpflicht näher. Wettbewerb kann dann befruchten, wenn die staatlichen Schulen dann auch die Arbeitsbedingungen verbessern, die Klassen kleiner werden und in den Städten eine Migrantenquote vielleicht hilft? Den Bildungsverwaltungen weht der Wind so oder so von vorne ins Gesicht. Weil die Ansprüche an die Bildung nicht erfüllt werden und speziell in Brandenburg die Chancengleichheit der Abschlüsse gegenüber anderen Ländern nicht gegeben ist. Das wird man auf Dauer nicht mehr hinnehmen können... für seine Kinder....die gefördert werden wollen....
    Niveauabsenkung war gestern...

  6. 4.

    Wozu braucht man solche Schulen?
    Wozu braucht man in jedem Bundesland ein anderes Schulsystem? Die Unfähigkeiten dieser und der vorherigen Regierungen in Sachen Bildung, Gesundheit und Infrastruktur sind einfach nicht fassbar.
    Auf den Lehrermangel wird seit Jahren hingewiesen, die Substanz der Schulen bröckelt so vor sich hin.
    Der Staat hat auch eine Verantwortung.
    Das förderale System kommt an seine Grenzen.
    Wird in anderen Schulen und Bundesländern anders gerechnet.
    Ist 2+2 nicht immer 4?

  7. 3.

    'Die Koalitionsfraktionen wollen nun für schnellere Klarheit sorgen. Auch die Finanzierung soll erleichtert werden.'

    Ersetzten wir 'sollen und wollen' mal durch müssen - dann wird endlich ein Schuh draus. Dieses sich dauernd drehende Behördenkarussel muss mal angehalten werden und die private Initiative endlich gefördert werden.
    Und da es einen gesetzlichen Bildungsauftrag gibt, reicht ein behördlicher Rahmen, den es zu erfüllen gilt, vollkommen aus.
    Der ganz staatlich verordnete Behördenmuff muss dringend gelüftet werden.

  8. 2.

    "auch nicht unter den aktuellen Bedingungen mit hohem Anteil an Migrationskindern dort einschulen". Die "Lösung" der problematischen Situation, verursacht durch linksgrün verursachte Armutsmigration zeichnet sich ab. Die Freien Schulen werden jetzt nicht mehr so massiv benachteiligt, die staatlichen Leistungen werden an die der staatlichen Schulen angeglichen. Faktisch wird man damit, wie vergleichsweise in England, ein zweiklasssen-Schulsystem einführen.

  9. 1.

    Die "Fachpädagogen" sollen sich doch erst einmal in den bestehenden Schulen das Bildungsniveau auf die Standardanforderungen bringen, dann werden sich auch viele Eltern entscheiden, ihre Kinder dort einzuschulen.
    Niemand spricht über die Ursachen. Ich möchte meine Kinder ( haben alle in der DDR die POS besucht) auch nicht unter den aktuellen Bedingungen mit hohem Anteil an Migrationskindern dort einschulen. hier hat der Staat bisher eindeutig versagt. Und es wird weiter abwärts gehen. unter diesen Voraussetzungen kann ich den Wunsch vieler Eltern nach Freien Schulen sogar verstehen. Und die erforderlichen Lehrkräfte werden im Bildungsministerium gebacken. Der Steuerzahler wird sich freuen!

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