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Quelle: dpa/Soeren Stache

Kommentar | Impf-Debakel in Brandenburg

Das Signal lautet: gemeinsam steuern

In den letzten Wochen herrschte in der Dreier-Koalition viel Uneinigkeit. Nun führt das CDU-Ressort in Brandenburg den Impf-Krisenstab. Hat Dietmar Woidke seine grüne Gesundheitsministerin entmachtet? Ein Kommentar von Thomas Bittner

Entmachtung ist das falsche Wort. Wer entmachtet wird, muss vorher Macht gehabt haben. Gerade daran mangelt es aber derzeit in Brandenburgs Landesregierung.

Im Innenministerium wird jetzt ein Krisenstab gebildet, der ab kommendem Montag das Impfmanagement koordinieren soll. Hinter den Kulissen soll es zuvor laut geworden sein.

So sehr die drei Koalitionspartner nun Einigkeit demonstrieren, so uneinig agierten sie in den letzten Wochen hinter den Kulissen. Sozialdemokraten machten Stimmung gegen das grüne Corona-Management. SPD-Fraktionschef Erik Stohn hatte in der jüngsten Corona-Landtagssitzung das Impf-Management wortreich kritisiert, was die oppositionelle Linke dazu veranlasste, ihn daran zu erinnern, dass er doch selbst in der Regierung sitzt. Sich auf Kosten der Grünen zu profilieren, fand selbst der Koalitionspartner CDU unanständig.

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Brandenburg hat Erfahrung mit Krisenstäben. Ob bei Hochwasser oder Waldbrandalarm, in Katastrophensituationen funktionierte das Potsdamer Krisenmanagement weitgehend reibungslos. Aber für einen längeren Atem reichten die Strukturen dann wohl doch nicht.

Im letzten Frühjahr gab es einen gemeinsamen Corona-Krisenstab von Gesundheits- und Innenministerium, der geräuschlos arbeitete. Als im Sommer die Infektionszahlen zurückgingen, wurde der Stab ins Gesundheitsressort verlagert. Spätestens, als dann die Impfzentren aufgebaut wurden, hätte das Land die Verantwortung wieder auf breite Schultern verteilen müssen.

Doch das Gesundheitsministerium verzichtete auf Unterstützung. Und der Ministerpräsident schaute drei Monate zu, überließ die Details des Krisenmanagements seiner Staatskanzleichefin, verkündete Monat für Monat die neuesten Eindämmungsverordnungen und appellierte an die Bevölkerung. Mit einem Impfkabinett machte er zwar die Spritzenkrise zur Chefsache, aber erst jetzt wird das Ressort, das für Katastrophenschutz zuständig ist, wieder hinzugezogen.

Versprechen mussten verschoben werden

Ursula Nonnemacher, die Ärztin im Ministersessel, war im Dauerstress, wich keiner Journalistenanfrage aus, erklärte geduldig die Pandemie, warnte vor ungeduldigen Lockerungsdebatten. Und wurde beim Thema Impfen von stets neuen Hiobsbotschaften überrascht. Dass sich die Hotline der Kassenärzte für die Terminvergabe nicht eignet, hätte man im Ministerium schneller merken müssen. Die teuer eingekaufte externe Beratung hat dem Land beim Impftempo keinen Turbo verpasst.

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Alle steuern gemeinsam

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In einer Dreier-Koalition auf Kurs zu bleiben, macht die Sache nicht einfacher. Die Koalition befinde sich in der schwersten Bewährungsprobe, meint CDU-Fraktionschef Jan Redmann. Man werde sie nur bestehen, wenn man sich gegenseitig unterstütze. Als Chefs des neuen Stabs agieren jetzt neben dem Staatssekretär aus dem CDU-geführten Innenministerium auch sein Kollege aus dem grünen Gesundheitsressort und der SPD-Staatssekretär aus der Regierungszentrale von Dietmar Woidke. Das Signal: SPD, CDU und Grüne steuern gemeinsam. Auch das ist Krisenmanagement. Aber nur koalitionsarithmetisches.

Sendung: Brandenburg aktuell, 17.03.2021, 19:30 Uhr

Beitrag von Thomas Bittner

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