Kommentar | Impf-Debakel in Brandenburg - Das Signal lautet: gemeinsam steuern

Mi 17.03.21 | 17:52 Uhr | Von Thomas Bittner
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Michael Stübgen (l-r, CDU), Minister des Innern und für Kommunales, Ursula Nonnemacher (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerin für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz, und Dietmar Woidke (SPD), Ministerpräsident von Brandenburg, unterhalten sich vor Beginn der Sondersitzung des Landtages. Im Hintergrund kommt Katrin Lange (r, SPD), Brandenburger Ministerin der Finanzen und für Europa, zur Sitzung. (Quelle: dpa/Soeren Stache)
Bild: dpa/Soeren Stache

In den letzten Wochen herrschte in der Dreier-Koalition viel Uneinigkeit. Nun führt das CDU-Ressort in Brandenburg den Impf-Krisenstab. Hat Dietmar Woidke seine grüne Gesundheitsministerin entmachtet? Ein Kommentar von Thomas Bittner

Entmachtung ist das falsche Wort. Wer entmachtet wird, muss vorher Macht gehabt haben. Gerade daran mangelt es aber derzeit in Brandenburgs Landesregierung.

Im Innenministerium wird jetzt ein Krisenstab gebildet, der ab kommendem Montag das Impfmanagement koordinieren soll. Hinter den Kulissen soll es zuvor laut geworden sein.

So sehr die drei Koalitionspartner nun Einigkeit demonstrieren, so uneinig agierten sie in den letzten Wochen hinter den Kulissen. Sozialdemokraten machten Stimmung gegen das grüne Corona-Management. SPD-Fraktionschef Erik Stohn hatte in der jüngsten Corona-Landtagssitzung das Impf-Management wortreich kritisiert, was die oppositionelle Linke dazu veranlasste, ihn daran zu erinnern, dass er doch selbst in der Regierung sitzt. Sich auf Kosten der Grünen zu profilieren, fand selbst der Koalitionspartner CDU unanständig.

Mit Krisenstäben erfahren

Brandenburg hat Erfahrung mit Krisenstäben. Ob bei Hochwasser oder Waldbrandalarm, in Katastrophensituationen funktionierte das Potsdamer Krisenmanagement weitgehend reibungslos. Aber für einen längeren Atem reichten die Strukturen dann wohl doch nicht.

Im letzten Frühjahr gab es einen gemeinsamen Corona-Krisenstab von Gesundheits- und Innenministerium, der geräuschlos arbeitete. Als im Sommer die Infektionszahlen zurückgingen, wurde der Stab ins Gesundheitsressort verlagert. Spätestens, als dann die Impfzentren aufgebaut wurden, hätte das Land die Verantwortung wieder auf breite Schultern verteilen müssen.

Doch das Gesundheitsministerium verzichtete auf Unterstützung. Und der Ministerpräsident schaute drei Monate zu, überließ die Details des Krisenmanagements seiner Staatskanzleichefin, verkündete Monat für Monat die neuesten Eindämmungsverordnungen und appellierte an die Bevölkerung. Mit einem Impfkabinett machte er zwar die Spritzenkrise zur Chefsache, aber erst jetzt wird das Ressort, das für Katastrophenschutz zuständig ist, wieder hinzugezogen.

Versprechen mussten verschoben werden

Ursula Nonnemacher, die Ärztin im Ministersessel, war im Dauerstress, wich keiner Journalistenanfrage aus, erklärte geduldig die Pandemie, warnte vor ungeduldigen Lockerungsdebatten. Und wurde beim Thema Impfen von stets neuen Hiobsbotschaften überrascht. Dass sich die Hotline der Kassenärzte für die Terminvergabe nicht eignet, hätte man im Ministerium schneller merken müssen. Die teuer eingekaufte externe Beratung hat dem Land beim Impftempo keinen Turbo verpasst.

Dass die bestellten Impfmengen nicht geliefert wurden, dafür konnte man nichts. Auch die Empfehlung, den Astrazeneca-Impfstoff erst einmal nur an Jüngere zu verimpfen, war nicht hilfreich. Mal ganz abgesehen vom jüngst verordneten Impfstopp für das Vakzin. Das Versprechen, alsbald allen Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen ein Impfangebot zu machen, musste Woche um Woche verschoben werden.

Alle steuern gemeinsam

Hausärzte einzubeziehen, liegt nicht allein in der Hand einer Landes-Gesundheitsministerin. Aber das landeseigene Modellprojekt mit einer Handvoll Praxen hat mehr Begehrlichkeiten geweckt als Probleme gelöst.

In einer Dreier-Koalition auf Kurs zu bleiben, macht die Sache nicht einfacher. Die Koalition befinde sich in der schwersten Bewährungsprobe, meint CDU-Fraktionschef Jan Redmann. Man werde sie nur bestehen, wenn man sich gegenseitig unterstütze. Als Chefs des neuen Stabs agieren jetzt neben dem Staatssekretär aus dem CDU-geführten Innenministerium auch sein Kollege aus dem grünen Gesundheitsressort und der SPD-Staatssekretär aus der Regierungszentrale von Dietmar Woidke. Das Signal: SPD, CDU und Grüne steuern gemeinsam. Auch das ist Krisenmanagement. Aber nur koalitionsarithmetisches.

Sendung: Brandenburg aktuell, 17.03.2021, 19:30 Uhr

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Beitrag von Thomas Bittner

23 Kommentare

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  1. 23.

    das Foto sagt schon alles: Dietmar Woidke mit erhobenem Zeigefinger maßregelt seine Koalitionspartnerin Dr. med. Ursula Nonnemacher, die er sowohl in der Corona-Krise, als auch mit der Schweinepest, als auch mit der Vogelpest völlig alleine gelassen hat, obwohl er die ganze Zeit mitverantwortlich war und jetzt weiß er alles besser. Dabei hätte er auch keine Atemschutzmasken besorgen könne, weil es keine gab und auch keinen Impfstoff.

  2. 22.

    Ganz einfache Frage...warum funktioniert es z.B. in MeckPom mit dem Impfen und testen? Haben die mehr Impfstoff, nein; haben die eine kleineres Bundesland, nein; haben die weniger Einwohner, nein; haben die mehr Impfstoff,nein; haben die weniger Probleme um das Thema Impfen und Testen wegen Lieferproblemen usw.; haben die eine andere Landesregierung, JA !!!! Das sagt uns doch alles an was es happert.....

  3. 21.

    Die Antwort war nicht schlecht! Kompliment!
    Bedauerlich ist nur das Menschen, die Großen und die Kleinen, unter den Versäumnissen und Fehlern leiden müssen, erkranken und einige auch sterben. :-(

  4. 20.

    Bilder sagen mehr als tausend Worte. Wenn ich mir die Geste von Woidke ansehe, gehen mir zwei Dinge durch den Kopf:

    1. Wieso jetzt erst? Das war doch schon im Frühjahr erkennbar, zumal ihm auch eine Dienstaufsichtsbeschwerde zugestellt wurde (immer noch unbeantwortet).
    2. War das der Tag, wo man ihm diesen rbb-Bericht mit den Kommentaren ausgedruckt und vorgelegt hat?
    https://www.rbb24.de/politik/thema/corona/beitraege/2021/02/brandenburg-impfkampagne-versaeumnisse-impfstoffe.html

  5. 19.

    Die Geduld von Herrn Woidke möchte ich haben. Abgesehen vom fehlenden Impfstoff, läuft die Organisation der Impfung in Brandenburg völlig neben der Spur. Wie in einer Großstadt setzt man au Impfzentren, wir sind aber ein Flächenland. Wenn ich dann lese das eine Katrin Schneider hier wieder mitmischt, dann erinnerte mich das sofort an ihre schwachen Leistungen als Ministerin, das hat die Frau auch nur gelabert und nix richtig vollbracht. Mit im Boot sitzen die „Größen“ der KVBB Brandenburg. Der Großteil Theoretiker die am Abend nicht mehr wissen was sie morgens versprochen haben. Die Anregungen der Hausärzte werden ignoriert, weil ma es ja besser weiß, obwohl man weit weg ist von der Praxis. Und so zieht sie der rote Faden durch das Chaos. Unter Belastungen zu arbeiten ist alt nicht jedem gegeben.

  6. 18.

    Wieso Turbo oder Biturbo. Die Grünen wollen den Verbrenner doch sowieso abschaffen. Da muß der gemeine Bürger damit rechnen das das Impfen wie ein Elektroauto wird. Kurze Impfzeiten und lange Ladepausen.

  7. 17.

    Na gut. Ich hab gegen 10 Uhr geguckt. d waren wir 16. Haben wir dann
    doch schon ganz schön aufgeholt!

  8. 16.

    Deutschland hält beim Thema Impfen doch sowieso die rote Laterne ganz oben. Jedes Bundesland macht sein eigenes Ding. Es ist ein richtiges Impfchaos was die Politik da entwickelt hat. Ich werde froh sein wenn ich es bis 2022 als pflegende Angehörige geschafft habe einen Pieks zu ergattern. In Berlin weiß derzeit keiner wie es funktioniert, eine Impfungeinladung zu bekommen.

  9. 15.

    Lt. rbb24 belegt Brandenburg zZt Platz 14
    https://www.rbb24.de/panorama/thema/2020/coronavirus/service/faelle-berlin-brandenburg-verdopplungszeit-fallzahlen-entwicklung.html
    Aber Platz 14 ist nun leider auch nicht der Platz an der Sonne!
    Das mit dem Impf-Turbo stimmt, der stottert.
    Aber vielleicht bastelt man ja grad an nem Biturbo! ;-)

  10. 14.

    Ich muss noch was nachtragen. Warum stellt sich Herr Stübgen mit einem
    Schal als Mund-Nasenschutz vor die Kamera. Wurde uns nicht etwas Anderes
    als sichere Mund-Nasen-Bedeckung angeraten, oder teilweise sogar zur
    Pflicht gemacht. Vorbildlich Herr Stübgen!

  11. 13.

    Frau Nonnemachers zweimalig angekündigter Impf-Turbo ist wohl nach hinten
    losgegangen. Und unser Innenminister Herr Michael Stübgen erklärte heute in
    der RBB Abendschau das Brandenburg nicht den letzten Platz in Deutschland
    belegt. Gelogen. Laut Impfstatus von Heute kommt nach Brandenburg kein
    Bundesland mehr mit prozentual weniger Impfungen!

  12. 12.

    Gemeinsam sollte es nun klappen, war ja im letzten Jahr auch noch nicht so schwierig.

  13. 11.

    " Wenn die Politik hier nicht ganz schnell das Ruder umreißt "

    welches Ruder denn ? außer lockdown hat die Politik kein Ruder , Impfen wäre die Devise, aber.... ist ja alles bekannt

  14. 10.

    " Unterm Strich bleibt die Erkenntnis: "

    es fehlt an Impfstoff , alle anderen personenbezogenen Vorwürfe sind nur Schuldzuweisungen , gäbe es ausreichend Vakzin , gäbe es diese Debatten nicht

  15. 9.

    Wenn die Politik hier nicht ganz schnell das Ruder umreißt und endlich mal was positives passiert, weiss ich nicht wo das endet.

    Ich als Selbstständige und Mutter eine 7 Klässlers glaube und vertraue keinem Politiker mehr.
    Meine Firma ist fast kaputt und mein Kind seit 3 Monaten daheim

  16. 8.

    Wenn in dem Gesundheitsministerium noch die gleichen Leute sitzen wie zu Zeiten von Frau Golze, dann ist mir klar weshalb der Laden dem Untergang geweiht ist. Nur zuschauen ist halt zu wenig!!!!

  17. 7.

    Na dann steuern Sie mal den sinkenden Dampfer Herr Woidke und bringen Sie Ihre Crew auf trab. Das Vertrauen der Bürger ist verspielt und viele ziehen nicht mehr mit. Wofür auch in diesem Desasters?
    Ohne Impfstoff und Massenimpfen wird das nichts.

  18. 6.

    " Tiefer kann man schon gar nicht mehr sinken. "

    in der Politik leider doch , die Tiefenskala ist nach unten offen...

  19. 5.

    Das hat mit entmachten nichts zu tun, die Entscheidung ist einfach nur richtig.
    Fr. Nonnemacher hat es einfach nicht geschafft und die Stimmung zum Thema Impfung im Land Brandenburg ist katastrophal. Nach drei Monaten nicht vorwärts zu kommen, liegt nicht an den bekannten Problemen, die haben alle Bundesländer.

  20. 4.

    Ich finde das generell so erbärmich was politisch gerade abläuft. Tiefer kann man schon gar nicht mehr sinken. Die haben nur noch ihre Wahlen im Kopf, dafür sabotieren sie alles andere wo es nur geht. Da wird unterstellt, bewusst weggelassen oder sich künstlich dumm angestellt oder übertrieben, nur um den anderen eine reinzuwürgen. Die Pandemie scheint denen dabei völlig egal zu sein.
    Dass die Länder überwiegend zuständig sind und diese sich seit Monaten nicht einigen, profilieren und ihre Extrawürste braten wollen und daher zum großen Teil das Chaos herrührt wird komplett unterschlagen.
    Nun machen sich die Länterchef*inen schon wieder beim Wähler beliebt ohne die Vernunft einzuschalten oder an die Folgen zu denken. Öffnen, öffnen und die Zahlen ballern nach oben. Das wir von soviel Unverstand und Machtgeilheit regiert werden ist beängstigend.
    Insbesondere die SPD und die FDP. Ich hoffe, die Wähler werden sich im Herbst daran erinnern und diese destruktiven Parteien abwählen.

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