Interview | Daniela Wurbs, Beraterin für Vielfalt im Fußball - "Der Fußball der Frauen ist sehr stark in den Mittelpunkt von Gesprächen gerückt"

Sa 13.08.22 | 11:10 Uhr
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Die Spielerinnen der deutschen Nationalmannschaft vor ihren Fans (Bild: IMAGO/Eibner)
Bild: IMAGO/Eibner

Daniela Wurbs befasst sich beruflich mit Vielfalt und Inklusion im Fußball sowie weiblicher Fankultur. Ein Gespräch über den aktuellen Boom im Fußball der Frauen, die Gefahr, dass dieser verpufft und wie sich das verhindern lässt.

rbb: Frau Wurbs, wie intensiv haben Sie die Europameisterschaft verfolgt und wie haben Sie das Turnier wahrgenommen?

Daniela Wurbs: Ich habe nicht jedes Spiel gesehen, aber einige. Ich war sehr überrascht über den Boom. Alle haben gefühlt über die EM und den Fußball der Frauen gesprochen. Es ist sehr stark in den Mittelpunkt von Gesprächen gerückt. Ich bin beruflich vor allem im Männerfußball unterwegs und da war es spannend zu sehen, dass ganz viele, die normalerweise nie zum Liga-Fußball der Frauen gehen, plötzlich die EM geguckt haben.

Zur Person

Die Interviewpartnerin Daniela Wurbs (privat)
privat

Daniela Wurbs ist seit 2002 im Fußball tätig und beschäftigt sich vor allem mit den Bereichen Vielfalt, Inklusion und Anti-Diskriminierungsarbeit.

Sie arbeitet u.a. für die Koordinationsstelle Fanprojekte der dsj (KOS), in der Football Supporters Federation (FSF) und war Mitbegründerin und Geschäftsführerin der heute größten Fußballfanorganisation Europas Football Supporters Europe (FSE).

Seit 2017 leitet sie die Beratungsstelle KickIn! für Inklusion & Vielfalt im Fußball.

Sie ist Initiatorin der Ausstellung "Fan.Tastic Females – Football Her.Story" über weibliche Fußballfankultur in Europa, die seit 2018 durch Europa tourt.

Woher kam die große Aufmerksamkeit?

Dafür sehe ich zwei Faktoren im Vordergrund. Das eine ist, dass die EM in England stattgefunden hat. Das hat der Aufmerksamkeit sehr geholfen, schließlich war es im "Mutterland des Fußballs". Außerdem wird das Thema Frauenfußball in England schon länger sehr gepusht. Viel mehr als in Deutschland. Und auf der anderen Seite steht diese fast schon antagonistische WM in Katar. Das hat sich glaube ich gegenseitig befruchtet.

Was ist ein paar Wochen nach der EM von dem Hype noch übrig?

Es ist immer noch sehr viel Faszination da. Und auch der Wille etwas zu tun. Die Frage ist nur, was da de facto wirklich passiert. Zeitgleich zum EM-Finale sind ja auch DFB-Pokalspiele angesetzt worden. Das ist nicht optimal und da ist die Frage, was man jetzt daraus lernt. Wie geht es weiter und nimmt man den Fußball der Frauen jetzt ernster? Ich hoffe, dass da jetzt Gespräche anlaufen, wie man das in Zukunft besser gestalten kann. Und auch die politische Aufmerksamkeit hat in diesem Zusammenhang vielleicht gar nicht so sehr geschadet.

Diese politische Aufmerksamkeit gab es sogar von oberster Stelle. Kanzler Olaf Scholz besuchte das EM-Finale und setzt sich persönlich für Equal Pay ein. Zuletzt war er Gast beim DFB, um darüber zu sprechen. Wie bewerten Sie seinen Vorstoß?

Man muss sehen, ob er wirklich ein aufrichtiges Interesse an dem Thema hat. Das kann und will ich nicht beurteilen. Aber es ist sicherlich gut, wenn von hoher politischer Stelle hingeguckt wird und zu strukturellen Veränderungen motiviert wird. Das hilft der Debatte innerhalb der Verbände. Denn dort hat es der Frauenfußball in Deutschland im Vergleich zu anderen Nationen noch schwer.

Was muss noch passieren, damit diese Aufmerksamkeit, die es gerade beim Thema Frauenfußball gibt, für positive Veränderungen sorgen kann?

Es muss schnell ernsthafte Bekenntnisse und Taten geben. Das Moment der Stunde sollte genutzt werden. Insbesondere Spieler:innen-Gewerkschaften und Verbände sollten sich zeitnah zusammensetzen. Wenn man jetzt bis Jahresende wartet, dann verpufft diese Euphorie wieder. Schön wäre es auch, wenn Fans des Männerfußballs sich solidarisch erklären würden. Es gibt eine zunehmende Anzahl an Fans, die sich durchaus auch im Frauenfußball organisieren und da sollte man vielleicht einen Schulterschluss hinkriegen.

Bis auf Hertha BSC haben alle Bundesligisten auch Frauen-Teams. In der Frauen-Bundesliga sind viele der erfolgreichen Teams also an die Männermannschaften geknüpft. Eine Ausnahme war lange Turbine Potsdam, bei denen der Erfolg in den letzten Jahren aber stetig nachgelassen hat. Ist diese Verknüpfung von Männer- und Frauenteams derzeit also zwingend notwendig, wenn man Erfolg haben will?

Das ist eine schwierige Frage. Ich wünsche mir, dass es diese Verbindung nicht brauchen würde, aber ich glaube, dass sie momentan nötig ist. Wenn sich Bundesligisten im Männerfußball für den Frauenfußball stark machen, dann haben die natürlich einen höheren Einfluss in Richtung der Verbände als Turbine Potsdam das jemals haben könnte. Da wird mehr politisches Gewicht erzeugt, wenn sich große Bundesligisten in dem Bereich engagieren. Gleichzeitig können sie Ressourcen bündeln und mehr Ressourcen auch in den Fußball der Frauen investieren. Das sieht man zum Beispiel in Dortmund oder Wolfsburg. Es gibt also Gründe, warum man das so organisieren kann. Auf lange Sicht wünsche ich mir aber, dass es auch ohne Verknüpfung funktioniert und es nicht zwingend Männervereine braucht, um den Fußball der Frauen stattfinden zu lassen. Es wäre schön, wenn ein kleiner Verein mit einem Frauenteam genauso den Durchmarsch an die Spitze schaffen kann, wie zum Beispiel das Frauenteam des BVB.

Auch Vorstände und Trainerstäbe im Fußball werden immer noch stark von Männern dominiert. Woran liegt das?

Ein Teil ist meiner Meinung nach schlichtweg die Geschichte. Frauen durften sich lange nicht in den übergeordneten Verbandsstrukturen des Fußballs organisieren. Erst ab den 70er Jahren gab es die offizielle Aufnahme des Frauenfußballs in die DFB-Strukturen. Grundsätzlich ist die Marginalisierung von Frauen lange nicht berücksichtigt worden. Immer wieder hört man den Spruch, dass es ja keine Frauen geben würde, die die Jobs machen wollen. Aber das liegt daran, dass man sich nicht genug bemüht hat, genauer zu gucken, was die Frauen wollen, die Fußball spielen. Der Fehler sollte in den eigenen Strukturen gesucht werden.

In den Fankurven Deutschlands zeigt sich ein ähnliches Bild. Was ist dort das Problem?

In den 80er und 90er Jahren hatten wir eine dominante Hooligan-Szene. Das macht das Stadionerlebnis für vielfältige Zielgruppen nicht besonders attraktiv. Mit dem Aufkommen der Ultra-Kultur hat sich das sehr ins Positive verändert. Aber auch nicht nur ins Positive. Nach wie vor ist der Bereich von Männern dominiert. Wenn es um Diskriminierung in der Kurve geht, wird immer noch sehr stark auf die Sprache und Körpersprache geschaut, aber weniger die strukturelle Ebene angeguckt. Das hast du in den Verbandsetagen und Vereinsgeschäftsstellen genauso. Da wird aber gerade mehr hingeguckt und in manchen Fanszenen auch. Ich glaube, da wird sich in den nächsten Jahren die Perspektive auch noch einmal verschieben, sodass man mehr in die Tiefe geht und sich eingesteht, dass es an den Strukturen liegt, dass gewisse Zielgruppen nicht so willkommen geheißen werden, wie andere. Das betrifft nicht nur Frauen, sondern beispielsweise auch Menschen mit Behinderung oder Migrationsgeschichte.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Lukas Witte, rbb Sport.

Sendung: rbb24, 09.08.2022, 18 Uhr

7 Kommentare

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  1. 7.

    Schauen Sie doch einfach weiterhin Golf oder so, anstatt hier wieder mal den Fussball der Frauen abzuwerten, Rita. Und na klar, auf die Winter WM in Katar freut sich schon die gesamte Fussballwelt . . .

    Zum Thema: Ich votiere nicht für ein "equal pay", wie übrigens auch z. B. die Bundestrainerin nicht. Vielmehr sollten die erheblichen Unterschiede bei den Zahlungen an die Männer- und Frauenteams des DFB verringert werden; heißt: bei den Männern 'runter' und den Frauen 'rauf'.
    Ansonsten wurde im Interview von Daniela Wurbs vieles erwähnt, das in Angriff genommen werden muss.

  2. 6.

    Warum sollte man den Frauen nicht die selbe Anerkennung schenken wie den Herren
    Sie spielen teilweise besseren Fussball als die Herren
    Auch der Verdienst der Fussballerinnen ist gegen derer Verdienste der Herren ein Witz
    Schade das man ausser bei der WM oder EM so gut wie nichts vom Frauenfussball im Fernsehen sieht

  3. 5.

    Genau,liebe Rita.Das glaube ich auch.Stell dir mal vor,es würde eine Bundesliga der Frauen geben,nur noch Fußball im öffentlich rechtlichen Fernsehen.Das Grauen.Dafür würde ich keine Gebühren zahlen Es gibt doch Sportsender.

  4. 4.

    Geld wird mit Werbung verdient und die ist beim Frauenfußball eben völlig unterrepräsentiert.

  5. 3.

    Ich finde die Frauen sollten dasselbe verdienen wie die Männer .
    Es sollte keine Unterschiede zwischen Ihnen geben.
    Ich bin jedenfalls begeistert von unseren Frauen und sehe mir lieber ein Spiel von Ihnen an.

  6. 2.

    Welcher Boom, es wurde einen Lücke geschlossen, da die Fußballl WM im Winter statt findet. Das ist kein Boom, das war ein Sommerloch.

  7. 1.

    Die Frauen haben einen sehr guten Fußball gespielt. Die Euphorie, insbesondere beim DFB wird aber schnell verblassen weil beim Frauenfußball zu wenig Geld eingespielt wird. Der DFB und die Clubs brauchen die Kohle um ihre Spieler zu bezahlen. Es muss ja einfach so sein, dass die Spieler zig Millionen im Jahr für wenig Leistung bekommen, nicht verdienen. Andere Sportarten, bei denen man etwas leisten muss, sind weitaus schlechter finanziert.

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