Nach Europameisterschaft der Frauen - Was sich ändern muss, damit der EM-Hype im Berliner Amateurfußball ankommt

Mo 01.08.22 | 19:13 Uhr
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Das deutsche Team wurde nach dem verlorenen Finale gegen England in Deutschland empfangen. (Quelle: dpa/Uwe Anspach)
Video: rbb24 Abendschau | 01.08.2022 | Carla Spangenberg | Studiogast Gaby Papenburg | Bild: dpa/Uwe Anspach

Die Frauen-Europameisterschaft war medial ein großer Erfolg. Nach der großen Party stellt sich nun aber die Frage, was getan werden muss, damit der kurzzeitige Hype auch langfristig im Amateurfußball ankommt - und was bereits getan wird. Von Simon Wenzel

Die Zahlen klingen beeindruckend. Zum Finale der Frauen-Europameisterschaft in England kamen so viele Menschen wie noch nie ins Stadion - fast 90.000 waren in der berühmten Wembley Arena dabei. Auch in den deutschen Wohnzimmern schalteten so viele wie lange nicht ein, rund 18 Millionen im Schnitt, in der Spitze sogar fast 22 Millionen, sahen die knappe 1:2-Niederlage Deutschlands gegen Gastgeber England in der ARD.

Das gab es seit Jahren nicht mehr bei einem großen Fußballturnier der Frauen. Vergleichbar sind diese Spitzenwerte eigentlich nur mit der Weltmeisterschaft in Deutschland 2011 - zumindest die TV-Quoten. Damals gab es nach dem Turnier große Hoffnungen auf einen Boom - und ziemlich schnell große Ernüchterung. Die Mitgliederzahlen in den Vereinen wuchsen zwar leicht, aber längst nicht so rasant wie erhofft.

Sind die Strukturen überhaupt bereit für einen Hype?

Bernd Schultz, der Präsident des Berliner Fußballverbandes, ist vielleicht deshalb etwas verhalten, wenn es um die Bedeutung des aktuellen Hypes für seinen Landesverband geht: "Erhoffen tun wir uns das natürlich, aber wir hatten die gleiche Hoffnung auch nach der WM 2011 - und da ist der Effekt ausgeblieben", sagt er.

Und selbst wenn ein Hype eintreten sollte, könnte womöglich nicht jeder Verein und damit auch nicht jede(s) interessierte Mädchen oder Frau direkt davon profitieren. "Es könnte bei vielen Vereinen Probleme geben, was die Kapazitäten der Sportplätze angeht und auch bei der Zahl der Trainerinnen", sagt Schultz. Vor allem die fehlenden Trainer:innen sind ein Problem, generell im Amateurfußball, aber eben auch bei den Frauen- und Mädchen-Mannschaften.

Beim Verein Sportfreunde Charlottenburg Wilmersdorf zum Beispiel, der gerade zum ersten Mal überhaupt eine Mädchenmannschaft zum Spielbetrieb angemeldet hat (D-Juniorinnen). Jugendleiter Frank Sek sucht noch händeringend nach Trainerinnen: "Wir könnten aufgrund der Anzahl an Anfragen wahrscheinlich direkt zwei oder drei Mädchenmannschaften aufmachen, aber wir haben derzeit nur einen Trainer. Wir suchen also Spielerinnen, aber auch Trainerinnen - am liebsten Frauen", sagt er.

DFB will Zahl der Aktiven um 25 Prozent in fünf Jahren steigern

Das will auch der oberste deutsche Fußballverband in den nächsten Jahren ändern. Der Deutsche Fußballbund (DFB) hat schon kurz vor der Europameisterschaft ein "Strategiepapier Frauen im Fußball" vorgestellt. Darin hat sich der DFB bis 2027 unter anderem das Ziel gesetzt, die Zahl der Aktiven Spielerinnen, Trainerinnen und Schiedsrichterinnen um 25 Prozent zu steigern. Wie genau? Das steht (noch) nicht darin.

Nur schwammig heißt es unter "Strategie und Taktik", dass die Landesverbände Mädchen und Frauen in ihren eigenen Strategien verankern müssten. Der DFB werde dabei mit seinem "DFB Assist"-Programm unterstützen. BFV-Präsident Bernd Schultz muss kurz lachen auf die Frage, was das denn jetzt genau heiße. Anschließend sagt er: "Der DFB muss die Rahmenbedingungen erarbeiten, zum Beispiel Lehrgänge, die mehr auf Mädchen und Frauen im Fußball eingehen." Anschließend könne der BFV als Landesverband das dann umsetzen. Mehr Trainerinnen auszubilden sei auf jeden Fall ein Ziel für ihn, sagt Schultz. Klar sei aber auch: "Sie können die tollsten Programme ausarbeiten, aber die müssen finanziell unterfüttert sein."

Um mehr Mädchen für den Fußballsport zu begeistern, plant der BFV keine neuen Maßnahmen nach dieser EM. Man wolle weiter auf das bewährte Kooperationsprogramm mit Berliner Schulen setzen. Das sei bisher erfolgreich, habe aber auch noch mehr Potenzial, sagt Schultz.

Sportschau-Highlights: EM-Finale Deutschland gegen England

Ambitionierte Berliner Projekte bei Viktoria und Union als Aushängeschilder?

Er erhofft sich aber auch von den neuen Ambitionen seiner regionalen Aushängeschilder einiges: Der FC Viktoria und der 1. FC Union hatten zuletzt angekündigt, ihre Frauen-Mannschaften ambitionierter fördern zu wollen, um langfristig in die Bundesliga vorzustoßen. In dieser Saison spielen beide noch in der drittklassigen Regionalliga. "Im Moment ist die Frage: Was können hochtalentierte Spielerinnen tun, wo können sie hingehen? Da wäre es wichtig, dass sie eine Möglichkeit im Stadtbereich haben", sagt Schultz.

Zum einen, weil die Spielerinnen sonst in einem gewissen Alter aufhören, statt den Wohnort zu wechseln - schließlich lohnt es sich für Frauen nur äußerst selten, auf die Karte Fußball als Karriereplan zu setzen - und zum anderen, weil man die Strahlkraft des lokalen Spitzenfußballs brauche. Ob es nur daran liegt, ist aber fraglich. Es gibt beispielsweise auch immer noch keine Verpflichtung, eine A-Jugend für Mädchen anzubieten und damit auch keinen Spielbetrieb. Das moniert Daniel Kübler, Trainer der 1. Frauen beim SC Charlottenburg. "Dort klafft eine große Lücke", sagt er. Viele Spielerinnen würden dem Verein beim großen Schritt von der B-Jugend zur Frauenmannschaft verloren gehen. Für ihn ist das eines der größten Probleme.

Ob es nun vor allem die fehlenden Trainerinnen oder die fehlende A-Jugend ist: Dass der Berliner Frauen- und Mädchenfußball noch ein Ausbildungsproblem hat, sieht man auch an dem Fakt, dass im aktuellen Kader des Deutschen Nationalteams keine Spielerin in einem Berliner Verein mit dem Kicken angefangen hat. Selbst von Turbine Potsdam wurde nur eine im Jugendalter ausgebildet - Felicitas Rauch.

DFB will mediale Aufmerksamkeit erhöhen

Der DFB hat neben der Steigerung von aktiven Frauen und Mädchen im Fußball übrigens noch drei weitere Kernziele in seinem Strategiepapier formuliert: Mehr Frauen in Gremien (mindestens 30 Prozent - der Berliner Fußballverband will das sogar noch schneller umsetzen), mehr internationale Titel (der Nationalmannschaft und der Bundesliga-Klubs) und mehr mediale Aufmerksamkeit.

Letzteres fordert auch Bernd Schultz ein - vom DFB. "Ausschlaggebend wird es sein, inwieweit es dem DFB gelingt, die Frauenfußball-Bundesliga stärker zu vermarkten und sie in den Vordergrund zu rücken. Nur dann kann man damit Werbung machen und Nachwuchs gewinnnen", sagt der Berliner Verbandspräsident. Er selbst wolle aber auch nochmal einen Anlauf starten, regionale Spitzenspiele wie den Saisonauftakt in der Regionalliga zwischen dem 1. FC Union und Viktoria zumindest als Zusammenfassung im Fernsehen oder Internet zu platzieren. Eine regelmäßige, gar vertraglich geregelte Vermarktung, von der die Vereine schon in dieser Spielklasse auch finanziell profitieren könnten, wie das beispielsweise bei der Männer-Regionalliga der Fall ist, sei aber "leider noch sehr weit weg", sagt Schultz.

Neue TV-Rechte machen Hoffnung auf mehr Einnahmen

Immerhin: Ab 2023 werden die Fernsehrechte der Frauen-Bundesliga erstmals einzeln vermarktet, statt wie bisher im Paket mit der 3. Liga der Männer. Außerdem verpflichtete sich der DFB im März auf seinem Bundestag, bis 2025 für eine erhöhte Wahrnehmung zu sorgen und mehr Einnahmen zu generieren. Und DFB und DFL verhandeln im kommenden Jahr über einen neuen Grundlagenvertrag, in dem es darum geht, wieviel Geld der Amateurfußball von den Profis bekommt. Vielleicht springt ja auch da noch mehr für die Frauen heraus, hofft Bernd Schultz.

Fest steht: In fünf Jahren werden sich der DFB und seine Landesverbände daran messen lassen müssen, inwieweit er seine Ziele für die Förderung von Frauen im Fußball erreicht hat. Die Europameisterschaft kann eine unverhoffte Starthilfe sein, denn als das Strategiepapier geschrieben wurde, wäre ein Finaleinzug des deutschen Nationalteams in England noch eine Überraschung gewesen.

Sendung: Abendschau, 01.08.2022, 19.30 Uhr

13 Kommentare

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  1. 13.

    Ebend und es war für die Engländer ein Schummelfussball nicht gegebener Elfmeter ,trotz Handspiel
    Die Deutschen sind eindeutig die Sieger
    Man hätte beim DFB innerhalb 2 Tagen Einspruch gegen den Schiedrichter erheben sollen und das Spiel wiederholen
    Schummeln kann jeder ,

  2. 12.

    Ach lieber Ansgar, einfach mal das Wort "sogenannte" hinzudenken und nicht mit unnötigem Populismus vom Thema ablenken!

  3. 11.

    So sieht es aus. Wenn Frauenfußball kaum jemand interessiert, kann man das auch nicht erzwingen. Das selbe Problem gibt es doch auch beim Gendern. Der BR ist ja da in einer Sendung grandios gescheitert.
    Nichts und Niemand hindert Frauen daran eigene Vereine zu gründen und in den Sport zu gehen und wenn Werbefirmen dort Werbung platzieren, dann verdienen sie auch mehr.
    Und welcher Hype? Ich habe keine Jubelschreie, Tröten oder Feuerwerk in meinem Wohnumfeld mitbekommen.

  4. 10.

    Für die Bezahlung hat die „Quote“ einen Einfluss, so wie woanders auch. Nämlich die Einschaltquote. Auch die gelaufenden km/Spiel und die Spieleanzahl, bis zu einem Erfolgstitel, gehen da mit ein. Obwohl, da müsste mancher Geld mitbringen, egal welches Geschlecht.

  5. 9.

    Was sind denn bitte "Frauenberufe"? Guten Morgen, wir sind im 21. Jahrhundert...

  6. 8.

    Dauerhafte Begeisterung von Fans muss man sich erarbeiten! Vereine können Frauen selbst gründen und das Fehlen von weiblichen Trainern auf irgendeine Unterdrückung zu münzen, nur um selbst keine Verantwortung in Vereinsarbeit übernehmen zu müssen, finde ich wirklich schwach! Warum wird nicht mal das geringe Engagement der Frauen kritisiert? Männerfußball wurde nicht auch einfach so geboren, viel passiert ehrenamtlich und nur ein geringer Teil der Männer landet im Profifußball! Männer müssen sich ihren Stand in Frauenberufen auch erarbeiten und das darf man umgekehrt auch von Frauen erwarten, aus Gründen der Gleichberechtigung und des Stolzes der Frauen!

  7. 7.

    Droht uns jetzt eventuell schon wieder irgendeine Quote?
    Beliebtheit lässt sich nicht erzwingen.

  8. 6.

    Bernd Schultz ist der alte weiße Mann des Berliner Fußballverbandes, Frauenfußball interessiert ihn nicht die Bohne, alles Alibigerede und immer schön dem DFB die Verantwortung zuschieben.
    Der sitzt das aus....

  9. 5.

    Grundsätzlich bin ich da (ausnahmsweise mal ; ) ganz bei Ihnen. Das muss – und wird sich hoffentlich auch – langsam aber sicher in die richtige Richtung entwickeln. Wenn das Interesse der Zuschauer zunimmt, werden auch die Einnahmen durch Werbung und Übertragungsrechte steigen, wodurch sich dann eben auch die Bezahlung der Spielerinnen verbessern sollte. Verdient haben sie‘s allemal!

  10. 4.

    Erst die Leistung dann das Marketing, dann die Bezahlung. Der DFB muss Geld ausgeben für die kleinen Mädchen und diese fördern. Gut bezahlte Trainer inclusive. Das Geld ist da, an der Aufteilung kann noch mächtig gearbeitet werden.

  11. 3.

    Frauenfussball auf eine Stufe mit den Männern stellen mit allen Belangen auch bei der Bezahlung auch von Seiten vom DFB und sich nicht nur im Erfolg sonnen.

  12. 2.

    Warum im Amateurfussball
    Haben die Frauen kein Recht im Profifußball anzukommen
    Ich finde, sie spielen einen guten Fußball, und man sollte den Frauen schon eine Chance bis in den Profifußball gewähren

  13. 1.

    Ja, die Behandlung des Frauenfußballs scheint DFB-seitig die PR-Ebene noch nicht verlassen zu haben.
    Dahinter steckt zweifellos ein bestimmtes Weltbild, dass Frauen an der Seite ihres doch so erfolgreich agierenden Mannes sieht und das mit Männern neben Männern in einer Beziehung nichts anfangen kann.

    Nur Menschen nach Ende ihrer Karriere können sich zu Anderweitigem bekennen.

    Insofern ist der Männerfußball tendenziell nicht nur eine Hochburg der Homophobie, sondern auch der Verdinglichung der Frauen. So "hart" muss es wohl gesagt und geschrieben werden. - Einzelne mögen es anders sehen; doch der Mut, sich einzeln oder gemeinschaftlich anders zu äußern, fehlt bislang.

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