Meinung | Union-Spiele im Olympiastadion? - Geld oder Heimvorteil

Fr 30.06.23 | 21:20 Uhr | Von Ilja Behnisch
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Banner von Union-Fans (imago images/Matthias Koch)
Bild: imago images/Matthias Koch

Union Berlin scheint für die Heimspiele in der kommenden Champions-League-Saison ins Olympiastadion ziehen zu wollen. Dafür lassen sich gute Argumente finden. Die Frage ist nur, ob es die richtigen sind. Von Ilja Behnisch

"Die Wahrheit liegt auf dem Platz", hat Trainer-Guru Otto Rehhagel einst gesagt. Im Fall des Fußball-Bundesligisten Union Berlin allerdings stellt sich neuerdings die Frage: auf welchem eigentlich?

Denn wenn der 1. FC Union ab dem 19. September 2023 erstmals in der Gruppenphase der Champions League antritt, könnte er tatsächlich im heimischen Stadion An der Alten Försterei auflaufen. Für Menschen, die den Fußball nur beiläufig verfolgen, mag das nach einer Binse klingen. Tatsächlich aber waren die Wettbewerbe der Uefa lange Zeit ausschließlich Sitzplatz-Angelegenheiten. Von denen hat Union aktuell lediglich 3.617 Stück, weshalb der Verein etwa für die Conference-League-Saison 2021/22 ins Olympia-Stadion umgezogen war, Heimspielstätte von Lokalrivale Hertha BSC.

Erst in der vergangenen Spielzeit war es den teilnehmenden Klubs dank eines Pilot-Projekts erlaubt, für Europapokal-Partien auch Stehplatz-Tickets zu verkaufen. Die gesammelten Erfahrungen scheinen gut gewesen zu sein, denn die Genehmigung erstreckt sich nun auch auf die kommende Saison.

Es passen schon länger nicht mehr alle Union-Mitglieder ins Stadion

Unions Präsident Dirk Zingler hatte allerdings bereits Anfang Juni und also vor dieser Entscheidung in einem vereinseigenen Video-Interview erklärt: "Zurzeit verdichten sich die Themen, dass wir die Champions League nicht in unserem Stadion spielen." Vor der Europa-League-Saison 2022/23, die Union dank des Uefa-Pilot-Projektes An der Alten Försterei erleben durfte, schwärmte eben jener Dirk Zingler noch: "Die historische Chance, Europapokal-Abende an der Alten Försterei zu erleben, wollen wir unbedingt nutzen. Die infrastrukturellen Anpassungen, die dafür notwendig sind, werden wir schnellstmöglich mit der Stadionkommission der UEFA diskutieren und umsetzen." Auch nach dem Erreichen der Champions League Ende Mai hatte Zingler noch gesagt: "Wenn es irgendwie geht, spielen wir in der Alten Försterei."

Woher also der (mögliche) Sinneswandel? "Wir können für die Alte Försterei noch nicht mal ein theoretisches Angebot machen, dass jedes Mitglied ein Spiel besuchen kann", so Zingler Anfang Juni mit Hinblick auf die Heimspiele der Champions League.

53.115 Vereinsmitglieder hat Union (Stichtag 31. März 2023). 22.012 Zuschauer haben An der Alten Försterei in der Bundesliga Platz. Für die Champions League rechnet man rund um den Klub angesichts diverser Auflagen und Umbaumaßnahmen für Medien und Sponsoren mit einer Kapazität von 15.000 Zuschauern.

Allerdings hatte der Klub auch schon inmitten der Europa-League-Saison 2022/23 mehr Mitglieder als Plätze im Stadion. Stehplätze hin oder her. 48.364 Mitglieder präsentierte Zingler auf der Mitgliederversammlung im November 2022. Zweieinhalb Monate später siegte Union in den Europa-League-Playoffs vor 21.800 Zuschauern im Stadion An der Alten Försterei sensationell über Ajax Amsterdam (3:1). Auch dank der ganz besonderen Stimmung in Köpenick.

Warum nicht gleich nach Pjöngjang?

Unions Heimspiele und damit das eigene Stadion waren ein maßgeblicher Faktor beim Aufstieg von der zweiten Liga bis in die sogenannte Königsklasse des europäischen Fußballs. In der abgelaufenen Saison 2022/23 belegte die Mannschaft in der Auswärtstabelle einen respektablen siebten Platz.

In der Heimtabelle jedoch rangierte Union ungeschlagen auf Rang drei, noch vor Bayern München. Und auch der Blick auf Unions Besuche im Olympiastadion während der Conference-League-Saison 2021/22 sprechen eher für das Stadion An der Alten Försterei. Zwar gab es gegen Maccabi Haifa (3:0) einen Sieg. Gegen Feyenoord Rotterdam hingegen setzte es eine 1:2-Niederlage, gegen Slavia Prag reichte es lediglich zu einem Unentschieden (1:1). Aus sportlicher Sicht, daran kann kein Zweifel bestehen, wäre der erneute Umzug nach Charlottenburg ein Nachteil.

Es bleibt also der finanzielle Aspekt. Statt etwa 500.000 Euro Heimspiel-Einnahmen im Stadion An der Alten Försterei winken im ausverkauften Olympia-Stadion kolportierte zwei Millionen Euro pro Champions-League-Partie. Bleibt es bei den drei Heimspielen der Gruppenphase, würde das insgesamt eine Mehreinnahme von 4,5 Millionen Euro bedeuten.

Wenn aber Geld die treibende Kraft hinter einer Entscheidung pro Olympiastadion ist, warum zieht Union dann nicht auch für die Bundesliga-Heimspiele gegen Bayern München oder Borussia Dortmund nach Charlottenburg? Oder gleich ins Stadion Erster Mai von Pjöngjang, welches nochmals 39.625 Plätze mehr fasst als das Berliner Olympiastadion. Dass in der nordkoreanischen Hauptstadt ausrangierte U-Bahn-Züge der BVG unterwegs sind, ließe vor Ort immerhin Berlin-Flair aufkommen.

Es ist verständlich, dass Unions Führungsriege aus der womöglich einmaligen Teilnahme an der Champions League das finanzielle Maximum herausholen möchte, um die Zukunft des Vereins auf möglichst sichere Füße zu stellen. Und die Wahrheit liegt auch dann noch auf dem Platz. Für Union Berlins Abenteuer Champions League allerdings sechs Mal auswärts.

Sendung: rbb24 Inforadio, 30.06.2023, 22:15

Beitrag von Ilja Behnisch

33 Kommentare

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  1. 33.

    Dann muss man net Championgsleage spiele und braucht auch keihne grose vertärkung

  2. 32.

    Das sehe ich, wenn auch schweren Herzens, ähnlich wie Sie, Jürgen. Denn wie im m. E. etwas zu launigen und mit einer unzutreffend verknappten Überschrift versehenen Artikel zu lesen ist, hätten nach Abzug des Gästekontingents jeweils nur etwa 12.500 Unioner die Möglichkeit eines der drei Gruppenspiele live im Stadion zu erleben. Und da man aufgrund der "Topfauslosung" wohl davon ausgehen kann, dass es für den FCU bei drei CL-Spielen bleiben wird, hätte ein guter Teil der nun mehr als 56.000 FCU Mitglieder, deren Anzahl bis zum Anpfiff des 1. CL-Spiels sicher noch ansteigen wird, keine Aussicht darauf, an Tickets zu kommen. Und da die Champions League für mich persönlich ein szs. schönes Nebenschauplatzspektakel ist, plädiere ich dann doch für einen Umzug ins ungeliebte O-Stadion.

  3. 31.

    Im Olympiastadion ist und bleibt für jeden Berliner Verein ein Heimspiel, egal welcher da öfters spielt, das Stadion gehört janz Berlin.

  4. 30.

    Ja - das Olympiastadion ist die bessere Alternative. Wegen der circa dreifachen Kapazität und als fannaher Verein sollte es keine andere Wahl geben. Fußballromantik war gestern und nun lebt mit den Geistern, die ihr gerufen habt.

    Ich kann das Geeiere der Klubbosse nicht ernst nehmen! Monetäre Gründe abzustreiten erscheint nach dem Ja Unions zu den Investorenplänen der DfL verlogen.
    Bei den Vereinsbossen sind letztlich die Fans nur 2. Wahl nach den primären, wirtschaftlichen Interessen... da mag Köpenick jetzt aufheulen, wie es will.

    Ja - Union ist im deutschen Fußball angekommen und unterscheidet sich in seinem wirtschaftlichen Verhalten nur noch unwesentlich von allen anderen. Egal, ob Bayern, Hoffenheim, Leipzig o. Leverkusen. Da hilft auch kein Weihnachtssingen.

    Und nein, ihr Köpenicker - bevor das übliche Bepöbeln einsetzt:
    Hertha geht mir am Allerwertesten vorbei!
    Für Euch unfassbar, aber trotzdem war: die Welt hat deutlich mehr zu bieten!

  5. 28.

    Hertha ist hier nicht Thema und außer Ihnen hat niemand Hertha erwähnt. Warum machen Sie das? Was soll dieses provokante Verhalten? Union muss nicht im Oly spielen.

  6. 27.

    Geld u. Heimvorteil.
    Denken Sie an die Derbys.

  7. 26.

    Es. Geht nur ums Geld

  8. 25.

    Sollte Union im Olympiastadion spielen, wird denen auch die Miete gestundet wie bei dem Senatsklub? Herrlich wenn Herthaner einen auf Moral machen und Union belehren wollen.

  9. 24.

    Oly wäre natürlich praktisch, versagt Union, kann man es auf das Stadion schieben. Andererseits hat man vielleicht wirklich Angst vor dem großen Stadion, weil man nur zuhause gewinnen kann? Dilemma und Chance zugleich.

  10. 23.

    Geld regiert alles, denn ohne kann man sein Stadion nicht ausbauen, die Zufahrtstraße nicht bauen, keine neuen Spieler kaufen usw.
    Nur ein Herz kann man nicht kaufen, also Unioner, handelt mit Herz UND Verstand!

  11. 22.

    Dankeschön, guter Kommentar. Lasset die Freunde alle mit uns ins Olympiastadion gehen, man muß sich bei so runden Ereignissen nicht immer im eigenen Wohnzimmer quetschen!

  12. 21.

    Es ist erschreckend, wie undifferenziert der Artikel, aber auch die Kommentare hier sind.
    Wer sich wirklich lange mit Union beschäftigt, der weiß genau, dass es keine monetäre Option sein kann, in ein anderes Stadion zu wechseln. Das ist natürlich auch aktuell nicht der Fall, denn selbst wenn Union nach Abzug aller Kosten wie Miete ins Oly wechselt, bleiben vielleicht 3 Mio.€ übrig. Gemessen an über 66 Mio.€ TV Geld allein über die DFL ist das nicht relevant für eine solche Entscheidung.
    Natürlich muss man sich angesichts von 56.312 Mitgl.(Stand 30.06. - hätte der Autor bei sauberer Recherche auch gestern schon auf der Website abrufen können) Gedanken machen, wenn man organisatorisch deutlich mehr Aufwände hat zwischen BL und CL und man dann weniger Fans ins Stadion lassen kann als noch in der EL. Warum geht Ilja Behnisch nicht darauf ein?
    Ich hoffe auf eine Entscheidung proAF, aber die sie wird sicher nicht leichtfertig getroffen. Der Vergleich mit Pjöngjang ist unfassbar unseriös.

  13. 20.

    Es ist wie bei allen Anderen auch in Köpenick so: Geld regiert den Fußball. Da ist nichts von Kultclub zu sehen. Und bald werden sie auch den Stadionnamen verkaufen. Es ist alles nur eine Frage des Preises.

  14. 19.

    Aber für Union ist ein Spiel in Berlin eben fast wie ein Auswärtsspiel. Die sind Kiezkicker. Als Spandauer verstehen Sie bestimmt den Unterschied.

  15. 18.

    Klar geht es im Profifußball um Geld. Reich ist man auch dort nur, wenn man weiß dass man genug hat. Geht es um Geld, oder einfach nur um immer mehr. Das wird Union noch den Kopf kosten. Gier ist nicht geil

  16. 17.

    Das Herz sagt ganz klar, spielen im Wohnzimmer. Problem dabei ist nur, ich kann mir keine Freunde einladen, weil es zu klein ist. Also sollte der Verstand schon das sagen haben und die Freunde dabei sein. Es ist ja nicht auf Dauer.

  17. 16.

    Union ist ein ganz normaler erfolgreicher Fußball-Verein, kein kultiger Underdog mehr.
    Zungler will Erfolg, dass hat er geschafft.
    Das verlogene daran ist aus meiner Sicht, dass es nicht offen zugegeben wird.
    Schon bei der Wahl der Sponsoren ist erkennbar, wie wichtig Union das Geld ist.
    Erfolg und Kult passen nicht zusammen.

  18. 15.

    Fernseher? Radio! Weil nur da frei empfangbar. Is eh viel geiler, zumindest als Streaming.

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