Interview | Raketenstart Ende Februar - Letzte Vorbereitungen für Raketenstart mit BTU-Experiment

Mo 21.02.22 | 13:52 Uhr
Die BTU-Forscher in Schweden (Bild: BTU/LS Strömungsforschung)
Die BTU-Forscher in Schweden | Bild: BTU/LS Strömungsforschung

Mitten in der schwedischen Wildnis wollen BTU-Wissenschaftler Ende Februar eine Rakete mit einem Experiment in 250 Kilometer Höhe schicken. Im Interview spricht der zuständige Professor über die Fallstricke und über den Nutzen des Experiments.

rbb24: Prof. Egbers, Sie und Ihre Kollegen vom Lehrstuhl Strömungstechnik an der BTU sind für Ihr Experiment extra nach Schweden gereist. Wie sieht es denn bei Ihnen gerade vor der Haustür aus?

Christoph Egbers: Wir sind hier völlig in der Pampa. Wir haben Minus 16 Grad und es schneit. Ein bisschen kommt die Sonne raus, das ist sehr schön. Ansonsten ist man hier sehr einsam. Wir sind hier 40 Kilometer von Kiruna (nördlichste Stadt Schwedens, Anm. d. Red.) entfernt. Stellen Sie sich das nicht zu rosig vor.

Halten Sie denn Kontakt zu Ihren Mitarbeitern in Cottbus?

Ja, tatsächlich. Wir hatten gerade eine Mitarbeiterrunde online. Wir haben unseren Kollegen am Lehrstuhl schon berichtet, wie weit wir in der letzten Woche gekommen sind. Die fiebern ja auch alle mit.

Sie haben eben schon vom Klima vor Ort berichtet, wie genau betreiben Sie denn Ihre Forschung? Sind Sie tatsächlich draußen in der Kälte?

Gearbeitet wird in großen Hallen. In einer Halle werden die Experimente vorbereitet, in einer anderen wird die Rakete vorbereitet. Heute sollen die Raketenmotoren angeliefert werden und über die gesamte letzte Woche haben wir die Experimente vorbereitet. Es sind vier Experimente an Bord. Am vergangen Montag wurde alles ausgepackt, Airbus hat dann seine gesamte Infrastruktur mit dem Labor erstmal wieder aufgebaut. Seit Dienstag wurde dann jeden Tag ein Experiment neu integriert. Am Freitag war dann unseres dran. Über das Wochenende sind dann alle vier Experimente übereinander gesetzt worden. Gestern Nachmittag fand dann ein erster Techniktest mit der zusammengebauten Nutzlast statt. Das hat bisher auch gut funktioniert. Heute Nachmittag gehen die Tests dann weiter. Dann kommt die Nutzlast zur Rakete, da sind wir auch noch dabei. Am kommenden Samstag soll ein Probecountdown stattfinden. Wenn es gut läuft, könnte am Sonntag, spätestens am Montag gestartet werden.

Ankunft des Teams in Schweden (Bild: Die BTU-Forscher in Schweden)
Ankunft des Teams in Schweden | Bild: BTU/LS Strömungsforschung

Wie sieht denn dieses Experiment aus, wenn es in die Rakete eingebaut wird?

Unser Experiment wiegt etwa 100 Kilo. Das ist ein Zylinder, mit einer Höhe von über einem Meter und einem Durchmesser von 50 Zentimetern. Mit den anderen Experimenten, der Spitze der Rakete und den anderen Raketenteilen, ist das Ganze dann zwölf Meter hoch.

In einer Woche soll es losgehen, dann wird die Rakete in etwa 250 Kilometer Höhe aufsteigen. Wie sieht denn der Zeitplan bis dahin aus?

Der Zeitplan ist sehr eng. Die Kollegen von Airbus haben heute wieder sehr früh in der Halle begonnen. Die integrieren die Experimente weiter und machen weiterhin Tests. Im Moment sind die Experimente alle noch mit der Bodenstation mit Kabeln verbunden. Diese Kabel werden jetzt alle getrennt, der Kontakt findet dann über Telemetrie statt. Auch das muss alles getestet werden, wiederum von den Kollegen der mobilen Raketenbasis. Jeden Tag werden weitere Tests hinzukommen. Dann wird der große Schritt vollzogen, dass die Rakete mit der Nutzlast verbunden wird und in dem Startsystem aufgestellt wird. Das wird noch einmal eine Herausforderung, weil das Ganze draußen stattfindet und es hier ja so kalt ist. Die Experimente müssen deshalb warm gehalten werden, bis die Rakete dann startet.

Das heißt jetzt steigt auch die Aufregung jeden Tag?

Das Kribbeln wird immer größer, bei uns auch. Wenn man sieht, mit welcher hohen Professionalität und Akribie hier gearbeitet wird, auch durch die Kollegen vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und von Airbus, ist das wirklich bewundernswert. Da sind wir auch gerne dabei.

So ein Experiment wird ja nicht von heute auf morgen mit einer Rakete in die Luft gebracht, wie lange haben Sie denn daran schon geforscht?

Diese Thematik zur Verbesserung von Wärmetauschern behandeln wir schon seit fünf oder sechs Jahren. In den vergangenen Jahren haben wir das häufig mit jeweils einmaligen Parabelflügen untersuchen können, aber diese bieten natürlich nur Kurzzeitschwerelosigkeit, etwa 20 Sekunden. Dafür ist bei so einem Flugtag etwa 30 Mal die Möglichkeit gegeben, die Parameter zu variieren. Hier haben wir jetzt einen Flug mit sechs Minuten und können eine stabile Strömung einstellen. Wir können die Stabilität dieser Wärmetauscherströmung auch sehr gut kontrollieren und beobachten. Das ist eine gewisse Krönung der Experimente, die wir vorher bei den Parabelflügen gemacht haben.

Was genau erforschen Sie denn mit dem Experiment und was bringt denn das letztendlich für den Alltag?

Es ist so, dass wir durch Anlegen von Hochspannnung, wie bei einem Kondensator, hier künstliche Kräfte erzeugen können, die einen Wärmetransport erhöhen. Wenn wir das auf der Erde machen, dann ist das immer durch die Erdgravitation überdeckt. In der Schwerelosigkeit ist dieses Kraftfeld, das wir künstlich erzeugen, idealerweise wirksam. Und wir lernen in der Schwerelosigkeit, wie wir das dann auf der Erde anwenden können, sodass wir am Ende die Wärmetauscher auf der Erde verbessern können.

Was hat denn der Otto-Normalverbraucher von Ihrem Experiment?

Wir können später Wärmetauscher energetisch effizient betreiben, indem wir zu einem minimalen Teil Hochspannung anlegen und damit den Wärmetransport erhöhen. Das dienst beispielsweise der Verbesserung von Energiesystemen.

Welche Vorteile bietet denn der Raketenflug?

Von den Falltum-Experimenten mit fünf Sekunden, zu den Parabelflügen mit 20 Sekunden und unserem Raketenflug mit sechs Minuten gibt es schon nicht viel mehr Schwerelosigkeitsoptionen, außer, dass man dann die Raumstation nutzen kann. Das wollen wir in Zukunft auch noch tun. Nicht mit diesem Experiment und den Wärmetauschern, sondern mit den weiterentwickelten Geoflow-Experimenten. Da werden wir etwa 2025 ein drittes Experiment auf die Raumstation bringen, mit dem Modell einer Atmosphärenströmung.

Was kann denn dem aktuellen Experiment noch gefährlich werden?

Wir warten unter anderem noch auf gutes Wetter. Es darf nicht sehr stürmisch sein, damit die Rakete ihre Bahn fliegt. Und natürlich müssen, wenn der Countdown läuft, alle vier Experimente das Go geben. Von jeder Wissenschaftlergruppe ist jeweils eine Person als Schnittstelle ganz nah an der Rakete. Zusammen mit einem Kollegen von Airbus wird das Okay gegeben, ob das Experiment die richtige Ausgangsposition hat. Wenn da einer nein sagt, dann wird nicht gestartet. Wir sind also sehr gespannt auf den Morgen, an dem das abhebt und hoffentlich anschließend auch gut wiederkommt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Holger Kessler für Antenne Brandenburg.

Sendung: Antenne Brandenburg, 21.02.2022, 15.10 Uhr

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