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Audio: Antenne Brandenburg | 09.06.2023 | Nico van Capelle | Quelle: Archiv Roswitha Kupsch

Abbaggerung von Groß Lieskow jährt sich

40 Jahre ohne die Heimat

Für den Tagebau Cottbus-Nord wurden vier Orte vollständig zerstört - einer davon war Groß Lieskow. 1983 mussten die Einwohner wegziehen und damit ihre Heimat verlassen. 40 Jahre später wollen viele am Gedenkstein wieder zusammenkommen. Von Josefine Jahn und Nico van Capelle.

Roswitha Kupsch zeigt in die Ferne. Wo früher Leben war, gähnt heute ein Loch, zur Hälfte gefüllt mit Wasser. "Das war das Hauptdorf, das war, wo unser zentrales Leben war."

1983 mussten die 255 Einwohner von Groß Lieskow aus ihren Häusern raus, den Ort verlassen, weil die Bagger des Tagebaus Cottbus-Nord näher rückten. Roswitha Kupsch war gerade Mutter geworden, als ihr Heimatdorf für die Braunkohle abgebaggert wurde, genau wie 137 weitere Orte in der Lausitz.

Jahrzehnte Später, 2018, fuhr schließlich der letzte Kohlezug im Tagebau Cottbus-Nord, seit April 2019 wird die Grube geflutet. Entstehen soll der Cottbuser Ostsee, das größte künstliche Gewässer Deutschlands. Der Anblick tue ihr "in der Seele weh", so Kapusch. "Deshalb gehe ich ganz selten bis hier ran."

Roswitha Kupsch mit dem Jänschwalder Pfarrer Ingolf Kschenka (Mitte) und Jürgen Nattke | Quelle: rbb/Jahn

Neue Heimat - aber nicht dasselbe

Zu Groß Lieskow gehörten rund 150 Gehöfte, eine Schule, sorbisches Kulturgut - sowie eine "wunderbare Kirche [und] funktionierende Gemeinde". Vieles mussten die Groß Lieskower damals zurücklassen. Roswitha Kupsch hätte zum Beispiel gern "einen Teil unseres Brunnens, ein Wagenrad oder ein paar Tiere" mitgenommen.

Dass der Ort zerstört wurde, mache sie von Jahr zu Jahr wehmütiger. Es sei ein Heimatgefühl gewesen, das mit ihrem jetzigen Wohnen in Cottbus nicht vergleichbar sei. "Man ist weggezogen, hat eine gute Wohnung, hat auch ein neues Umfeld. Aber meine Groß Lieskower Freunde, die ich seit Kindergartenzeiten habe, sind heute immer noch meine wichtigsten Personen."

Das Schulhaus und die Dorfkirche | Quelle: Archiv Roswitha Kupsch

Positive Entwicklung

Die Pläne für den ehemaligen Tagebau freuen Kupsch. Es sei positiv, dass er zu einem Erholungsgebiet wird, dass daraus "etwas Sinnvolles" entsteht, sagt sie. Mitte der 2020er Jahre soll der Cottbuser Ostsee fertig geflutet sein. Zurzeit ist der Wasserhahn jedoch erstmal wieder zugedreht. Ende Mai wurde die Flutung wegen der anhaltenden Trockenheit vorübergehend gestoppt, wie auch schon in den vergangenen Jahren.

Wenn alles fertig ist, hofft Roswitha Kupsch, "dass große Gedenktafeln um den Ostsee aufgestellt werden und wir auch Groß Lieskow gedenken." Sie wünsche sich auch, dass darauf Bilder ihres alten Heimatortes zu sehen sind.

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Die Spree steht vor einer Mammutaufgabe: Sie muss einen ehemaligen Lausitzer Tagebau in den größten See Brandenburgs verwandeln. Direkt an der Cottbuser Stadtgrenze entsteht in einer der trockensten Gegenden Deutschlands der "Ostsee".

Treffpunkt: Gedenkstein

Einen Gedenkstein gibt es bereits seit 2013, seitdem treffen sich ehemalige Bewohner einmal im Jahr, immer am zweiten Samstag im Juni. Bis zu 150 Leute seien bei solchen Treffen dabei gewesen.

Auch an diesem Samstag sollen - zum 40-jährigen Jubiläum der Ortsabbaggerung - die früheren Groß Lieskower am Gedenkstein zusammenkommen. Kupsch bereitet das Treffen gemeinsam mit Jürgen Nattke, der ebenfalls in Groß Lieskow lebte, und dem Jänschwalder Pfarrer Ingolf Kschenka vor.

Es sei nicht nur ein Zusammentreffen der älteren Bewohner, sagt Kupsch. "Die bringen auch ihre Kinder mit, die damals vielleicht noch gar nicht geboren waren." Jeder bringe auch etwas mit, wie Kaffee oder Sekt. "Man unterhält sich miteinander. Danach geht's uns besser."

Sendung: Antenne Brandenburg, 09.06.2023, 16:40 Uhr

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