Kelch: "Wir können nicht mehr" - Cottbus fordert Flüchtlingskonferenz mit Kanzler und stoppt dauerhafte Aufnahme

Di 18.10.22 | 15:58 Uhr
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Der Bürgermeister von Cottbus Holger Kelch (Quelle: rbb)
Audio: Antenne Brandenburg | 18.10.2022 | Iris Wussmann | Bild: rbb

Die Stadt Cottbus hat wegen des Zuzugs von Geflüchteten einen Forderungskatalog aufgestellt. Hauptanliegen ist ein "Flüchtlingsgipfel mit Ministerpräsident und Kabinett unter Einbindung der Kommunen und daran anschließend Flüchtlingskonferenz mit dem Bundeskanzler", heißt es in einer Mitteilung der Stadt am Dienstag.

Cottbus hisse die weiße Fahne, wird der Oberbürgermeister Holger Kelch (CDU) zitiert. "Wir können nicht mehr." Schulen und Gesundheitsversorgung seien an der Kapazitätsgrenze. Darüber hinaus habe die Stadt keine "Signale der Unterstützung" von Land oder Bund erhalten, sondern würde vertröstet werden, so Kelch. Die Migrationssozialarbeiter bei den freien Trägern haben laut Stadt ihre Kündigungen zum Jahresende bekommen, weil es keine Aussage des Landes zur weiteren Finanzierung gebe.

In ihrer Mitteilung fordert die Stadt auch die "gleichmäßige und gerechte Durchsetzung der Verteilung innerhalb Brandenburgs und Deutschlands sowie die Wiederherstellung der gleichmäßigen Verteilung innerhalb Europas". Außerdem brauche es laut Cottbus niederschwellige Angebote der Gesundheitsversorgung für Geflüchtete, eine "sofortige und umfängliche" Bauförderung von Kita, Schule und Hort und die Möglichkeit, Willkommensklassen anzubieten. Eine weitere Forderung ist, dass die Kosten der Kommunen zu 100 Prozent ausgeglichen werden, "die Verantwortung übernehmen und die Hauptlast tragen."

Nach Erstversorgung weiterschicken

Die Stadt nimmt laut dem Oberbürgermeister zum jetzigen Zeitpunkt keine neuen Geflüchteten mehr dauerhaft auf. "Wir haben es bisher so gehalten, dass jeder, der kommt, eine Erstversorgung erhält. Das werden wir auch weiter sicherstellen", sagte Kelch am Dienstag dem rbb. Die Stadt müsse aber feststellen, dass sie für eine größere Anzahl an Geflüchteten nicht mehr die Kapazitäten habe, um sie so unterzubringen, "wie wir es unter einer qualitativ vernünftigen, menschenwürdigen Begleitung und Unterbringung verstehen." Die Stadt werde deshalb "Druck machen" und die Personen nach einer Erstversorgung weiterschicken, so Kelch.

Das Signal, dass die Stadt am Limit sei, kam bereits eine Woche zuvor aus Cottbus. Etwa 11.000 Menschen aus anderen Ländern leben inzwischen in der Stadt – arbeiten als Pflegekräfte, Studierende oder Ärzte am Klinikum. Aber 2.600 von ihnen würden auch in den sozialen Sicherungssystemen betreut, sagte Kelch vor einer Woche dem rbb. Und sie belasteten damit die Strukturen.

Gründe dafür, dass weiterhin Geflüchtete nach Cottbus kommen, seien der Familiennachzug und "die weiterhin fehlende Wohnsitzauflage im Land Brandenburg", heißt es in der Mitteilung der Stadt am Dienstag. Holger Kelch kritisierte darin, dass es Kommunen gebe, die noch immer "ihrer Aufnahmepflicht in Größenordnungen von 400 bis 500 Personen nicht nachkommen." Auch in Europa ist aus Sicht der Stadt das solidarische Verteilsystem "zum Erliegen" gekommen. Dazu kämen Geflüchtete, die über Russland, Weißrussland und die Ukraine fliehen sowie "die fragwürdige Politik Serbiens und eine beachtliche Anzahl von sogenannter Sekundärmigration", heißt es weiter.

Sendung: Antenne Brandenburg, 18.10.2022, 15:30 Uhr

12 Kommentare

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  1. 12.

    Wo sind die Leute, die vor nicht allzulanger Zeit "Wir haben Platz " skandierten? Die können ihre Behauptung jetzt beweisen und ihre Plätze zur Verfügung stellen. Humane Hilfe für Flüchtlinge ist mit viel Verantwortung und echten Integrationhifen und -anforderungen verbunden. Wer das nicht leisten kann, handelt völlig verantwortungslos. Dumme Sprüche helfen da nicht. Ob in Kita, Schule oder am Arbeits- und Ausbildungsmarktmarkt sowie auf dem Wohnungsmarkt müssen erst ausreichend Kapazitäten da sein. Sonst werden diese Menschen sich selbst überlassen mit den Folgen, die wir (nicht die Verantwortlichen) schon längst zu spüren bekommen. Allerorten geraten wir durch eine verantwortungslose Migrationspolitik an natürliche Grenzen und die Verantwortlichen ducken sich weg.

  2. 11.

    Das die Flüchtlinge nach Deutschland wollen, das gilt nicht für die aus der Ukraine. für die Anderen gilt es allerdings, aber dieses Problem hat sich Deutschland selbst "eingebrockt", und muss es auch selbst lösen.
    Übrigens, beispielsweise Tschechien und Slowakei haben ihre Grenzkontrollen verstärkt, und viele Schlepper samt Flüchtlingen schon entdeckt, und alle wollten nach Deutschland oder vieleicht noch nach Österreich.

  3. 10.

    Mal mir Kalergi beschäftigen. Und zwar richtig... Nicht oberflächlich...

  4. 9.

    Warscheinlich richtig. Allerdings scheinen sich zumindest die Massen an Flüchlingen in Weißrußland an der Grenze zu Polen erstmal irgendwie in Luft aufgelöst zu haben und senken zumindest den Druck aus dieser Richtung.

  5. 8.

    So wie die Aufnahme von Flüchtlingen organisiert ist, kann das auch nix werden. Alle und keiner ist zuständig, jeder schiebt die Verantwortung dem Nächsten zu und die Flüchtlinge hängen zwischen allen Stühlen. Mein Verwandter musste vor Krieg und Tod fliehen und saß erstmal in der Erstaufnahmeeinrichtung tagelang rum und niemand fühlte sich für die Registrierung fähig. Das Angebot, er könne bei uns leben, wurde einfach abgelehnt, weil das nicht vorgesehen ist, außer bei Ehepartnern, Pech für den Ledigen. Der muss auf Kosten des Staates leben, obwohl es eine Alternative gab. Den Menschen wird das Verfahren nicht erklärt, Termine werden nicht vergeben, alle warten einfach aufeinander und am Ende passiert nix. Deutschland hat ein Organisationsproblem in vielen Bereichen, bei dem Asylverfahren besonders.

  6. 7.

    Bei der Bevölkerungsexplosion in den Herkunftsländern und den großzügigen Sozialleistungen in Deutschland gegenüber der RestEU wird der Strom niemals versiegen, es wird immer weiter gehen....

  7. 5.


    Nach vor nicht allzu langer Zeit haben sich etliche bundesdeutsche Kommunen (u.a. Potsdam) bitterlich darüber beschwert, dass ihnen der Bund nicht gestattet hat, gerettete Flüchtlinge, die über das Mittelmeer kamen, aufzunehmen.
    Verstehensfrage: Genießt eigentlich die Aufnahme von Flüchtlingen absolute Priorität oder spielt in Krisenzeiten auch die stark belastete einheimische Infrastruktur (Finanzen, Unterbringung, personelle und materielle Mittel) eine Rolle bei den Entscheidungsträgern??

  8. 4.

    Es gibt ein neues Programm der Bundesregierung: 1000 Menschen monatlich sollen bis 2025 aufgenommen werden. Ich glaube nicht, dass das zu schaffen ist.

  9. 3.

    Aufnahmestopp? Lange überfällig in Cottbus! Wir wohnen in Richtung Grenze nach Polen, nachts rennen die Flüchtlinge durch die Wälder und die Armee sucht mit Hubschraubern. Flüchtlinge nur noch in Sammelunterkünfte und Wertmarken für Nahrungsmittel, dann sollte sich die Lage drastisch entspannen!

  10. 2.

    Das gerechteste Verfahren wäre eine gleichmäßige Verteilung innerhalb der EU. Solange aber die einzelnen Länder unterschiedliche Unterstützung bieten und Deutschland die besten Bedingungen hat, klappt das nicht!

  11. 1.

    Wie viele Hilferufe bzw. Warnungen zu Kosten und Wohnraum benötigen unsere Politiker noch, um die Grenzen zu schließen?

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