Flüchtlingsgipfel in Brandenburg - Kommunen fordern Unterstützung bei Unterbringung und Integration Geflüchteter

Di 11.10.22 | 14:05 Uhr | Von Amelie Ernst
Archivbild: Flüchtlinge steigen aus dem zweiten Sonderzug, der heute in Cottbus ankommt und werden von Helfern im Empfang genommen. (Quelle: dpa/F. Hammerschmidt)
Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 10.11.2022 | C. Hölscher/T. Jaeger/A. Hewel | Bild: dpa/F. Hammerschmidt

Im Herbst und Winter erwarten Brandenburger Städte und Gemeinden wieder mehr Geflüchtete. Doch gerade berlinnahe Kommunen und kreisfreie Städte sehen schon jetzt Kapazitätsgrenzen erreicht. Von Amelie Ernst

Stopp – wir sind am Limit: Wenn es um die weitere Aufnahme von Geflüchteten geht, kommt dieses Signal unter anderem aus Cottbus. Etwa 11.000 Menschen aus anderen Ländern leben inzwischen in der Stadt – arbeiten als Pflegekräfte, Studierende oder Ärzte am Klinikum. Aber 2.600 von ihnen würden auch in den sozialen Sicherungssystemen betreut, so der bisherige Oberbürgermeister Holger Kelch (CDU). Und sie belasteten damit die Strukturen.

Man habe in der Vergangenheit viel getan, aber nun seien die Kapazitäten erschöpft. "Bei uns geht es nicht um Wohnunterkünfte, sondern um ärztliche Versorgung, Schulplätze, Kitaplätze. Das ist bei uns alles Oberkante – Unterlippe."

Die Integration steht im Mittelpunkt

Volle Schulklassen, volle Arztpraxen und vollbeschäftigte Ämter – ganz so belastet ist man etwas weiter nördlich, in der Kleinstadt Luckau, noch nicht. Doch auch hier werde es in den Schulen und Kitas langsam eng, sagt Luckaus Bürgermeister Gerald Lehmann (parteilos). Zu den etwa 10.000 Luckauerinnen und Luckauern sind inzwischen etwa 660 Menschen aus anderen Ländern hinzugekommen – allerdings nicht nur Geflüchtete.

Vor allem sprachliche Barrieren müssten abgebaut werden, so Lehmann, damit die Geflüchteten auch den Alltag meistern könnten. Für Ukrainerinnen habe man gerade einen Sprachkurs organisiert – mit Hilfe von Ehrenamtlichen aus einer Kirchengemeinde. Denn an ausgebildeten Lehrkräften fehlt es auch in Luckau – nicht zuletzt an den Schulen. Lange hatte man sich hier darauf eingestellt, dass die Stadt langfristig schrumpfen wird. Doch der Trend geht wider Erwarten in die andere Richtung – nicht nur wegen der Geflüchteten. Nun muss die Stadt umsteuern, Schulen bauen statt sie zu schließen. Geld wird ebenso gebraucht wie Handwerker:innen, die die Bauprojekte dann umsetzen, heißt es im Rathaus.

Bei uns geht es nicht um Wohnunterkünfte, sondern um ärztliche Versorgung, Schulplätze, Kitaplätze. Das ist bei uns alles Oberkante – Unterlippe

Holger Kelch, Oberbürgermeister von Cottbus

Auch hier ist den Verantwortlichen klar: Zugezogene wie Geflüchtete könnten eine große Chance sein, speziell beim Thema Fachkräftemangel. Denn in Luckau fehlen diese längst ebenso wie anderswo. Doch nur wenn die Integration gelingt, klappt es auch mit einer Arbeit – deshalb steht die Integration für viele Bürgermeister:innen und Landrät:innen im Mittelpunkt.

Mit immer neuen Gemeinschaftsunterkünften sei es eben nicht getan, meint Stefan Wichary, der Sozialdezernent im Kreis Dahme-Spreewald. Denn in dem Punkt sei man derzeit trotz der steigenden Zahlen gut aufgestellt: "Bei uns droht noch kein Aufnahmestopp. Seit Beginn des Jahres hat das Land unser Aufnahmesoll mehrmals erhöht, wir haben jetzt achtmal so viele Kapazitäten wie zu Jahresbeginn." Für die Geflüchteten aus der Ukraine habe man in Dahme-Spreewald sieben zusätzliche Gemeinschaftsunterkünfte hergerichtet.

Land soll Investitionspauschale erhöhen

Die, die hierbleiben wollen und können gut integrieren – das sei entscheidend, findet auch Siegurd Heinze (parteilos), Landrat im Kreis Oberspreewald-Lausitz und Vorsitzender des Brandenburger Landkreistages. Dafür bräuchten die Kreise und Kommunen finanzielle Hilfen, aber eben auch Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher, die derzeit kaum zu finden seien. "Wir haben dann höhere Betreuungskosten, wir brauchen auch Wachschutz. Aber insbesondere eben Geld für das Herrichten von Wohnungen, die wir derzeit in diesem Umfang nicht haben."

Außerdem müsse das Land die Investitionspauschale erhöhen, so Heinze. Die bisherigen 2.300 Euro pro Platz würden die steigenden Energie- und Personalkosten nicht annähernd decken. Der Kreis Oberspreewald-Lausitz hat inzwischen rund 1.300 ukrainische Kriegsflüchtlinge aufgenommen; außerdem leben hier unter anderem knapp 550 Menschen aus Syrien und rund 300 aus Afghanistan.

Die Botschaft aus Brandenburg Richtung Flüchtlingsgipfel: Grundsätzlich wäre in einigen Regionen durchaus noch Platz für Geflüchtete. Doch wenn nicht parallel auch für die Integration gesorgt wird, dann ist die Bereitschaft, weiter Menschen aufzunehmen, begrenzt.

Sendung: rbb24 Inforadio, 11.10.2022, 12:25 Uhr

Beitrag von Amelie Ernst

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