Zukunftsforscher über Tourismus in Brandenburg -
Das Lausitzer Seenland gehört zu den größten Tourismusregionen in Brandenburg. Fast 700.000 Übernachtungen konnte es im vergangenen Jahr verzeichnen - doch es sollen deutlich mehr werden. Beim Tourismustag des Seenlandes am Donnerstag, dem größten Branchentreffen in der Region, soll es unter anderem um die Frage gehen, wie das gelingen kann. Der Zweckverband Lausitzer Seenland hat sich dafür Zukunftsforscher Andreas Reiter aus Wien für einen Vortrag eingeladen.
Im Interview mit dem rbb spricht er über die Chancen des Seenlandes, wie es sich weiterentwickeln kann und wie sich Urlaub generell in Deutschland entwickeln wird.
rbb|24: Herr Reiter, welche Anregungen bringen Sie den Lausitzer Touristikern denn mit?
Andreas Reiter: Die Lausitzer Seenlandschaft ist eine wunderbare Freizeitlandschaft. Die Frage ist, wo kann sich das in Zukunft hin entwickeln, was sind die zentralen Sehnsüchte der Menschen? Ich gehe davon aus, dass wir uns nach der Pandemie noch viel stärker mit dem Thema Natur beschäftigen. Ich nenn es mal auf neudeutsch "Nature Pleasure". Es geht um die Natur, die nicht nur als Sportgerät funktioniert, wo wir also Outdoor- oder Adrenalinsportarten betreiben. Sondern wo es, aufgrund der allgemeinen Befindlichkeit, der Krisensituation, in der wir uns geopolitisch, Stichwort Ukraine, bewegen, auch darum geht, wieder sehr basale Naturerlebnisse, Stichwort Sternenwanderungen und ähnliches, zu genießen - auch gekoppelt mit naturnahen Beherbergungskonzepten. Die können sehr einfach sein, aber auch sehr luxuriös.
Das Lausitzer Seenland konkurriert dabei mit zahlreichen anderen Urlaubsregionen. Wie könnte es sich abheben, welche Alleinstellungsmerkmale könnte es entwickeln?
Jede Urlaubsregion konkurriert mit anderen, deshalb geht es immer darum, welche DNA, welche Identität macht diese Region aus. Beim Lausitzer Seenland ist das Thema Brüche, Wandel, Transformation von der ehemaligen Industrie- zu einer Freizeitregion das bestimmende Thema, also wie können wir diese Geschichte, diese Kultur so erzählen, dass sie spannend ist? Da geht es um Authentizität, da geht es ganz stark auch um Vermischung von authentischen Geschichten mit neuen, smarten Erzählformaten. Als Beispiel nenne ich Augmented Reality oder auch Virtual Reality-Brillen, mit denen man historische Orte besuchen kann. Aber es geht darum, diese Brüche sichtbar zu machen und das Thema auch in Zukunft stärker zu bespielen.
In den vergangenen zwei Jahren ist, durch die Corona-Pandemie, das Reisen innerhalb Deutschlands sehr populär gewesen. Nach der Pandemie kehrt aber das Fernweh zurück, droht dem Seenland nun links liegen gelassen zu werden? Und wenn ja, wie können die Akteure das verhindern?
Diesen Switch gibt es schon jetzt. In diesem Sommer sehen wir, dass die Menschen deutlich stärker als in den letzten zwei Jahren auch wieder in die Ferne reisen. Wobei Fernurlaub beispielsweise in Asien oder in den USA immer noch ein Ziel ist, was für relativ Wenige im Moment greifbar ist. Aber im europäischen Kontext wird gereist und das ist ja keine Einbahnstraße. Auch eine Destination wie das Lausitzer Seenland kann ja durchaus auch Gäste von weiter her holen und nicht nur ein Naherholungsgebiet sein. Im Übrigen sind auch diese Kurzurlaube etwas, das die Menschen immer noch, und das wird auch so bleiben, auf dem Zettel haben.
Was glauben Sie denn, wie sich Urlaub generell entwickeln wird. Wie werden wir in 20 Jahren Urlaub machen?
Weil wir immer weiter virtualisiert werden, weil unser Alltag immer digitaler wird, werden wir umso stärker diese Sehnsüchte nach greifbaren, nach physischen Orten haben, und die werden sehr kleinteilig organisiert sein. So, wie wir jetzt schon sehen, dass Beherbergungsformate, die das Kleinteilige in den Vordergrund rücken, stärker nachgefragt werden als austauschbare, uniforme Hotelkonzepte. So wird es auch in Zukunft sein. Dieses kleinteilige Erlebnis, bei dem ich mit den Menschen unmittelbar in Kontakt komme, das Lokalkolorit, das wird umso stärker in Zukunft nachgefragt.
Vielen Dank für das Gespräch!
Sendung: Antenne Brandenburg, 19.05.2022, 14:12 Uhr