Zukunftsforscher über Tourismus in Brandenburg - "Wir werden uns nach der Pandemie noch viel stärker mit der Natur beschäftigen"

Do 19.05.22 | 12:22 Uhr
  3
Der Hafen im Senftenberger See (Bild: dpa)
Der Hafen im Senftenberger See | Bild: ZB

Das Lausitzer Seenland gehört zu den größten Tourismusregionen in Brandenburg. Fast 700.000 Übernachtungen konnte es im vergangenen Jahr verzeichnen - doch es sollen deutlich mehr werden. Beim Tourismustag des Seenlandes am Donnerstag, dem größten Branchentreffen in der Region, soll es unter anderem um die Frage gehen, wie das gelingen kann. Der Zweckverband Lausitzer Seenland hat sich dafür Zukunftsforscher Andreas Reiter aus Wien für einen Vortrag eingeladen.

Im Interview mit dem rbb spricht er über die Chancen des Seenlandes, wie es sich weiterentwickeln kann und wie sich Urlaub generell in Deutschland entwickeln wird.

rbb|24: Herr Reiter, welche Anregungen bringen Sie den Lausitzer Touristikern denn mit?

Andreas Reiter: Die Lausitzer Seenlandschaft ist eine wunderbare Freizeitlandschaft. Die Frage ist, wo kann sich das in Zukunft hin entwickeln, was sind die zentralen Sehnsüchte der Menschen? Ich gehe davon aus, dass wir uns nach der Pandemie noch viel stärker mit dem Thema Natur beschäftigen. Ich nenn es mal auf neudeutsch "Nature Pleasure". Es geht um die Natur, die nicht nur als Sportgerät funktioniert, wo wir also Outdoor- oder Adrenalinsportarten betreiben. Sondern wo es, aufgrund der allgemeinen Befindlichkeit, der Krisensituation, in der wir uns geopolitisch, Stichwort Ukraine, bewegen, auch darum geht, wieder sehr basale Naturerlebnisse, Stichwort Sternenwanderungen und ähnliches, zu genießen - auch gekoppelt mit naturnahen Beherbergungskonzepten. Die können sehr einfach sein, aber auch sehr luxuriös.

Das Lausitzer Seenland konkurriert dabei mit zahlreichen anderen Urlaubsregionen. Wie könnte es sich abheben, welche Alleinstellungsmerkmale könnte es entwickeln?

Jede Urlaubsregion konkurriert mit anderen, deshalb geht es immer darum, welche DNA, welche Identität macht diese Region aus. Beim Lausitzer Seenland ist das Thema Brüche, Wandel, Transformation von der ehemaligen Industrie- zu einer Freizeitregion das bestimmende Thema, also wie können wir diese Geschichte, diese Kultur so erzählen, dass sie spannend ist? Da geht es um Authentizität, da geht es ganz stark auch um Vermischung von authentischen Geschichten mit neuen, smarten Erzählformaten. Als Beispiel nenne ich Augmented Reality oder auch Virtual Reality-Brillen, mit denen man historische Orte besuchen kann. Aber es geht darum, diese Brüche sichtbar zu machen und das Thema auch in Zukunft stärker zu bespielen.

In den vergangenen zwei Jahren ist, durch die Corona-Pandemie, das Reisen innerhalb Deutschlands sehr populär gewesen. Nach der Pandemie kehrt aber das Fernweh zurück, droht dem Seenland nun links liegen gelassen zu werden? Und wenn ja, wie können die Akteure das verhindern?

Diesen Switch gibt es schon jetzt. In diesem Sommer sehen wir, dass die Menschen deutlich stärker als in den letzten zwei Jahren auch wieder in die Ferne reisen. Wobei Fernurlaub beispielsweise in Asien oder in den USA immer noch ein Ziel ist, was für relativ Wenige im Moment greifbar ist. Aber im europäischen Kontext wird gereist und das ist ja keine Einbahnstraße. Auch eine Destination wie das Lausitzer Seenland kann ja durchaus auch Gäste von weiter her holen und nicht nur ein Naherholungsgebiet sein. Im Übrigen sind auch diese Kurzurlaube etwas, das die Menschen immer noch, und das wird auch so bleiben, auf dem Zettel haben.

Was glauben Sie denn, wie sich Urlaub generell entwickeln wird. Wie werden wir in 20 Jahren Urlaub machen?

Weil wir immer weiter virtualisiert werden, weil unser Alltag immer digitaler wird, werden wir umso stärker diese Sehnsüchte nach greifbaren, nach physischen Orten haben, und die werden sehr kleinteilig organisiert sein. So, wie wir jetzt schon sehen, dass Beherbergungsformate, die das Kleinteilige in den Vordergrund rücken, stärker nachgefragt werden als austauschbare, uniforme Hotelkonzepte. So wird es auch in Zukunft sein. Dieses kleinteilige Erlebnis, bei dem ich mit den Menschen unmittelbar in Kontakt komme, das Lokalkolorit, das wird umso stärker in Zukunft nachgefragt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Sendung: Antenne Brandenburg, 19.05.2022, 14:12 Uhr

3 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 3.

    Ob das Statement von Herrn Reiter, wirklich überzeugend war, bleibt dahin gestellt. Ich fand es bei zwar richtigen Ansätzen eher polarisierend. Wenn jemand "etwas entdecken möchte", muss er in der Lausitz/Seenland ein guter Fahrradfahrer oder mit dem Auto unterwegs sein. Die Verkehrsverbindungen sind nicht nur in der Lausitz begrenzende Faktoren! Und man muss sich selbst vorher top ! informieren. Um die Perlen zu finden, die es selbstredend auch hier gibt. Pferdeland, segeln, irgendweche (Tret-)Roller-Aktivitäten, das "zieht" nicht wirklich. Warum sollte man die größte & vielleicht auch schönste Werkssiedlung auf ostdeutschem Boden, die "Gartenstadt Marga"- besuchen? Wieso ist Lauchhamer, auch wenn es "nur der Verbund von Orten und Straßen" ist, ebenfalls ein Ziel? Warum gibt es keine Erinnerung an die erste Spiegelglas-Produktion v. 1703, deren 'Glas' es in die sächsischen Palais schaffte? Und wenn es dann beim Bäcker heißt: Draußen? Nee, heute nich! -O-ha! Das ist Bbg! Hm!

  2. 2.

    Wenn der Punkt 'nach der Pandemie' schon thematisiert wird,wann ist der Zeitpunkt denn erreicht? Wird die offiziell beendet oder läuft sie langsam aus?

    Mal ein paar aktuelle Zahlen:
    https://data.lageso.de/lageso/corona/corona.html#fallzahlen

    Einfach mal die Zahlen der 5. Welle betrachten und selber beurteilen.

  3. 1.

    Wenn man verstanden werden will, muss man verständliche Begriffe wählen, sonst ist es eine Selbstdarstellung. Und "Nature Pleasure" ist von den Menschen während der Pandemie notgedrungen selbst entdeckt worden. Lange bevor Zukunftsforscher das bemerkt haben und nun so tun als ob... Aber wenn die Beobachtungen dazu führen, uns einen Nutzen zu vermitteln, dann gerne... aber nur dann.

Nächster Artikel