Inszenierung im Waggon - Kriegsheimkehr im Eisenbahntheater

Mi 19.08.20 | 16:21 Uhr
Eisenbahntheater am Bahnof
Audio: Antenne Brandenburg | Eva Kirchner-Rätsch | 19.08.2020 | Bild: rbb Fernsehen

Rauschende Güterzüge, ein Gewirr aus Pendlern, die über die Bahnsteige hetzen und Ansagen über einfahrende Züge und Verspätungen. So kennen die Meisten den Bahnhof in Fürstenwalde (Oder-Spree). Tausende steigen hier täglich auf der Strecke zwischen Berlin und Frankfurt (Oder) ein oder aus. Mitten in diesem Bahnhofsalltag macht nun ein Theater-Ensemble Halt.

Auf dem Güterbahnhof, nur einen Steinwurf vom Bahnsteig der Regionalbahnlinie 1 entfernt, hat das Ensemble "Das letzte Kleinod" seine Zelte aufgeschlagen, beziehungsweise seinen Zug aufgestellt. Seit fast 30 Jahren dient dem Theaterprojekt aus Bremerhaven ein ausgedienter Eisenbahnwaggon als Bühne. So werden Bahnhöfe zwischen Nordsee und dem Thüringer Wald zum Open Air-Theater. Zum ersten Mal ist das Ensemble nun in Fürstenwalde zu Gast.

Im Rahmen des Kulturland-Themenjahres "Krieg und Frieden" setzt sich das Theaterprojekt in der Inszenierung "Komme bald!" mit der Rückkehr von jungen deutschen Kriegsgefangenen aus sowjetischen Lagern auseinander. In und vor dem Güterwagon aufgeführt, schlägt das Ensemble zudem ein Feld-Lazarett auf und will an die harten Lebensbedingungen der Kriegsgefangenen erinnern, die oft jahrelang unter anderem wegen Mangelernährung um ihr Leben kämpfen mussten.

Publikum beim Eisenbahntheater
Antenne Brandenburg | Eva Kirchner-Rätsch | 19.08.2020 | Bild: rbb Fernsehen | Bild: rbb

Laut Regisseur Jens-Erwin Siemssen werde mit der Inszenierung ein sensibles Thema berührt. Denn das Stück stelle die Frage nach der persönlichen Schuld. "Die Menschen sind quasi blind in den Krieg gestolpert und auch in der Schule immer wieder damit konfrontiert worden", so der Theatermacher. Es habe für die jungen Menschen kaum eine Alternative gegeben. Inwiefern man ihnen eine Mitschuld anlasten kann, diese Frage wirft das Stück auf.

Für das Bühnenwerk wurden sechs Zeitzeugen interviewt. Unter ihnen auch der heute 92-jährige Günter Welkisch aus Wellmitz bei Neuzelle. Vier Schauspielerinnen gelingt es - trotz Geschlechterwechsel und sparsamem Einsatz von Requisiten - den Zuschauer einzufangen, ihn mitzunehmen in diese schweren Jahre, geprägt von Hunger, harter Arbeit, Schikanen und verheerenden Hygienebedingungen.

Zeitzeuge beim Eisenbahntheater
Antenne Brandenburg | Eva Kirchner-Rätsch | 19.08.2020 | Bild: rbb Fernsehen | Bild: rbb

Eine besondere Rolle spielt dabei auch der Bahnhof von Fürstenwalde. Er ist ein Originalschauplatz. Bis heute wirkt der Güterbahnhof so, als hätte sich in den letzten 75 Jahren nichts verändert. Das Pflaster, die Laternen alles so, wie es 1945 gewesen sein könnte. Ein Ort, der es Schauspielerin Margarita Wiesner offenbar leicht macht, in ihre Rolle schlüpfen: "Für einen Schauspieler ist das toll. Man braucht gar nicht viel dazuzutun."

Seine Premiere feierte das Stück "Komme Bald" in der vergangenen Woche in Frankfurt (Oder). Aufgrund der Pandemiebestimmungen ist die Anzahl der Plätze beschränkt. Von Mittwoch, dem 19. August an macht das Eisenbahntheater nun drei Tage lang in Fürstenwalde Station. In der kommenden Woche ist die Insezenierung in Wustermark im Havelland zu sehen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 19.08.2020, 14:30 Uhr

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