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Quelle: dpa/Patrick Pleul

Interview | Gewässerökologe Martin Pusch

"Mittelfristig wäre Meerwasserentsalzung eine Lösung für Brandenburg"

Flüsse trocknen aus. Gleichzeitig steigt die Hochwassergefahr. Wie hängt das zusammen? Wie können wir uns vorbereiten? Dazu ein Interview mit Gewässerökologe Martin Pusch. Er prognostiziert katastrophale Folgen, weiß aber auch Lösungen.

rbb|24: Derzeit fällt kaum Regen in Berlin und Brandenburg. Was macht das mit den Flüssen der Region?

Martin Pusch: Für die Fließgewässer in Berlin und Brandenburg ist die Serie trockener Sommer eine Katastrophe. Weil es generell wenig regnet und außerdem der sandige Boden viel Regen aufnimmt, gibt es hier sowieso schon wenig Bäche und Flüsse. Die kleineren Fließgewässer sind derzeit schon größtenteils trocken gefallen. Die größeren hören auf zu fließen. Aktuell fließt etwa durch die Spree unterhalb des Spreewalds nur noch ein Kubikmeter Wasser pro Sekunde.

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Was macht das mit den Ökosystemen?

Fließgewässer werden von Tieren und Pflanzen besiedelt, die nicht überleben können, wenn das Gewässer zu einem Standgewässer wird. Das betrifft etwa Muscheln. Sie sterben, weil der Sauerstoff am Boden des Flusses schnell aufgebraucht ist, wenn das Wasser nicht mehr fließt. Die Muscheln haben wiederum eine wichtige Funktion im Ökosystem. Sie filtrieren nämlich sehr effektiv Algen aus dem Flußwasser. So wird die Selbstreinigungsfunktion des Flusses stark beeinträchtigt.

Welche Folgen hat das für die Trinkwasserversorgung von Menschen?

Trinkwasser wird in Deutschland oft aus Flussauen gewonnen, weil dort viel und gutes Grundwasser gespeichert ist. Dort sinkt aber nun das Grundwasser. In Berlin ist es so, dass die Spree in Köpenick sogar rückwärts fließt. Das bedroht das Trinkwasserreservoir des Müggelsees. Solche Effekte werden noch verstärkt, wenn Flüsse künstlich begradigt oder tiefer ausgebaggert werden.

Zur Person

Wie funktioniert dieser Effekt?

Wenn Flüsse begradigt werden, fließen sie schneller und graben sich so selbst ein tieferes Bett. In Mitteleuropa sind fast alle Flüsse so eingegraben. Zusätzlich wurden Fließgewässer oft künstlich ausgebaggert: Viele Bäche wurden zu Entwässerungsgräben, die landwirtschaftliche Flächen vor Überflutung schützen sollen, und größere Flüsse wurden so schiffbar gemacht. Aber jede Vertiefung führt dazu, dass der Flusswasserspiegel in Trockenperioden stark sinkt. Weil dieser Flusswasserspiegel mit dem Grundwasserspiegel in der Talaue korrespondiert, verringert sich auch die dort verfügbare Grundwassermenge.

In Brandenburg betrifft das etwa die Spree. Sie wurde bis vor 100 Jahren als Wasserstraße für den Güterverkehr genutzt. Man hat sie aber danach nicht renaturiert. Dadurch kann der Wasserspiegel stark absinken und damit auch der Wasserspiegel der Auen.

Falls in Zukunft nicht mehr genug Wasser durch die Spree fließt, könnte Berlin dann durch Fernleitungen mit Trinkwasser versorgt werden?

Bis vor Kurzem hatten Talsperren im Thüringer Wald noch freie Kapazitäten. Aber jetzt will man die als Reserve für die regionale Versorgung behalten. Auch aus der Oder kann man nicht direkt Wasser entnehmen, weil Polen sie für die Schifffahrt nutzen will. Man könnte höchstens in einiger Entfernung in den Oderauen eine Trinkwasserfassung für Berlin bauen. Aber das Oderwasser ist schon lange belastet. Auch die derzeitige Vergiftung zeigt das erhebliche Verschmutzungsrisiko.

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Geringe Wasserüberschüsse gibt es immerhin in einigen dünn besiedelten Gebieten Brandenburgs. Allerdings muss man hier beachten, dass vielerorts jetzt schon Seen austrocknen. Da kann man natürlich nicht zusätzlich Grundwasser abpumpen.

Als letztes gibt’s die Möglichkeit, an der Ostsee Meerwasser zu entsalzen und nach Berlin und Brandenburg zu pumpen. Das ist material- und energieintensiv. Daher ist das nur verantwortbar, wenn man mit erneuerbaren Energien arbeitet. In der derzeitigen Energiekrise wird ja jede Kilowattstunde für den aktuellen Bedarf gebraucht. Daher ist die Meerwasserentsalzung eher eine mittelfristige Lösung.

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Wie beeinflussen die Tagebaue in der Lausitz den Wasserhaushalt?

Die DDR hat voll auf die Braunkohleressourcen dort gesetzt. Die Kohle liegt dort etwa in 100 Meter Tiefe. Um da ranzukommen, hat man also das Grundwasser bis zu 100 tief aus dem Boden in die Spree gepumpt. Die Spree hatte also zu DDR-Zeiten einen künstlich erhöhten Wasserablauf.

Aber das ging auf Kosten der Zukunft: Mit der Energiewende wird nun der Kohleabbau zurückgefahren und die bis zu 100 Meter tiefen Tagebaue geflutet. Wenn man die Gruben natürlich volllaufen lässt, ist das Wasser oft sehr sauer. Daher hat man in den letzten Jahrzehnten viel Spreewasser abgezweigt, um die Gruben damit zu fluten. So ist die Lausitzer Seenplatte entstanden. Gottseidank sind inzwischen fast alle ehemaligen Tagebaue geflutet, sodass man nicht mehr so viel Wasser aus der Spree entnehmen muss.

Aber diese Seenplatte hat jetzt eine weitere Wirkung auf die Hydrogeologie des Spree-Einflussgebiets. Auf Wasseroberflächen verdunstet nämlich viel mehr Wasser als auf Landoberflächen.

Durch den Klimawandel entstehen nicht nur Dürren mit niedrigen Wasserständen, sondern auch Hochwasser. Wie kommt das?

Generell sind Hochwasser natürliche Phänomene. Flussökosysteme brauchen sie sogar, denn sie verjüngen die Auen. Durch den Klimawandel wächst aber flächendeckend von Spanien bis Rumänien die Differenz zwischen den Pegelständen bei Niedrig- und Hochwasser. Das liegt daran, dass wärmere Luft mehr Wasser aufnehmen kann. Dadurch entstehen zum einen längere Trockenperioden und zum anderen stärkere Regenfälle. Außerdem kann ein vorher ausgetrockneter Boden weniger Wasser aufnehmen, sodass mehr Regen in Flüsse abfließt, die dann über die Ufer treten. Wir sollten uns deshalb auf stärkere Dürren aber auch stärkere Hochwasser einstellen.

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Wie kann man das machen?

Man sollte Deiche nicht direkt an den Fluss bauen, sondern Platz für die Auen lassen. Auch Wohn- und Industriegebiete sollte man nicht in die Auen bauen. So kann der Fluss sich bei Hochwasser ausbreiten. Dadurch wird ein Teil der Hochwasserwelle zurückgehalten, die dadurch weniger hoch wird und sich langsamer fortbewegt. Punktuell wurde das auch schon gemacht: Etwa im brandenburgischen Lenzen nach dem Elbe-Hochwasser vor 20 Jahren.

An vielen anderen Stellen wurden die Deiche nach dieser Katastrophe allerdings direkt am Fluss belassen und für viel Geld höher gebaut. Da geht’s auch um Interessenkonflikte: Die Landwirtschaft hat eine starke Lobby und will, dass ihre Äcker vor Hochwasser geschützt werden.

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Wie kann man sonst vorsorgen?

Wir müssen uns anpassen und Techniken übernehmen, die in wasserärmeren Ländern entwickelt wurden. In Israel gibt es in der Landwirtschaft zum Beispiel Tröpfchenbewässerung mit Abwasser, das gewissen Qualitätsstandards genügen muss.

Außerdem müssen alle Wassernutzungen auf den Prüfstand: In der Industrie ist zum Beispiel mehr Kreislaufwirtschaft möglich. Das kostet allerdings. Aber auch der Einzelne muss einen Beitrag leisten. Rasensprengen unter der MIttagssonne werden wir uns in Zukunft nicht mehr leisten können.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Pusch.

Das Gespräch führte Philip Barnstorf, rbb|24.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 16.08.2022, 19:30 Uhr.

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