Wegen Sorge um Steuer-Nachteile - Bürokratie verhindert Solar-Anlagen auf kommunalen Gebäuden in Golzow

Di 25.10.22 | 12:12 Uhr | Von Fred Pilarski
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Dach von Wohnblock in Seelow ohne PV-Anlage
Audio: Antenne Brandenburg | 26.10.2022 | Fred Pilarski | Bild: rbb

Die kommunalen Dächer in Golzow bieten Tausende Quadratmeter für Photovoltaik-Anlagen. Doch statt auf Solar-Module scheint die Sonne nur auf blanke Ziegel. Bei wirtschaftlicher Nutzung drohen Nachteile in der Gewerbesteuer - bis jetzt. Von Fred Pilarski

Während sich immer mehr Äcker zu Solar-Feldern wandeln, tut sich auf anderen, auch gut geeigneten Flächen in Brandenburg bislang noch wenig. Auf Schuldächern und kommunalen Mehrfamilienhäusern beispielsweise wird nur wenig Strom erzeugt. Der Grund sind oft absurde bürokratische Hemmnisse. So auch in Golzow in Märkisch-Oderland.

Kinder von Golzow trotz guter Flächen ohne ohne PV-Module

Auf der durch die Dokumentar-Reihe "Die Kinder von Golzow" bekannten Schule glänzt ein rotes Ziegel-Dach in der Sonne. Erst vor wenigen Jahren ist das alte Wellasbest-Dach neu gedeckt worden. Finanziert durch Fördermittel des Landes. Die Fläche hat eine Größe von mehr als 1.000 Quadratmeter. Die längste Gebäudeseite zeigt in Richtung Süd-Osten – nahezu perfekt geeignet für eine Photovoltaik-Fläche.

Keine Photovoltaik Solaranlage auf Dach der Schule von GolzowDach der Schule in Golzow ohne PV-Anlage

Der Golzower Bürgermeister Frank Schütz (CDU) hätte das Schul-Dach gerne an einen Solaranlagen-Betreiber verpachtet, um etwas für die Gemeindekasse, den Klimaschutz und gegen die hohen Stromkosten zu tun. Doch eine wirtschaftliche Nutzung, wie eben eine Verpachtung, stünde der öffentlichen Förderung entgegen.

Die Gemeinde müsste 215.000 Euro an Landesmitteln zurückzahlen, die sie für die Dach-Sanierung erhalten hatte. "Als kleine Gemeinde können wir uns aber keine eigene Anlage leisten", sagt Schütz. "Damit stehen wir jetzt an dem Punkt: wir haben eine wunderschöne, große Fläche in guter Lage und dürfen sie nicht für eine PV-Anlage nutzen."

Kein Solar wegen Steuer-Nachteilen

Eine ähnliche Anfrage hatte der Bürgermeister schon vor Jahren für die kommunalen Wohnhäuser in Golzow gestellt. Diese werden von der Seelower Wohnungsbau-Gesellschaft (Sewoba) verwaltet. Das Problem: die Stromerzeugung wäre aus steuerrechtlicher Sicht eine wirtschaftliche Nutzung des Gebäudes, die über Wohn-Zwecke hinausgeht.

Damit wäre für das Unternehmen die volle Gewerbesteuer fällig. Die Kosten wären somit höher als der Nutzen. Deshalb sind auch auf Häusern der Gesellschaft in Seelow selbst keine Module verbaut. Neue Gebäude entstehen derzeit ebenfalls mit blanken Dächern. "Gerne wäre es ein Haus mit Solar-Dach geworden", sagt Sewoba-Geschäftsführer Hans Peter Thierfeld. "Aber das Gewerbesteuer-Gesetz hat sich erst vor kurzem geändert und somit stehen wir heute vor einem zukünftigen Neubau ohne Photovoltaik-Anlage."

Immerhin habe die Gesellschaft für die nächsten Jahre ein umfangreiches Modernisierungsprogramm auf den Weg gebracht. Günstiger Mieter-Strom über Solaranlagen soll dazu gehören.

Bürgermeister Schütz erfuhr erst durch die Recherchen des rbb, dass die Regelung im Gewerbesteuer-Gesetz im Jahr 2021 entschärft wurde. Niemand habe ihn nach seinen vergeblichen Anfragen an Landes- und Bundesministerien darauf hingewiesen, sagt er. "Wir haben jetzt die Information bekommen, dass es dort eine Veränderung gab und wir dort weiterarbeiten können. Und das werden wir jetzt tun." Nämlich einen Pächter zu suchen, der auf Golzows kommunalen Wohnhaus-Dächern Solaranlagen betreiben und damit günstigen Mieter-Strom bereitstellen will. Das Schuldach allerdings wird vorerst weiterhin Solarstrom-frei bleiben.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 22.10.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Fred Pilarski

19 Kommentare

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  1. 19.

    Das ist wohl wahr. Aber wir waren im ländlichen Raum, in Golzow. Sollte es sich um die fotografierten Wohnblöcke handeln, wäre es abzuschätzen (ähm, abzuwägen..),ob ein Blendeffekt eintritt und wie er sich auswirkt.
    Ansonsten sind wir im Regelwerk, und da entscheidet der konkrete Fall.
    Das ist nun einmal rechtshistorisch so gewachsen, sage ich mal.

  2. 18.

    Eine Beteiligung oder aber Fördermittel schränken das Entscheidungsrecht nicht ein. Zumal Fördermittel für den Antragsteller gedacht sind und nicht weitergereicht werden müssen.

    Zumal ist das Beantragen von Fördermitteln riskant, da man immer erst nachher erfährt, was man bekommt.

    Wenn Mieter eine PV auf dem Dach wollen, müssen sie auch die Kosten dafür tragen bzw den Strom vollständig abnehmen.

  3. 17.

    Das Beispiel zeigt erneut deutlich, wie ein Gesetz auf der einen Seite, Projekte auf der anderen Seite ausbremsen. Ob die 16 Jahre Merkel, besser, die der regionale Partei aus..., ach ich vergesse nochmal den namen, in zwölf Monaten korrigiert werden können, ist auch eine Sicht. Dass eine Kommune nicht mitbekommt, dass die Hemmnisse überwunden wurde, ist auch ein Zeichen. Alles auf die Bürokratie zu schieben, lenkt gut ab. Hier sei zu nennen, dass einige Angst haben, als Unternehmer zu gelten.
    Noch einmal zum Mitschreiben, wenn ich für ein Projekt eine Förderung, eine Beteiligung, erhalte, Schränke ich meine Entscheidungsfreiheit zu dem Projekt ein. Hier nachzuverhandeln sei ein Weg. Statt dessen... Die Bürokratie!?! Schade! Für die einfache Sicht der Dinge.

  4. 16.

    Wo ist eigentlich die Stimme eines Steuerberaters oder ähnlichen unabhängigen Experten (und nicht Politiker oder politisch beeinflusste Verwaltung), welche die rechtliche Lage so bestätigt?

    Und warum wurde der Städte- und Gemeindebund nicht gefragt, warum er seine Mitglieder über Rechtsänderungen nicht informiert?

    Warum wurde der CDU-Politiker nicht gefragt, wie er zukünftig vermeiden will, Gesetzesänderungen, die ihm vielleicht politisch auch gar nicht so recht passen, beim nächsten mal mitzubekommen? Gehört das nicht zu seinem Job?

  5. 15.

    Bleibt nur noch die Frage der Versorgungssicherheit wenn die Sonne nicht scheint.

    So einfach ist es auch nicht eine PV aufzustellen. So muss jede Blendung von Anwohnern ect generell vermieden werden

    Dazu kommt, dass für Dachfläche ect auch Miete anfällt, wenn der Aufsteller nicht der Eigentümer ist

  6. 14.

    DER Lackmustest für die Verringerung der Erderwärmung.... Nicht nur reden, sondern zahlen.

  7. 13.

    Die Bürokratie in D ist auf dem allerneuesten Stand. Es werden wöchentlich neue Verordnungen, Erlasse, Gesetze und Durchführungsanordnungen in die Welt gesetzt. Das bringt zwar nichts, aber alle haben zu tun.

  8. 12.

    Auf Solar zu verzichten wegen deutscher Bürokratie ist aber auch keine Lösung. Schon gar nicht jetzt, in Zeiten hoher Energiepreise. Wir brauchen viel mehr Photovoltaik, um die Abhängigkeit von teurer fossiler Energie zu reduzieren. Und von Abzockunternehmen und fragwürdigen Lieferanten aus dem Ausland wie Putin & Co. Wer eine eigene Solaranlage auf dem Dach hat, kann sich glücklich schätzen und selber Strom produzieren.

  9. 11.

    Wenn man eine PV aufs Dach baut, muss man jede Blendung anderer Personen vermeiden. Gerade bei enger Bebauung muss dieser Umstand genau geprüft werden, denn die aktuelle Rechtsprechung verbietet jegliche Störung durch Blendung

  10. 10.

    Ein beauftragtes Ingenieurbüro hat ca 1 Eur pro kWh für die Mieter errechnet

  11. 9.

    Baut man sich eine Solaranlage aufs Dach gilt man als selbstständiger Unternehmer wenn man Strom ins Stromnetz einspeist und die Steuer steht auch noch vor der Tür. Also ncht förderlich für den Klimaschutz.

  12. 8.

    Ja, die Bürokratie lauert überall, wollten das Lindner & Co nicht bereinigen? Haben Sie ihre getreuen Reams dies nicht angewiesen, durchzuarbeiten? Ich meine, was unter Angie, Scheuer & Co. 16 Jahre nicht angefasst wurde, kann man wohl kaum in 1-2 Jahren völlig überarbeiten. Aber man sollte wenigstens die vernünftigen Lösungen vorbereiten....
    Was Ihre Mieter betr., sind Sie ja echt nicht zu beneiden. Als Mieter würde ich mir derartiges eher wohl überlegen. Wenn es keine Probleme mit den Vorschriften gibt, dass muss man voraussetzen ... Aber wir hatten ja schon Fälle, das wurde von einer etwas sehr starren Denkmalschutzbehörde argumentiert, dass die Felderder Photovoltaikanlagen auf einem Flachdach dunkelfarbig einzufassen seien. Nun, ja, worin soll bei heller/alufarbiger Fassung ein Problem liegen.
    Entscheidender ist wohl für jedes Dach, ob die Statik der Dachkonstruktion den "Aufbau mitmacht".

  13. 7.

    Dann scheinst doch nicht so schlecht um die Energie zu stehen...

  14. 6.

    Für günstigen Mieterstrom und die kleine Klimaverbesserung muss es den Mietern wert sein.... Wenn man es gut erklärt.
    Wie rechnen denn die Mieter?

  15. 5.

    736 Abgeordnete könnten ohne überschäumende Bürokratie in Deutschland nicht existieren. Immerhin haben wir die USA und Russland überholt. Immer schön weiter mit klein, klein, das ist ganz großes Kino, was bei uns an Vorschriften existiert!

  16. 4.

    Alles mit Solar zuzupflastern ist auch keine Lösung.

    Meine Mieter wollten auch Solar für den Eigenverbrauch auf dem Dach, sind jedoch nicht bereit, dafür auch die Kosten zu tragen (Miete Dachfläche, Anschaffung PV, Wartung ect).

  17. 3.

    Im Artikel sind Begriffe von Herrn Schütz verwendet worden, die einer Aufklärung harren:
    „Günstiger Mieterstrom“, „für die Gemeindekasse, den Klimaschutz und gegen die hohen Stromkosten zu tun“
    Das muss vorgerechnet werden, damit andere sehen können wie ....

  18. 2.

    Es scheint wirklich überfällig zu sein die Bürokratie Deutschlands auf den Stand des 21. Jahrhunderts zu bringen.
    Das Land muß einfach schneller und flexibler werden.

  19. 1.

    Hoch lebe die Bürokratie, Deutschland will es einfach nicht lernen

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