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Quelle: dpa/Christoph Hardt

Schieflage bei der Betriebsrente

Wenn die betriebliche Altersvorsorge in Gefahr gerät

Immer mehr Rentenkassen bekommen von der Finanzaufsichtsbehörde die Erlaubnis, Leistungen zu kürzen. Die Einnahmen von drei Dutzend Pensionskassen reichen nicht, um einst garantierte Beiträge zu zahlen. Was heißt das für Verbraucher? Von Susanne Stein

Seit mehr als 30 Jahren ist Heike Gesch in der Pflege beschäftigt, mittlerweile als stellvertretende Pflegedienstleiterin in der Sozialstation Zehlendorf. Gesch weiß, dass ihre gesetzliche Rente später nicht üppig sein wird. Deshalb stockt sie mit einer betrieblichen Altersvorsorge auf. Doch sie fragt sich mittlerweile, ob diese Altersvorsorge später nicht einmal selbst zum Pflegefall wird.

Denn die Zahlen sind beängstigend: Aktuell stehen 36 Pensionskassen und 20 Lebensversicherungen unter sogenannter intensivierter Beobachtung der Finanzaufsichtsbehörde. Ihre Einnahmen reichen nicht mehr, um einst garantierte Beträge auszuzahlen. Bei sieben Pensionskassen hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zugestimmt, dass sie Leistungskürzungen vornehmen dürfen. Und: Immer mehr Lebensversicherer verabschieden sich vom Markt, verkaufen alte Verträge an Abwicklungsgesellschaften, weil sich für sie das Geschäft nicht mehr lohnt.

"Ich zahle ein - und das ist es weg oder reduziert"

"Es macht mich wütend, weil es mein Geld ist: Ich arbeite dafür hart, zahle ein und dann ist es mehr oder weniger weg oder reduziert, ja, das ärgert mich. Man zweifelt ganz viel", so Heike Gesch.

Laut Gesetz hat jeder Arbeitnehmer Anspruch auf eine betriebliche Altersvorsorge. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Beiträge können etwa vom Arbeitgeber allein oder auch von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam aufgebracht werden. Häufig ist die betriebliche Altersvorsorge eine sogenannte Entgeltumwandlung: Ein Teil des Brutto-Gehalts fließt direkt in die Altersvorsorge. So ist es auch bei Heike Gesch. Für sie bedeutet das, dass sie erst einmal weniger Gehalt hat, aber auch Steuern und Sozialabgaben spart. Seit 2019 muss der Arbeitgeber mindestens 15 Prozent dazu zahlen.

Arbeitgeber sollte mehr als das Minimum draufzahlen

Aber unter welchen Bedingungen lohnt es sich überhaupt noch, in eine betriebliche Altersvorsorge einzuzahlen, wenn die allgemeine Zinslage so schlecht ist? Hermann-Josef Tenhagen von "Finanztip" rät gegenüber Super.Markt, dem Verbrauchermagazin des rbb, die Betriebsvorsorge dann zu wählen, wenn der Arbeitgeber mehr Geld als das Minimum dazu gibt. "Wenn der Chef 25 bis 30 Prozent oben drauflegt, ist das eine garantierte Rendite fürs Alter." Da sich diese auch in den vergangenen Jahrzehnten nicht geändert hat, sagt Tenhagen: "Das sollte funktionieren."

Bei Heike Gesch sieht es konkret so aus: Sie zahlt direkt von ihrem Bruttogehalt 200 Euro in eine sogenannte Direktversicherung, der Arbeitgeber legt davon noch 20 Prozent oben drauf, also 40 Euro. Die zu erwartende Rente beträgt bei Vertragsabschluss 151,24 Euro monatlich oder 45.364 Euro einmalig. Hinzu kommt eine Summe aus der verzinsten Überschussbeteiligung. Trotzdem ist ihr Chef Hanfried Wiegel ebenso wie seine Mitarbeiterin beunruhigt, denn die Versicherungsverträge von der Arag wurden an eine andere Versicherung verkauft.

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Ab 1. Juli 2020

Rentner bekommen mehr Geld

Grobe Einschätzung für Verbraucher möglich

Um herauszufinden, ob diese Versicherung trotzdem noch eine gute Wahl ist und wie viel von der Versicherung nach Abzug aller Kosten übrig bleibt, braucht es eine fachliche Einschätzung. Eine grobe Einschätzung ist allerdings auch für Verbraucher selbst möglich. Hermann-Josef Tenhagen erklärt, dass man durch den Vergleich mit Anbietern von anderen Lebens- und Rentenversicherungen relativ schnell einen Eindruck bekommt: "Die Versicherungen haben alle solche Rechner auf der Seite. Dort kann ich sehen, ob das ein gutes Angebot ist."

Bleibt noch die Frage: Was ist mit den Pensionskassen? Immerhin haben da sieben Anbieter ihre Auszahlungen schon reduziert. Der Finanzexperte gibt hier erst einmal Entwarnung: "Garantiert ist erstmal garantiert", so Tenhagen. Um überhaupt kürzen zu können, brauchen die Pensionskassen die Erlaubnis der BaFin. Und: Auch der Arbeitgeber kann sich nicht so einfach aus der Verantwortung ziehen: "Mein Chef muss, wenn irgendetwas garantiert war, auch in die Bütt."

Jobwechsel sind großes Problem

Tenhagen weist aber auf andere Tücken hin: "Das wesentliche Problem ist nicht so sehr, dass das Geld sozusagen abhandenkommt. Sondern, dass die Leute immer häufiger ihren Job wechseln und ihre betriebliche Altersvorsorge mitnehmen - und gucken müssen, dass das funktioniert. Das ist das größere Problem zur Zeit."

Für Verbraucher heißt das, ihre Verträge immer im Auge behalten, auch wenn diese schon älter sind. Vergleichsportale helfen dabei, um zu sehen, ob es bessere Angebote gibt. Wichtig ist aber auch, nicht vorschnell zu kündigen - sondern die Möglichkeit der Beitragsfreistellung zu nutzen. Heike Gesch steht mit ihrer betrieblichen Altersvorsorge übrigens nicht so schlecht da: Das eingezahlte Geld ist ihr sicher und sie hat den Arbeitgeber nicht gewechselt.

Sendung: Super.Markt, 16.11.2020, 20:15 Uhr

Beitrag von Susanne Stein

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