Was kommt nach dem Neun-Euro-Ticket? - Berliner Politik fordert Klarheit über Zukunft von Verkehrsticket-Modell

Mo 01.08.22 | 06:24 Uhr | Von Wolf Siebert
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Symbolbild: Ein 9-Euro-Ticket ist vor dem Hintergrund einer einfahrenden S-Bahn zu sehen. (Quelle: dpa/M. Skolimowska)
Audio: rbb24 Inforadio | 01.08.2022 | Christoph Kober | Bild: dpa/M. Skolimowska

Zu teuer und unsolidarisch - so lautete das Urteil über das Neun-Euro-Ticket von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Schließlich sei so der Autofahrer im Nachteil. Von verschiedenen Seiten der Lokalpolitik bekommt Lindner Gegenwind. Von Wolf Siebert

Seit Juni fahren Millionen Deutsche günstig mit Regionalbussen und -bahnen durchs Land. Bis Ende August geht das noch. Bezahlt wird das Angebot vor allem vom Bund. Doch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat bereits klargemacht: Die Finanzierung dieses Tickets durch den Bund will zumindest sein Ressort nicht weiter tragen, denn es benachteilige jene Autofahrer, die das Ticket steuerlich mitfinanzieren, aber es nicht nutzen.

Die Debatte aber ist voll im Gang. Die Berliner Grüne Oda Hassepaß macht Druck auf die Bundesregierung, über den Nachfolger des Neun-Euro-Tickets müsse schnell entschieden werden: "Wir müssen etwas für die Verkehrswende tun und bald über ein Anschlussmodell für das Neun-Euro-Ticket entscheiden. Alles andere wäre ein massiver Rückschritt."

Hassepaß: Nachfolgemodell könnte 29-Euro-Ticket sein

Hassepaß hat mit ihrer Haltung die Berliner:innen und Brandenburger:innen offenbar auf ihrer Seite. Allein im Juni und Juli wurden in der Region vier Millionen Neun-Euro-Tickets verkauft, teilte der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) mit. Hinzu kommen noch eine Million Abonnenten, die ihre Monats- oder Jahreskarten als Neun-Euro-Ticket nutzen können. Hassepaß schlägt als Nachfolgemodell ein 29 Euro-Monatsticket vor. Die Verbraucherzentralen in Deutschland unterstützen das.

SPD bevorzugt 365-Euro-Ticket

Die Berliner SPD hingegen trommelt schon seit Jahren für ein 365-Euro-Jahres-Ticket für die Region und jetzt auch für ein "Klimaticket", mit dem man durchs ganze Land fahren kann - ähnlich wie in Österreich, wo man andere Regionen dazubucht.

Sebastian Rüter von der brandenburgischen SPD ist das Österreich-Modell allerdings zu kompliziert, er will es einfacher haben: "Zunächst das Grundticket für die eigene Region, dann ein, maximal zwei zusätzliche Stufen bis zu einem bundesweit gültigen Ticket. Wir müssen weg von der Kleinstaaterei und weg von rund zwanzig unterschiedlichen Verkehrsverbünden."

Die Berliner FDP legt sich auf kein Nachfolgemodell fest. Wichtig sei, dass man über Tarifgrenzen hinweg einfach und in allen Verkehrsverbünden buchen könne.

Besseres Angebot wichtiger als der Preis?

Eigentlich alle Parteien sagen: Wir dürfen in der Debatte nicht nur auf den Preis schauen, sondern müssen auch auf das Angebot gucken. Und das muss unbedingt besser werden, vor allem auf dem Land. "Autofahrer werden nur dann auf den ÖPNV umsteigen, wenn Busse und Bahnen zuverlässig, sicher und pünktlich sind und die Infrastruktur massiv ausgebaut wird", sagt AfD-Politiker Daniel Münschke.

Das Neun-Euro-Ticket hat das Thema "günstig durch ganz Deutschland fahren" auf die politische Tagesordnung gehoben. Dies sei der Einstieg in eine "Preis-Revolution", sagt die Berliner Linke. Aber: Bahnfahren ist nicht zum Nulltarif zu haben, auch da sind sich alle einig, von den Parteien bis zu den Eisenbahnergewerkschaften. Oliver Friederici von der Berliner CDU sieht deshalb den Bund in der Pflicht: "Die Koalition muss eine einheitliche Position haben, wie sie das finanziert."

Alle schauen auf den Bund

Günstiges Ticket plus Investitionen – wer soll das bezahlen? Vor allem die Investitionen in die Infrastruktur kosten viel Geld. "Nicht finanzierbar", sagt der Bundesfinanzminister. Ideen gibt es aber bereits: Den Diesel teurer machen, die Subventionen für Dienstwagen streichen, Parkgebühren erhöhen oder auch Unternehmen heranziehen, die von einer guten ÖPNV-Anbindung profitieren - wie in Frankreich. Kristian Ronneburg von der Berliner Linken will sich an Spanien orientieren: "Dort wird der kostenlose ÖPNV gerade durch eine Übergewinnsteuer finanziert." Dies allerdings ist eine Steuer, die in Deutschland aktuell politisch nicht durchsetzbar ist.

Die Bundesregierung denkt ebenfalls über ein bundesweites "Klimaticket" nach und sucht nach einem Preis, den möglichst viele Menschen bezahlen können. Denn eigentlich hat Deutschland ja bereits ein solches Ticket, die "Bahncard 100". Sie kostet aber rund 4.100 Euro im Jahr. Und das können sich nur wenige leisten. Um die Jahreswende wird die Bundesregierung wohl einen eigenen Vorschlag vorlegen.

Sendung: Inforadio, 01.08.2022, 6:00 Uhr

Beitrag von Wolf Siebert

24 Kommentare

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  1. 24.

    Die CO2-Bepreisung sollte doch vollständig an die Bürger zurückgegeben werden … Die Subvention des 9-Euro-Ticketes gehört meines Erachtens mit dazu … Und die CO2-Preis-Einnahmen landen meines Wissens nach beim Bund ... Und ich erinnere keine, wirklich keine staatliche Maßnahme die je dieses hohe Maß an Solidarität in sich hatte … Auch, da sie der (Bürger-)Staat wirklich mal allen Bürgern schnell, unkompliziert und BEDINGUNGSLOS zur Verfügung stellt … Jedermann kann etwas damit anfangen ... Jedermann hat einen Vorteil daraus ... Auch der Nicht-Nutzer ... Leerere Straßen, besseres Klima, glücklichere, entspanntere Menschen (!) um sich herum ... Das 9-Euro-Ticket IST solidarisch !

  2. 23.

    Sie können diesen Fanatiker doch nicht mit Fakten kommen. Die Dieselhasser sind ja auch schließlich gerne bereit die Mehrkosten des tgl Lebens zu tragen wenn Diesel genauso besteuert wird wie Benzin. Die Lieferkette gibt die Preise dann weiter. Mal gucken wie sehr dann die Schreibhelden noch laut sind

  3. 22.

    Was will dieser Senat? In Berlin gibt es doch ein ABC Tarifsystem und wenn es dem Senat zu teuer ist hat dieser doch Einflussmöglichkeiten. Was soll dies Gejammer jetzt? Im übrigen sind 69 Euro für eine Monats Karte nicht zu teuer.

  4. 21.

    Ihnen ist entgangen, dass der Benzinpreis sich zu 2/3 aus Steuern zusammensetzt, und die meisten Autofahrer fahren "Benziner", die "Dieselsubvention" gibt es eigentlich nur wegen der gewerblichen Nutzfahrzeugen.Aber, tatsächlich ist es nur eine Steuerermäßingung, gegenüber der Besteuerung von Benzin.

  5. 20.

    Der Staat subventioniert nicht den normalen Diesel, er verzichtet auf eine Teil der Einnahmen aus der Energiesteuer.

  6. 18.

    Wir brauchen keinen Nachfolger auf Staatskosten. Es war klar dass nur die 3 Monate angesetzt waren. Ende mit Sprit-Support, und Ende mit Öpnv-Support. Die Autofahrer sind sowieso nicht umgestiegen. Ich bekomme auch keinen Arbeitsjahre-Rabatt.

  7. 17.

    Siehe auch Kommentar 16!
    Den Staat kostet die Diesel-Subventionierung ca. 7,8 Milliarden Euro pro Jahr, gut dreieinhalb Milliarden davon für die Pkw-Nutzung. Ich finanziere also mit meinen Steuern Diesel/Benzin (die meisten fahren ja inzwischen Diesel), obwohl ich nicht Auto fahre.

  8. 16.

    Wer genau finanziert eigentlich den Erhalt und Ausbau der Straßen und Autobahnen? Die Autofahrer? Oder etwa als Steuerzahler?! Das Argument ist ein Eigentor.

  9. 15.

    Die Autofahrer, damit sind die gemeint, die nach wie vor auf das Auto angewiesen sind, da es für sie kaum ÖPNV gibt.

  10. 14.

    "Geiz-ist-geil" zieht bei den Linke immer, wenn anderen etwas tun müssen. Die sollen lieber energisch den ÖPNV ausbauen, dann kommen die Fahrgäste von allein auch für 2 Euro am Tag.

  11. 13.

    Ich stimme unserem Bundes-Finanzminister zu, wenn er sagt: "Die Finanzierung dieses Tickets durch den Bund will zumindest sein Ressort nicht weiter tragen, denn es benachteilige jene Autofahrer, die das Ticket steuerlich mitfinanzieren, aber es nicht nutzen."
    Ich habe es jetzt mal eine zeitlang mitfinanziert, aber nach 3 Monaten muss auch Schluss sein!

  12. 12.

    Herr Lindner mit seinen Aussagen zeigt mir wie er wirklich tickt!

  13. 11.

    "Die Finanzierung dieses Tickets durch den Bund will zumindest sein Ressort nicht weiter tragen, denn es benachteilige jene Autofahrer, die das Ticket steuerlich mitfinanzieren, aber es nicht nutzen"

    Die Aussage ist Blödsinn. Wenn man das als Maß anlegen müsste, wäre jede Art von Steuer oder Abgabe anfechtbar.

    ICh nutze das 9 Euro Ticket nicht, ÖPNV ist im aktuellen Ausbau nicht mein Ding, ich bin schon beruflich bedingt ein Freund des Individualverkehrs. Aber mit meinen Steuern wird dermaßen viel herumgeschludert, da ist das Ticket vollkommen irrelevant. Nur weil es mir nichts nützt ist es doch offensichtlich ein Renner und hilft vielen Menschen in Deutschland ihre Mobilität kostengünstig zu verbessern. Nur weil ICH es nicht nutzen WILL, warum sollte ich es anderen nicht gönnen ?

    Nicht nur immer an sich und die eigene Klientel denken (ich zähle mich aber eigentlich zur Zielgruppe der FDP...), aber das SOZIAL-liberale ist da wohl nicht mehr tragfähig.

  14. 10.

    Das 9-Euro-Ticket als überregionales Ticket anzubieten, war mit der "heißen Nadel gestrickt". würde. Als regionales Ticket mit einer Reichweiten/-km-Begrenzung (z.B. max. 150 km) mag es sinnvoll sein. Dann hätten Pendler wirklich etwas davon. So haben überwiegend die profitiert, die sonst wahrscheinlich nie einen Tagestrip zur Ostsee machen würden, weil´s ja "billig" war. Und DAS hätten unsere Politiker voraussehen können, wenn sie denn klug wären. Wir haben das Ticket überwiegend für den ÖPNV genutzt und das allein war schon eine Erleichterung. Ein neues Ticketangebot sollte monatlich günstiger sein als eine Jahreskarte im Abo (761€ ./. 12 = 63,42€/Mon.). Ich bin der Meinung, ein bundesweit einheitl. Ticket i.H.v. 40€ wäre finanzierbar, wenn Hr. Lindner seinen Job richtig macht und Steuergelder nicht zweckentfremdet. Solange Geld für den Ausbau sinnfreier Autobahnabschnitte und ein "Sonderfond" für militäre Zwecke vorhanden ist, sollte erst auch Geld für den ÖPNV vorhanden sein.

  15. 9.

    Wie immer machen sich unsere Politiker erst Gedanken um ein Thema, wenn es schon 5 vor 12 und die Ka...am Dampfen ist. Mit Begin des 9-Euro-Ticket hätte gleich ein Plan erarbeitet werden können, der verschiedene Varianten beinhaltet. Entweder es läuft mit dem Ticket gut, dann Plan B...und läuft´s nicht wie erwartet, Plan C. Aber nööö! Wahrscheinlich muss jetzt erst mal wieder eine Prüfungskommission gebildet werden. Wenn Geld für den Weiterbau der A100 (17.BA) von unseren Lobbyisten-Ministern der FDP, Wissing und Lindner, bereitsgestellt werden kann, dann doch wohl erst recht für den ÖPNV. Sowohl für den Aus-und Weiterbau als auch für sinnvolle Ticketvarianten.

  16. 8.

    Zu teuer und unsolidarisch UND Umweltschädlich, da viele erstmal richtig durch die Gegend fahren, was sie sonst nicht getan hätten. Einige planen ganze Urlaubsrundreisen durch Deutschland. Das Ticket wurde als Entlastungspaket eingeführt obwohl im ÖPNV anders als beim Benzin und Energie gar keine Mehrbelastung vorhanden ist. Diese Subventionen bekommen ÖPNV Nutzer also doppelt im Gegensatz zu Nichtnutzern wie etwa Landbewohner, deren Benzinrabatt ausläuft.
    Das war reines politisches Geschacher, damit die Grünen sich auch bei einem Thema feiern können. Und wohl auch genau mit dem Ziel, dass der gesellschaftliche Druck für eine irgendwie geartete Fortsetzung entsteht.
    Ich bin für 9 Euro Lebensmittelflatrate, 9 Euro Tankfüllungen und 9 Euro Stromrechnungen und Gas. Ah.. und 9 Euro Kaltmiete und Handyflatrate. Das sind 70 Euro pro Monat.

  17. 7.

    Das Angebot muss aber auch gänzlich verbessert werden/ Ausbau des ÖPNV, usw. Nur damit Bahn- und Busunternehmen ihre Sitz- und Stehplätze voll bekommen und noch mehr Gewinne erzielen, sollte unser Steuergeld nicht verwendet werden.

  18. 6.

    Die Länder erhalten seit Jahren Fördermittel vom Bund für den Ausbau des Nahverkehrs. Diese Mittel werden als sogenannte Regionalisierungsmittel bezeichnet. Schauen Sie doch einmal auch auf die letzte Monatsstatistik, die auf der Seite des BMF unter Öffentliche Finanzen/ Föderale Finanzbeziehungen veröffentlicht wurden. Im Juni weisen die Länder einen Rekordüberschuss von 20 Mrd. € aus, während der Bund ein erhebliches Defizit hat!

  19. 5.

    Das 9-Euro-Ticket wurde nur deshalb so viel verkauft weil es durch den Steuerzahler bezahlt wird und der Staat dafür ein großes Loch in der Kasse hat.
    Das ist doch dem Steuerzahler nicht weiterhin zuzumuten.

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