Standortauswahlverfahren für neues ICE-Werk - Bürgerinitiative wehrt sich gegen mögliches ICE Werk in Stahnsdorf

Fr 02.12.22 | 10:43 Uhr | Von Susanne Hakenjos
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Die Stahnsdorfer Rieselfelder (Quelle: Gemeinde Stahnsdorf)
Audio: Antenne Brandenburg | 02.12.2022 | Susanne Hakenjos | Bild: Gemeinde Stahnsdorf

Eine Bürgerinitiative in Stahnsdorf befürchtet den Bau eines neuen ICE-Werks und warnt vor der Zerstörung eines wichtigen Naturraumes. Allerdings sei noch gar nicht klar, wo und wann ein mögliches Werk entstehen soll, sagt die Bahn. Von Susanne Hakenjos

Die Bahn will ihre ICE-Flotte aufstocken. Auch für die Hauptstadtregion erwägt das Unternehmen ein Service-Werk, in dem Züge im 24-Stunden-Betrieb technisch gewartet, gereinigt und mit Bord-Material neu bestückt werden. Zwingend vorgeschrieben ist dabei ein Raumordnungsverfahren, bevor gegebenenfalls eine Baugenehmigung erteilt wird.

Die Bürgerinitiative "Lebensraum Stahnsdorf" bezweifelt aber, dass das Verfahren neutral und an Fakten orientiert stattfinden kann. Das interne Standort-Auswahlverfahren laufe intransparent, sagt Alfred Poustka, Gründungsmitglied der Initiative.

Bauvorhaben nur auf Rieselfelder-Flächen

Die Bahn, so Poustka, stelle für das Bauvorhaben gezielt die Weichen und ausschließlich auf die ehemaligen Rieselfelder-Flächen der Berliner Stadtgüter zwischen den Dörfern Güterfelde, Schenkenhorst, Sputendorf und der Siedlung Marggraffshof, die alle zur Gemeinde Stahnsdorf zählen, anstatt mit unterschiedlichen Standort-Optionen in das Prüf-Verfahren zu gehen. "Wir sind empört. Wir wollen einfach ein faires Verfahren", verdeutlicht der Schenkenhorster das Anliegen der Bürgerinitiative. Nach Einsicht in Akten des Ministeriums für Infrastruktur und Landesplanung und in den bahninternen Planungsprozess sieht die Initiative das nicht gesichert.

Die Prüfung verschiedener Standort-Optionen sei nicht gleichberechtigt und faktenbasiert erfolgt, kritisiert auch Heike Zimmermann von der Bürgerinitiative nach der Akteneinsicht: "Kriterien wie Siedlungsnähe werden unterschiedlich bewertet, einmal ist ein Abstand von einem Kilometer 'siedlungsnah' – dann wieder sind 500 Meter 'siedlungsfern". Da tut sich ein riesengroßer Widerspruch auf, dass nicht mit gleichen Maßstäben bewertet wurde." Albert Poustka ergänzt: Wir reden hier von einem Abstand zu Sputendorf von 500 Metern."

Das Planungsbüro der Bahn identifiziert auf solche Weise mögliche Konfliktpotenziale etwa mit dem "Schutzgut Mensch".

Nur eine einzige Standort-Option für das Raumordnungsverfahren?

Unterschiedliche mögliche Standorte wurden bahnintern auf Beschaffenheit, Schutzwürdigkeit, Erreichbarkeit und Anbindung untersucht und mit Punkten bewertet. "Bei der Bewertung von Standortkriterien haben die Flächen Großbeeren-Stahnsdorf mit 121 Punkten, Fangschleuse mit 120 Punkten und Danewitz mit 122 Punkte nahezu die gleiche Punktzahl erreicht", stellt die Initiative auf Grundlage ihres Einblicks in die Unterlagen fest.

Auch seien "starke Alternativen" für das Bauvorhaben wie versiegelte bahneigene Flächen am Autobahndreieck A9/A10 schon vorab ausgeschieden.

"Die Bahn will dennoch nach unseren jetzigen Informationen demnächst allein mit drei Variationen für den Standort Großbeeren-Stahnsdorf ins Raumordnungsverfahren gehen", so Albert Poustka, dies gehe aus einem Einblick in Unterlagen des Ministeriums für Infrastruktur und Landesplanung hervor. "Da werden Weichen vorab gestellt."

Die Initiative, die im Juni 2022 gegründet wurde und fast 750 Mitglieder zählt, warnt vor der Zerstörung eines wichtigen Naturraumes sowie vor Lärm und weiteren negativen Auswirkungen einer so großen Industrieanalage für rund 3.000 Anwohner in den umliegenden Dörfern. Immerhin benötigt ein solches Großprojekt eine Fläche von 160 Hektar, so groß wie 224 Fußballfelder. Das Areal der ehemaligen Rieselfelder mit dem Land Berlin als Eigentümer sei allein unter finanziellen Kriterien für die Bahn die günstigste Umsetzungsoption, so der Vorwurf der BI. In einem Raumordnungsverfahren müssten aber verschiedene Optionen transparent und nachvollziehbar verglichen und geprüft werden - auf Auswirkungen für Anwohner, Natur, Verkehr und Wirtschaft.

Stahnsdorf hat bereits eine Rechtanwaltskanzlei engagiert

Nach der Akteneinsicht hat die Bürgerinitiative große Zweifel, ob im Raumordnungsverfahren eine gleichberechtige Alternativprüfung stattfinden wird. Notwendig seien aber transparente Planungsprozesse, bei denen Auswahl-Kriterien öffentlich nachvollziehbar werden, betont Heike Zimmermann von der BI. Die Initiative fordert daher das Infrastrukturministerium auf, die Bahn auf mehrere unterschiedliche Prüf-Optionen zu verpflichten. Prioritär seien vorhandene, bereits versiegelte Bahnflächen öffentlich zu prüfen.

Raumordnungsverfahren noch nicht gestartet

Das Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung (MIL) erklärte, der Landesplanung lägen die abschließenden Unterlagen für die Durchführung einer Antragskonferenz als ersten Schritt zu einem Raumordnungsverfahren (ROV) noch nicht vor. Das einreichende Unternehmen, die DB, habe trotz mehrfacher Nachfrage auch noch keinen Zeitplan kommuniziert. Damit stehe auch noch nicht fest, welche Varianten im ROV betrachtet werden. "Die Gemeinsame Landesplanungsabteilung Berlin-Brandenburg (GL) als zuständige Raumordnungsbehörde behält sich zudem vor, auf eigene Veranlassung weitere Standortalternativen in das ROV aufzunehmen, sofern diese ernsthaft als umsetzbare Variante in Betracht kommen", erklärte eine Sprecherin des Ministeriums.

Bei einer von der Initiative als "starke Alternative" bezeichnete Option am Autobahndreieck A9/A10 liege die Fläche jedoch vollständig im Landschaftsschutzgebiet, was eine bauliche Inanspruchnahme ausschließe. Zu Details aus bahninternen Planungsunterlagen, wie der Punktebewertung verschiedener Optionen könne sich das Ministerium nicht äußern. "Die angesprochenen Planungsunterlagen sind weder Planungen, Prüfungen noch Bewertungen des MIL oder der GL", betonte das Ministerium.

Laut Bahn noch keine Standort-Entscheidung

Die Deutsche Bahn wiederum möchte sich zu den dargelegten Kritikpunkten offenbar nicht im Detail äußern. Den vom rbb vorgelegten Fragenkatalog beantwort ein Bahnsprecher lediglich mit dem Statement: "Zwei Werkeneubauprojekte wurden in Bayern und Nordrhein-Westfalen bereits gestartet. Bislang gibt es in den aktuellen Planungen noch keine Entscheidung, wo und wann ein eventuelles drittes neues Werk entstehen wird. Wir bitten um Verständnis, dass wir den noch laufenden internen Prozessen nicht vorgreifen können."

Sollte die Bahn alternativlos ausschließlich mit Varianten auf den Freiraum-Flächen bei Großbeeren-Stahnsdorf in ein Raumordnungsverfahren gehen, würde die Gemeinde Stahnsdorf, die das Vorhaben ablehnt, vor vollendete Tatsachen gestellt, kritisiert nicht nur die BI. "Die Rieselfelder sind nicht nur ein Baudenkmal, sondern auch ein schützenswertes Biotop, in das man kein monströses Bauvorhaben plant", so Stahnsdorfs Bürgermeister Albers in Hinblick auf die Überlegungen der Deutschen Bahn.

Die Gemeinde stellte am 6. September 2022 einen Antrag beim Landkreis Potsdam-Mittelmark auf Unter-Schutz-Stellung der in früheren Zeiten von der Stadt Berlin zur Verrieselung ihrer Abwässer genutzten Rieselfelder als sogenannter "Geschützter Landschaftsraum" Dieser ist bislang noch nicht beschieden.

Sendung: Antenne Brandenburg, 30.11.2022, 7:30 Uhr

Beitrag von Susanne Hakenjos

41 Kommentare

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  1. 41.

    Nun, ich kenne Dresden ein wenig mehr. Hätte Dresden nicht die wilde Elbe, die gerne mal Hochwasser führt und auch den Zwinger überschwemmt, die Uferzonen würden anders aussehen, als jetzt. Zugebaut, kanalisiert. Bauland.....

    Der Pankower Rangierbahnhof lag brach. Damals dachte man noch nicht so wie heute, weg vom Auto. Irgendwann kam Herr Krieger auf die Idee, neben einem weiteren Möbelhaus ein Stadtquartier zu entwickeln, zu bauen. Dringend benötigten Wohnraum zu schaffen. Seit gut zehn Jahren passiert nichts. Unsere "lieben" Umweltfreunde, gingen ihrem Hobby nach, alles juristisch verhindern, in die Länge ziehen. Deshalb geht nichts etwas voran, in der Stadt und auch anderswo. In Pankow fand man Kröten. Andere Städte weltweit, würden bauen, die Kröten müssten sehen wo sie bleiben. In Deutschland... nun ja. Deshalb wird in Pankow immer noch nicht gebaut. Bewohner der Stadt verstehen es nicht. Insofern haben wir eine Brache. Könnte man als Grünlage auch durchgehen lassen.

  2. 40.

    Wer von der BI möchte, das andere Menschen 10 m von so einem Werk wohnen. Wo steht das in dem Artikel? Dann bringen Sie mal die Änderung des Immisionschutzgesetzes zu Papier und lassen es Bundestag und Bundesrat passieren. Aber Sie haben uns auch lang genug erzählt, dass Leuna kein russisches Öl mehr verarbeitet. Nur die Medien berichten etwas anderes. Vielleicht sollte die Politik die Anwohner von vornherein in die Planungen mit einbeziehen? So wie es da gelaufen ist, geht es nicht. Die Gemeinde/Anwohner haben von den Planungen nur durch Zufall erfahren. Und so entstand wieder einmal eine BI. Die in Ihren Augen natürlich vollkommen unbegründet ist? Aber in Dresden läuft das natürlich alles ganz anders?

  3. 39.

    Falls die dort anwesenden Kreuzkröten --- da auch so sehen! Ha, ha!

  4. 38.

    Das habe ich mir schon gedacht! Und dann wird ein Betriebsgelände verkauft, um einen weiteren Standort für ein Möbelkaufhaus zu gewinnen: Junge, Junge, wo an der dieser Granitzstr. schon seit längerem ein absoluter Verkehrsengpass besteht! -- Und dann ein Möbelhaus, oder jetzt nun Wohnungen mit Zielverkehren? -- Ohne Worte.

  5. 37.

    Warum hat man das Gelände überhaupt verkauft?

    Soll das wirklich zugebaut werden? Wäre doch perfekt für ne Grünanlage.

    Aber typisch diejenigen, die anderen sowas 10 m vor die Wohnung setzen wollen, während einem selbst 500 m nicht reichen.

    Hier muss dringend das Immissionsschutzrecht vereinfacht werden. Für gewisse Branchen (alles super Schwer/Chemieindustrie) reichen bestimmt pauschale Mindestabstände. 500m ist mehr als ausreichend!

  6. 36.

    Frage an die ganzen Meckerköppe: Sind Sie schon einmal in einem realen ICE Werk gewesen? Alle Arbeiten werden in der Halle gemacht. Wärmeisolation ist auch Schallschutz. Und es wird ja nun nicht mit Hämmern auf Blechen rumgedengelt. Es ist keine schwere Instandsetzung geplant. Einzige Außenarbeit dürfte das Absaugen der Fäkalien sein. Lärm entsteht dabei nicht. Einzige "gefürchtete" Lärmquelle ist das kurze Testen der "Hupe". Auch da gibt es Lösungen wie Lärmschutzwände ect.

  7. 35.

    Herr Neumann, es ist immer wieder schön Ihre "Expertenmeinung" zu lesen. Sie bezeichnen Ihre Mitmenschen gern als, "Nimbys" und dabei ganz besonders die Brandenburger Bevölkerung. Nun mal Butter bei die Fische: Wieviel WKA haben Sie in direktem Umfeld, an welchem Bahnanschluss wohnen Sie direkt, von welchen Lärmbelastungen durch Fabriken/Werke sind Sie persönlich betroffen? Ist Ihnen schon mal der Gedanke gekommen, dass eine BI dadurch entsteht weil wieder einmal Entscheidungen ohne die Bewohner getroffen werden? Ich finde es jedenfalls nicht richtig, dass die Bewohner von dem Vorhaben durch die Politik nicht in Kenntnis gesetzt wurden. Und genau dieses Vorgehen führt zu diesen Situationen. Ein Bahnwerk muss gebaut werden? Okay, dann sollen auch alle Argumente für die Standorte auf den Tisch. Das für und wieder muss abgewogen werden, aber nicht hinter verschlossenen Türen. Ein Standort wird bestimmt, weil es gute Argumente dafür gibt und die Nachteile zu verkraften sind.

  8. 34.

    Ich verstehe nicht, dass die Bahn laute Strecken und Einrichtungen nicht dort baut, wo kein Mensch Gesundheitsschäden davonträgt. Ich finde auch durch ein Naturschutzgebiet....Was ist denn wichtiger? Die Gesundheit der Waldschnepfe oder die von Oma Krause? Oma Krause ist eh ein minderwertiger Mensch?
    Oder anständige Schallschutz -Maßnahmen. Nicht so kleine Glaszäunchen wie in Lichtenrade! Soll das jetzt 40 Jahre halten, oder geht es darum nach 10 Jahren alles wieder abzureißen, weil dann erst angeblich bewusst wird, dass es eine Fehlplanung ist?

  9. 33.

    So geht Verkehrswende. Und Klimanotstand.

    # Notinmybackyard!

  10. 30.

    Sie lenken zu recht auf das Wesentliche: Lärm. Gerade weil es nervt, ist Sorgfalt statt Macht gefragt... bei Standortentscheidungen. In Brandenburg läuft besonders viel falsch. Die Handelnden haben im Kopf ein Einstellungsproblem. Eine dienende Haltung wäre besser.

  11. 29.

    Ja, Brand gehörte einige Jahre zum gleichen Kreis Kgs. Wusterhausen wie mein Heimatort. Da lernt so etwas in Heimatkunde.

  12. 28.

    Meine Pupillen verfärben sich bei dem "fach-wissen?" der sich hier tummelnden hobbyingenieure. Die die am lautesten gegen Fluglärm und Industrieansiedlung schreien, jammern später wegen fehjlender Infrastruktur. Ihr wisst selbst nicht was Ihr wollt. Ich wohne 1 km vom Airport Tegel. Als der noch in Betrieb war waren für mich und meine Nachbarn nicht die 10 sec Fluggeräusche nervig, sondern der bis heute nicht endende Autolärm.

  13. 27.

    Deutschland ist so am Ende, sinnbildlich vor allem in Form der Nationalmannschaft und dieser Streitbürger.

  14. 26.

    Wenn ich höre oder lese "eine Bürgerinitiative wehrt sich" bekomme ich schon Pickel. Den meisten dieser Initiativen geht es nicht um Lösungen sondern um Verhinderungen und um die Sicherung ihrer "Biotope".

  15. 25.

    Schön das es einer merkt...
    Das Förder-Geld aller wurde versenkt in: Briesen/Brand. Darüber lacht man in Friedrichshafen noch heute...
    Vermutlich wissen Sie es.

  16. 24.

    Schön das es einer merkt...
    Das Förder-Geld aller wurde versenkt in: Briesen/Brand
    Vermutlich wissen Sie es.

  17. 23.

    Eisenbahnbetrieblich ist weder Stahnsdorf noch Seddin und das Autobahndreieck A9/A10 geeignet für ein ICE-Bahnbetriebswerk, weil alle drei verkehrsgeografisch ungünstig liegen. Am besten geeignet ist der ehemalige Rangierbahnhof Berlin-Pankow. Der liegt sehr nah am Endpunkt der ICE-Fahrten. Die Tf müssen nicht den Führerstand wechseln, um zwischen Voll- und Leerfahrt zu wechseln, wenn sie aus Richtung Halle/Leipzig kommen. Das Gelände ist/war bereits Eisenbahngelände im DB-Eigentum. Das Autobahndreieck A9/A10, Seddin und Stahsdorf sind dagegen viel zu weit weg und Stahnsdorf nicht ans Eisenbahnnetz angeschlossen. Stahnsdorf müßte über die hoch balastete Anhalter Bahn erschlossen werden. Wo am Rbf Seddin Flächen frei sind bw. erschlossen werden sollen, soll @3 bitte schreiben. Der Rangierbahnhof soll jedenfalls nicht beeinträchtig werden.

  18. 22.

    NIMBYs mutieren auch gerne in der Boulevardpresse zu Labdschafts- und Umweltschützern- s. hier der Standort oder die Stammbahn.

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