Christoph-Niemann-Ausstellung in Berlin - "Der Witz findet im Kopf statt, nicht auf dem Papier"

Fr 14.10.22 | 15:40 Uhr | Von Marie Kaiser
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Der Fotozeichner Christoph Niemann neben seiner Arbeit "Kiss" (Quelle: rbb/Marie Kaiser)
Bild: rbb/Marie Kaiser

Mit seinen Zeichnungen für Magazine wie den New Yorker wurde Christoph Niemann weltberühmt. Jetzt eröffnet in der Galerie Kicken eine Ausstellung mit seinen "Photodrawings" - Fotos, die raffiniert durch Zeichnungen ergänzt werden. Von Marie Kaiser

Ein schwarzer Schwan schwimmt auf dem Wasser vor wolkenverhangenem Himmel. Dieses Foto hat Christoph Niemann in Neuseeland aufgenommen. Interessant wird das Bild aber erst durch das, was Niemann mit Pinsel und schwarzer Tusche ergänzt. Aus dem Schwung des Schwanenhalses wird ein nach oben gereckter Daumen - ein Emoji, das uns allen aus den sozialen Medien vertraut ist. Es sind Werke wie dieses, die Christoph Niemann auf der ganzen Welt bekannt gemacht haben und die nun in einer Ausstellung in der Galerie Kicken versammelt sind.

Präsentiert werden sie in einer hochherrschaftlichen Charlottenburger Altbauwohnung mit Stuck. Teilweise hängen die Arbeiten direkt vor vollgestopften Bücherregalen oder an holzvertäfelten Wänden, die einen wunderbaren Kontrast bilden. Alle Arbeiten sind in den vergangenen zwei Jahren auf Grundlage der vielen Fotos entstanden, die der Illustrator auf seinen Reisen macht.

"Mumbai Duet" von Christoph Niemann.(Quelle:Christoph Niemann; Courtesy Kicken Berlin)
Bild: Christoph Niemann; Courtesy Kicken Berlin

"Das Problem war nur, das Foto war schön, aber es war nicht genug"

Das erste Photodrawing zeichnete Niemann 2015 nach einem Langstreckenflug nach Hong Kong. "Ich hatte total Jetlag, wachte auf und schaute auf den Hafen von Hong Kong. Es war ein wahnsinniger Ausblick von dem Hotel, den ich dann fotografiert habe. Das Problem war nur, das Foto war schön, aber es war nicht genug. Wer nicht da war, denkt sich, ist halt ein Hafen mit Hochhäusern. Und dann habe ich so aus einer Laune heraus auf dem iPad eine Figur darauf gezeichnet.“ Auf dem ersten Photodrawing ist nun ein riesenhafter Mann zu sehen, der mit einem Fuß auf einem Hochhaus steht. Mit dem anderen Fuß macht der Riese einen großen Ausfallschritt über die Hochhäuser hinweg direkt ins Hafenbecken.

Kunst, die nach Photoshop aussieht und doch handgemacht ist

"Ein Glückstreffer", so beschreibt Christoph Niemann dieses erste digitale Photodrawing. Mittlerweile arbeitet der Künstler aber lieber analog. "Ich arbeite dann mit Tusche direkt auf dem Foto, was ein ganz eigenartige Oberfläche hat. Also die Tusche und der Pinsel, die bleiben da auch ein bisschen kleben. Da kann ich natürlich auch nichts rückgängig machen. Da passieren dann manchmal Dinge, die im Digitalen in aller Perfektion nicht möglich sind."

Eines ist Christoph Niemann ganz wichtig: Alle Fotos, die in der Ausstellung zu sehen sind, wurden nicht am Computer bearbeitet. "Das ist für mich ganz wichtig, als würde es da so ein Kunstkarma geben. Eigentlich ist die Idee, dass man die Sachen anschaut und denkt, da war ganz viel Photoshop dabei. Weil die Verbindung von Foto und Zeichnung so zwingend aussieht, dass man sich eigentlich gar nicht vorstellen kann, dass es so gut passt."

"Spinning" von Christoph Niemann.(Quelle:Christoph Niemann; Courtesy Kicken Berlin)
Bild: Christoph Niemann; Courtesy Kicken Berlin

Spitze des Funkturms wird zur Tonnadel

Aus einer Laterne am Internationalen Congress Centrum in Berlin wird ein Plattenspieler - die Spitze des Funkturms wird zur Tonnadel. Eine mit Herbstlaub berankte Haustür aus Holz verwandelt sich durch den geschickten Einsatz der schwarzen Linien und Flächen in ein knutschendes Liebespaar.

Und noch eine feste Regel hat sich Christoph Niemann für seine Photodrawings gesetzt. "Ich greife immer nur mit schwarzer Linie in die Fotos ein. Also mit dem abstraktesten grafischen Element, das es gibt. Und diese Fotos haben natürlich Tiefe, Farbe und Räumlichkeit. Und dadurch spiele ich natürlich immer mit diesen zwei Welten: Abstraktion und Realismus - und springt zwischen diesen Welten hin und her."

Es macht großen Spaß, beim Betrachten zwischen diesen Welten hin und herzuspringen. Oft bringen uns die Photodrawings direkt zum Lachen. Einfache Bilderwitze sind es aber nicht. "Ernsthafte Spielereien" nennt Niemann seine Arbeiten, die er auch als kleine Rätsel versteht, die wir durch intensives Betrachten knacken können. "Es geht mir nicht darum, zu zeigen, dass ich wahnsinnig smart war und eine gute Idee hatte. Bei mir geht es immer um die Betrachterinnen und Betrachter. Dass die die Bilder anschauen und dann etwas verstehen. Der Witz findet im Kopf statt und nicht auf dem Papier."

Die Ausstellung „Photodrawings“ von Christoph Niemann ist noch bis 16. Februar 2023 in der Galerie Kicken, Kaiserdamm 118 in Berlin-Charlottenburg zu sehen.

Sendung: radioeins, 14.10.2022, 15 Uhr.

Beitrag von Marie Kaiser

2 Kommentare

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  1. 2.

    Hab' heute das erste Mal von Christoph Niemann gelesen, mir danach seine Webseite angesehen - einfach klasse. "Coffee Break" finde ich super. Passt in die Zeit - relativ einfache Dinge richtig kompliziert machen.

  2. 1.

    Ein ganz Großer!

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