Rund 300 Ausstellungen - Berlin Art Week - das Aushängeschild der Kunststadt Berlin

Mi 14.09.22 | 06:03 Uhr | Von Andrea Handels
Adrien Missika mit seiner Pop-Up-Ausstellung vor der Neuen Nationalgalerie ( Ausstellung der ifa-Galerie); © Andrea Handels
Audio: rbb24 Kulturradio | 14.09.2022 | A. Handels | Bild: Andrea Handels

150 Projekte und Partner sind diesmal dabei, an die 300 Ausstellungen, quer durch die ganze Stadt von Zehlendorf bis Hellersdorf, von Reinickendorf bis Neukölln. Es ist wieder Art Week. Von Andrea Handels

Zentraler Treffpunkt der Berlin Art Week sind diesmal die Uferhallen in Wedding. Nicht von ungefähr, denn sie sind als Kunststandort bedroht. Ein Investor will dort bauen, einigen Künstlerinnen und Künstlern wurden schon ihre Ateliers gekündigt. Die Lage ist unklar. Die Berlin Art Week möchte den Scheinwerfer auf solche bedrohten Kunststandorte richten, eine gute Wahl.

"On equal terms" haben Sofia Gräfe und Arkadij Koscheew die von ihnen kuratierte Ausstellung in der großen Halle auf dem Gelände an der Uferstraße genannt. Wie verhalten sich die Künstlerinnen zur Vermarktung ihrer Kunst? Wie gehen sie mit ökonomischen Zwängen um und was für einen Einfluss hat das auf ihre Werke? Können sie auf Augenhöhe (on equal terms) agieren? Die Ausstellung zeigt 26 künstlerische Positionen dazu. Darunter zum Beispiel die Installation "Jackpot" von Benedikt Braun, bei der hunderte 1-Cent-Münzen in einem ständigen Kreislauf auf miteinander verbundenen Förderbändern transportiert werden – mit lautem Scheppern. Oder vor dem Eingang ein überdimensionales Flammen-emoji mit dem Titel "This is fine" des Medienkünstlers Aram Bartholi. Die Flamme steht hier genauso für Freude wie für Bedrohung. Wirklich "fine" ist die Situation der Uferhallen eben nicht.

Die Tore

Zwei Gedichte (Fabrikhof I und Fabrikhof II) von der Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller sind Teil der Zusatzausstellung DIE TORE an der Außenwand der Uferhallen. Rosa Barba lässt die Geräusche aus ihrem Atelier hierhin übertragen, Maria Eichhorn hat die komplette Wand mit Plakaten von aktuellen politischen Aktionen gestaltet und Karin Sander zwei knallbunte 12 Meter lange Fliegenvorhänge aufgehängt, die nicht nur Fliegen, sondern auch "Ungewolltes" abhalten sollen.

Ein Besuch der Uferhallen lohnt sich schon mal allein wegen dieser beiden Ausstellungen. Zusätzlich wird es hier an den fünf Tagen der Berlin Art Week viele Performances, Workshops, DJ Sets und Möglichkeiten zu Atelierbesuchen geben. Täglich von 10 bis 22 Uhr.

Fokus auf Performances und "Activations"

Die schwedische Künstlerin Anna Uddenberg hat im Schinkel Pavillon in den verglasten oktogonalen oberen Raum eine Reihe von Skulpturen gesetzt: große merkwürdige Objekte, die aussehen wie eine Mischung aus Arztuntersuchungsstühlen, wie man sie beim Zahnarzt oder der Gynäkologin findet, aber irgendwie verknotet und dysfunktional, und Aliens.

"Fake-Estate" heißt die Installation. An den Wochenenden werden dort Performances stattfinden: athletische Performerinnen sollen diese Skulpturen quasi "beturnen". Dabei geht es dann darum, wie die Form der Objekte das Verhalten der Subjekte, also der Performerinnen bestimmt…

Oder die Pop Up Installation "Motus" von Adrien Missika auf dem Vorplatz der Neuen Nationalgalerie. Er hat ein altes Fahrrad bemalt, eine Transportkiste daran gebaut und transportiert darin eine Flasche mit giftigem grün gefärbtem Wasser aus dem Rhein, aus dem Jahr 1981, eine Kunstaktion von Joseph Beuys und Nicolàs Gárcia Uriburu aus eben diesem Jahr. Dazu hat er ein Plakat von Endre Tót ausgestellt, auf dem steht "I’m doing nothing". Da sitzt er dann daneben auf einem dreibeinigen Hocker – und macht nichts. Das aber nur Mittwochnachmittag. (Während übrigens in der gläsernen Halle der Neuen Nationalgalerie jede Stunde das Tanzstück "Huddle" der Choreografin Simone Forti aufgeführt wird.)

Am Wochenende ist Adrien Missika mit seiner "Motus"-Installation auf der Monbijou-Brücke anzutreffen, Sonntag auch im „Berlin Art Week Garten“ in den Uferhallen in Wedding. Dort wird dann Musik des Fluxus-Künstlers und Komponisten Dick Higgins aufgeführt. Das Ganze schöpft aus und bezieht sich auf die großen Fluxus-Bestände der ifa–Galerie Berlin, ist Teil von deren Ausstellung "spheres of interest", die ansonsten auch in der Klosterruine in Mitte und natürlich in der Galerie selbst performativ stattfindet.

Kunsthäuser bespielen den Öffentlichen Raum

Wie die ifa-Galerie so gehen auch andere Galerien und Museen für die Berlin Art Week nach draußen, das KW Institute for Contemporary Art zum Beispiel mit einer Schau im tieranatomischen Theater der Charité: "The Maw Of" von Rachel Rossin. Sie beschäftigt sich mit aktuellen Forschungen zu Gehirn und Computer. Oder das Hau – Hebbel am Ufer mit einer Ausstellung der Gruppe "Tactical Tech" vor dem Technikmuseum, eine politische, interaktive Ausstellung in einer Art nach unten offenem Globetheater mit vielen Schautafeln. Hier werden zum Beispiel Fragen nach der Manipulation durch die Sozialen Medien gestellt. "Everything will be fine2 heißt diese Arbeit. Und das ist, wie bei der Flamme vor den Uferhallen, durchaus ambivalent gemeint.

Große Namen und Häuser sind auch dabei

Klar machen alle mit bei der Berlin Art Week, vom kleinen Projektraum über die renommierte Galerie bis zum Museum. Die libanesisch-britische Künstlerin Mona Hatoum wird in gleich drei Häusern gewürdigt: im Kolbe-Museum, im Kindl und im Neuen Berliner Kunstverein. Der Hamburger Bahnhof eröffnet die erste Soloschau des jungen Amerikaners cameron clayborn "Nothing left to be", das Haus am Waldsee präsentiert die amerikanische Künstlerin Leila Hekmat, die mit ihrer Schau "female remedy" das Haus in ein "religiöses Sanatorium für Frauen" verwandeln will, um nur einige zu nennen.

Noch etwas Leichtes zum Schluss: Erdbeer-Kunst

Zwölf Musée de la fraise, Museen der Erdbeere, haben sich über die ganze Stadt verteilt in den roten Häuschen von Karls Erdbeerhof eingenistet. Zwölf Künstlerinnen widmen sich darin Themen wie Begierde, Sinnlichkeit und Verlangen. Klingt verlockend. Die Musée de la fraise können wie das meiste auf der Berlin Art Week vom 14. bis 18.09. besucht werden. Zum Beispiel in der Schöneberger Akazienstraße oder am Hackeschen Markt.

Sendung: rbb24 Kulturradio, 14.09.2022, 6:00 Uhr

Beitrag von Andrea Handels

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