Studierende aus Nahost - Schockzustand in der Barenboim-Said-Akademie

Fr 13.10.23 | 11:07 Uhr | Von Maria Ossowski
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Die Fassade Barenboim Said Akademie.(Quelle:Volker Kreidler)
Audio: rbb24 Inforadio | 13.10.2023 | Maria Ossowski | Bild: Volker Kreidler

Die Barenboim-Said-Akademie in Berlin bringt junge Musiker:innen aus Palästina, Israel, Syrien oder dem Libanon und Ägypten zusammen. Gemeinsam studieren sie hier Musik. Der Angriff auf Israel stellt das studentische Zusammenleben vor große Herausforderungen. Von Maria Ossowski

Das Semester beginnt in der kommenden Woche, am 17. Oktober. Es ist die größte Bewährungsprobe der Barenboim-Said-Akademie in der Französischen Straße. Von den knapp 80 Studenten kommen 70 Prozent aus dem Nahen Osten. An der Akademie studieren Israelis, Palästinenser, Syrer, Ägypter, Libanesen und andere, und zwar nicht nur Musik, sondern auch Philosophie, Geschichte und Literaturwissenschaften.

Nach den Massakern der Hamas hat die "Student Union" am Montag zu einer Versammlung aufgerufen. Die Mehrheit der Student:innen ist gekommen. Die Direktorin Regula Rapp hat die Student:innen zusammen mit dem Dekan Michael Barenboim begrüßt. Die Student:innen haben die Veranstaltung moderiert, in der es nur ein Thema gab: den Angriff der Hamas und die Folgen.

"Wir werden diese Versammlungen fortführen, vielleicht sogar mehrmals die Woche, und selbstverständlich gehen wir auch in Einzelgespräche. Unsere Tür ist offen, das wissen unsere Studierenden", so Regula Rapp. "Hierher kommen diejenigen, deren Familie und Freunde täglich betroffen sind und die unendliche Angst haben vor dem, was ist und kommen wird. Wir sind die Institution, in der sie sich hier treffen können und in der sie einen Raum haben, in dem sie sich auseinandersetzen können, in dem sie ihre Gefühle äußern können. Ich würde sagen, im Moment werden wir ganz besonders gebraucht."

Humanität, Gleichheit, Rücksicht

Michael Barenboim ist der Dekan der Akademie, die sein Vater, der Dirigent Daniel Barenboim, zusammen mit dem Literaturwissenschaftler Edward Said gegründet hatte. Die Werte der Akademie: Humanität, Gleichheit, Rücksicht aufeinander nehmen. Die Studierenden sollen hier die Konflikte der Heimat nicht vergessen, aber sie überbrücken.

"Es sind ganz besondere Menschen", so Michael Barenboim. "Sie sind nämlich unendlich solidarisch miteinander, sie hören einander zu, sie reden miteinander und sind unterstützend füreinander da. Und ich glaube, sie sind das beste Beispiel dafür, dass das möglich ist, dass wir eine Alternative anbieten können, zu dem was wir in den Nachrichten sehen. Und ein besseres Zeichen als das Musikmachen zusammen in einem Streichquartett oder einem Orchester gibt es nicht. Wenn sie zusammenspielen, zeigen sie, dass es anders geht."

Unterstützung in der schwersten Krise

Aber ist das nicht angesichts der Tausenden von Toten ein Traum, eine Utopie, nur mehr ein Wunsch? Nein, meint Barenboim: "Was wir hier machen, ist keine Träumerei. Sie spielen ja wirklich. Am Montag in einer Woche erlebt das Publikum im Pierre-Boulez-Saal in Berlin ein Orchester, zusammengesetzt aus Musikern aus dem Nahen Osten - aus Israel, aus Palästina, aus dem Iran, Ägypten und Libanon. Sie spielen ein sinfonisches Programm. Das ist Realität."

Die Musik als allheilende Kraft? Sicher nicht. Psycholog:innen und Mediatoren sollen in hoher Frequenz die Studierenden betreuen, denn die Konflikte verschwinden nicht, auch wenn man miteinander Mozart spielt. Regula Rapp will keine Konflikte unter den Teppich kehren oder zukleistern: "Natürlich gibt es Animositäten. Und ich habe auch Studierende gehört, die sagen, ich kann heute mit gar niemanden sprechen, erst recht nicht mit jemanden aus einem anderen Land. Das ist richtig. Aber dann ist es unsere Aufgabe, zu sagen, du machst jetzt das, wonach du dich fühlst. Wir müssen sie in dieser schwersten Krise unterstützen. Das ist nicht leicht. Trotzdem ist das die Utopie, an der wir festhalten. Das die im Moment schwer zu erreichen ist, mit noch mehr Unterstützung und verstärktem Verständnis für die einzelnen Schicksale, das ist keine Frage. Also wir haben gerade keine Nine-to-five-Jobs."

Zwei israelische Studierende erklärten ihr Montag, sie könnten momentan einfach nicht üben. Rapp empfahl ihnen, stattdessen schlicht zu spielen.

Michael Barenboim, ein verbindlicher und liebenswürdiger Gesprächspartner, gibt jedoch zu: "Die Sorge ist groß, dass es für uns alle eine noch schwierigere Gefühlslage geben wird als jetzt schon". Und dennoch: sie spielen. Sie geben Konzerte. "Je schlimmer die Situation wird, desto wichtiger ist es doch, dass wir spielen, dass wir uns zeigen und zeigen, dass es anders geht."

Sendung: rbb24 Inforadio, 13.10.2023, 11:55 Uhr

Beitrag von Maria Ossowski

7 Kommentare

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  1. 7.

    Umgedreht, der Rechtschreibrat hat die Deutungshoheit über Weiterentwicklung. Wenn die Sprache zur Spaltung beiträgt, dann wird sie Ihrer Aufgabe nicht gerecht. Ich werbe für eine, in dieser Zeit wichtige geschlechtsneutrale Form:
    leiten - die Leiter oder spinnen - die Spinner können Vieles sein und beweist das schöne Einfache, geschlechterneutral, wie "das Mädchen", weil die Mehrzahl (Plural) kurz, elegant ist, jedes biologische Geschlecht und jede Art von
    Unterscheidung unsichtbar macht, sagen die Profis.
    Undemokratisch ist es, jegliche Kritik diesbezüglich, immer mehr in die "rechte Ecke" zu stellen. Was beweist, dass man die politische Einstellung schon am Gebrauch der falschen Grammatik erkennen soll. Das haben Sie sogar, in Bezug auf meine Person unerträglich getan. Gerade jetzt ist dies aber, wie bei der Religionszugehörigkeit, zu unterlassen. Gerade im Zusammenhang mit der Barenboim-Said-Akademie. Ich empfehle Ihnen die Ringparabel von Lessing zu lesen.

  2. 6.

    Umgedreht, der Rechtschreibrat hat die Deutungshoheit über Weiterentwicklung. Wenn die Sprache zur Spaltung beiträgt, dann wird sie Ihrer Aufgabe nicht gerecht. Ich werbe für eine, in dieser Zeit wichtige geschlechtsneutrale Form:
    leiten - die Leiter oder spinnen - die Spinner können Vieles sein und beweist das schöne Einfache, geschlechterneutral, wie "das Mädchen", weil die Mehrzahl (Plural) kurz, elegant ist, jedes biologische Geschlecht und jede Art von
    Unterscheidung unsichtbar macht, sagen die Profis.
    Undemokratisch ist es, jegliche Kritik diesbezüglich, immer mehr in die "rechte Ecke" zu stellen. Was beweist, dass man die politische Einstellung schon am Gebrauch der falschen Grammatik erkennen soll. Das haben Sie sogar, in Bezug auf meine Person unerträglich getan. Gerade jetzt ist dies aber, wie bei der Religionszugehörigkeit, zu unterlassen. Gerade im Zusammenhang mit der Barenboim-Said-Akademie. Ich empfehle Ihnen die Ringparabel von Lessing zu lesen.

  3. 5.

    Keine Ahnung worauf Sie raus wollen.
    Sollte ich Sie allerdings einigermassen richtig verstehen, so geht es Ihnen vor allem darum, sich in letztlich extremistischer Weise über die Weiterentwicklung von Sprache, Sprachgebrauch und Fortentwicklung von Sprache zu empören.
    Während Sie gleichzeitig behaupten - zumindest im Subtext - sich für Verständigung einzusetzen.
    Wie unangemessen Ihr Reflex im Zusammenhang des Textes und Sachverhalts ist, beweist Ihre nicht erfüllte Behauptung für Verständigung einzutreten. Denn Sie sind gar nicht in der Lage die Verständigung wahrzunehmen. Im hier zu Rede stehenden Zusammenhang der Barenboim-Said-Akademie.
    Ihnen ist wichtiger den gewaltvoll-aggressiven Unsinn zu verbreiten, Sprache, Sprachentwicklung und Sprachgebrauch sei von der Herrschaft bestimmter Verhältnisse frei. Die Dominanz des Maskulinums sei ein Naturgesetz, Grammatik quasi gottgegeben und nicht Ausdruck gesellschaftlicher, sozialer, ökonomischer Verhältnisse.

  4. 4.

    Voraussetzung für das richtige Verstehen ist die Verständigung. Dazu braucht man eine Sprache. Erst die richtige, gelehrte Grammatik garantiert eine Verständigung, die nicht so beleidigend ist: „Terrorist:innen“...Wenn diese Form nicht benutzt wird.

  5. 3.

    Ich würde mir wünschen, dass es die Angehörigen dieser Einrichtungen als leuchtende Vorbilder schaffen, ihre mit Sicherheit verständlichen negativen Gefühle zu verarbeiten und sich daran zu erinnern, was Daniel Barenboim als Ehrenbürger Palästinas geleistet hat. Nämlich als Humanist das Unrecht auf beiden Seiten zu sehen und zu verurteilen und nicht "den Juden" oder "den Palästinenser", sondern "den MENSCHEN" in den Mittelpunkt zu stellen. Er konnte Israels Siedlungspolitik genau so als falsch und ungerecht sehen wie die Terrorangriffe der radikalen Palästinenser. Er hat verstanden, dass sich die Radikalen beider Seiten brauchen um den Hass zu schüren, weil eine Versöhnung ihr Ende wäre. Ich wünsche der Akademie von ganzem Herzen das Beste und gutes Gelingen in dieser schwierigen Zeit!

  6. 2.

    Sie haben offenbar den Artikel, die Wirklichkeit und das Ansinnen der Studierenden der Barenboim-Said-Akademie nicht verstanden.
    Hier geht es nämlich explizit nicht und ausschliesslich um die -sicher berechtigten- Sorgen, Ängste von Studierenden aus dem jüdischen Kulturkreis.
    Hier sprechen, studieren und arbeiten Menschen zusammen die fortwährend von interessierten Kreisen zu Feinden gemacht werden. In einem niederträchtigen Wettbewerb, wem der Status des schlimmsten Schicksals zustehe.
    Dabei ist ein Schritt, wenn man sich einmal gegenseitig in seinen unterschiedlichen Erfahrungen und Geschichten ZUHÖRT.
    Ohne die des anderen zu bestreiten. Weil das angeblich eine Relativierung sei.

    Schade also. So eine grossartige Institution. Und das was an ihr wirklich grossartig und zukunftsweisend ist, wird gar nicht verstanden...
    Lesen Sie den Artikel vielleicht einmal so. Und überdenken Sie Ihren Reflex.

  7. 1.

    Es ist mir unbegreiflich, wie es dazu kommen konnte, dass sich Juden in Deutschland wieder verstecken müssen. Das Unfassbare ist wieder da. Weltweit wünscht man wieder offen den Juden den Tod. Heute leben Menschen weltweit in Angst, weil sie zutiefst verunsichert sind, schutzlos ausgeliefert sind. Hätten sie Schutz, müssten sie keine Angst haben.
    Wir sollten alle auf der Straße sein und für unsere Menschen und unsere Leitkultur, für unsere Werte, einzutreten. Wenn wir das nicht tun, wird der Hass es tun und uns unsere Freiheiten nehmen. Wir brauchen Zusammenhalt und Solidarität mit den Juden, denn wir sind es alle, die gemeint sind, Terror hat etwas gegen Freiheit, Humanismus und Demokratie. In Frankreich wurde schon wieder ein Lehrer getötet, heute. Juden wandern aus Frankreich aus, auch aus Deutschland werden sie fliehen, wenn man aber keinen Schutzraum mehr hat, wohin? Juden in Brandenburg haben Angst um ihr Leben, diese Erzählungen kannte ich nur von meiner Großmutter.

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