Berlin-Schöneberg - Schwulenberatung öffnet queere Kitas - umstrittener Vorstand tritt zurück

Fr 07.10.22 | 18:39 Uhr | Von Yasser Speck
Symbolbild: Kinder lassen am 23.06.2021 selbstgebastelte Boote aus alten CDs und anderen Materialien schwimmen. (Quelle: dpa/Kira Hofmann)
Bild: dpa/Kira Hofmann

Am Südkreuz richtet die Berliner Schwulenberatung zwei Kitas mit queerem Schwerpunkt ein. Doch der Verein geriet in die Kritik - einem Vorstandsmitglied wurde Pädophilie-Verharmlosung vorgeworfen. Nun trat er zurück. Von Yasser Speck

Zwei Kitas mit queerem Schwerpunkt sollen Anfang kommenden Jahres in Berlin aufmachen. Betreiber ist die Schwulenberatung Berlin. Ziel ist es demnach, mit diesen Einrichtungen nach eigenen Angaben Vorurteile abzubauen und Vielfalt vorzuleben.

LSBTI* - Erklärung

LSBTI* steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen. Mehr Informationen zu Fachbegriffen finden Sie hier.

"Andere Lebensweisen kennenlernen"

Viele Schulen und Kindertagesstätten würden sich noch schwertun, "wenn es um Homosexualität und Trans- sowie Intergeschlechtlichkeit in Verbindung mit Kindern geht", heißt es zur Begründung für das neue Kita-Konzept auf der Webseite [schwulenberatungberlin.de]. "Das wollen wir nun ändern."

Es sei wichtig, dass "Kinder andere Lebensweisen und -welten kennenlernen", heißt es weiter. Das Thema LSBTI* sei "kein exklusives Thema nur für Erwachsene". Fragen nach Identität, Liebe, Freundschaft oder Partnerschaft gingen auch kleine Kinder an.

Vornehmlich LSBTI*-Menschen im Team

Damit LSBTI*-Menschen als selbstverständlicher Teil der Gesellschaft wahrgenommen werden, würden die Teams der beiden Kindertagesstätten "vornehmlich aus LSBTI* Personen zusammengesetzt", sagte Jörg Duden, Sozialpädagoge bei der Schwulenberatung und Mitentwickler des Kita-Konzepts, dem rbb. Eine feste Quote gebe es aber nicht.

Die Kita soll allen Kindern und Eltern offenstehen. "Sie müssen sich nicht als LSBTI* bezeichnen, um einen Platz in einer der Kitas zu bekommen", schreibt die Schwulenberatung weiter. Allerdings müssten alle damit einverstanden sein, dass die Lebenswelten von queeren Menschen in der Kita sichtbar gemacht würden.

Baustelle am Südkreuz am 06.10.2022. (Quelle: rbb/Hennig)
Der "Lebensort Vielfalt" am Südkreuz soll im Dezember 2022 fertiggestellt werden. | Bild: rbb/Hennig

Beheimatet in Wohnprojekt

Auch in Ausstattung und Räumlichkeiten soll ein Fokus auf queeres Leben gelegt werden. "Wir werden bei der Auswahl von Spielmaterialien und Büchern etc. darauf achten, dass sie ausgewogen sind und nicht allein heteronormative Rollenbilder verkörpern", schreibt die Schwulenberatung.

Platz finden soll eine der Kitas in einem neuen Gebäude am Südkreuz, das die Schwulenberatung zurzeit errichten lässt: im "Lebensort Vielfalt". Im Dezember soll das mehrstöckige Haus fertig sein, mit Wohnungen, therapeutischen Wohngemeinschaften und eben Kinderbetreuung. Es solle ein "Mehrgenerationenhaus für homo-, bi- trans-, und intersexuelle Menschen" entstehen, heißt es auf der Website der Beratungsstelle. Die andere Kita zieht nebenan ein.

Vorstandsmitglied Lautmann zurückgetreten

Nach der Ankündigung für die Kitas mit neuem Konzept hat es allerdings bei der Schwulenberatung auch personelle Änderungen gegeben: So teilte sie am Freitag über Facebook mit, dass der Vorstand Rüdiger Lautmann auf einer Sitzung am selben Tag erklärt habe, "dass er mit sofortiger Wirkung seinen Vorstandsposten niederlegt". Damit solle "weiterer Schaden" von der Schwulenberatung und den Kitas abgewendet werden. Um ihn habe es in Verbindung mit den Kitas eine "teilweise sehr kontroverse Berichterstattung" gegeben.

Hinter der Schwulenberatung Berlin steht der Verein "Psychosoziales Zentrum für Schwule". Im Vorstand dieses Vereins saß seit 2010 der Jurist und Soziologe Lautmann. Dem 86-Jährigen wird in verschiedenen Studien und Berichten vorgeworfen, Pädophilie zu verharmlosen.

So schrieb Lautmann 1994 ein Buch mit dem Titel: "Die Lust am Kind", das der "Spiegel" als "Pädophilie verherrlichend" beschreibt. 1997 warf die Traumatherapeutin Ursula Enders Lautmann vor, "täterverherrlichende Positionen" zu vertreten. Nach Angaben eines Forschungsprojekts der Universität Göttingen [demokratie-goettingen.de] war Lautmann auch Mitglied der "Arbeitsgruppe Humane Sexualität". Auf der Webseite dieses heute noch existierenden Vereins wird eine Broschüre aus dem Jahr 1997 mit den Worten beworben: "Man fühlt sich dennoch bemüßigt, vor einer Sexualität zwischen Kindern und Erwachsenen zunächst einmal und generell zu warnen, auch wenn man sie im Grunde bejaht."

Auf Anfrage des rbb wies Lautmann in dieser Woche die Vorwürfe zurück: "Sexuelle Beziehungen zwischen Kindern und Erwachsenen werden nicht und wurden nie von mir bejaht", teilte er dem rbb mit. Als er in der AHS aktiv geworden sei, sei der Verein noch nicht in einer pädosexuellen Richtung positioniert gewesen. "Später habe ich mich dann vielleicht nicht schnell genug zurückgezogen", sagte er.

Zunächst noch Rückhalt für Lautmann

In dieser Woche hatte Marcel de Groot, Geschäftsführer der Berliner Schwulenberatung, Konsequenzen zunächst noch nicht für nötig gehalten. "Im Moment haben wir keinen Grund, uns von Rüdiger Lautmann zu trennen", sagte de Groot dem rbb. "Ich schließe mich den Vorwürfen nicht an."

Als Rüdiger Lautmann im Jahr 2010 Vorstandsmitglied geworden sei, habe die Leitungsebene ihn eingeladen und gebeten, Stellung zu den Vorwürfen der Pädophilie-Verharmlosung zu beziehen, sagt de Groot. Dem rbb teilte er vor Lautmanns Rücktritt mit: "Wir sind der Meinung, dass er Pädophilie nicht verharmlost."

Rüdiger Lautmann sei zudem inhaltlich nicht in das Kita-Projekt involviert gewesen. Er könne auch keine Mitarbeitenden einstellen oder entlassen, so de Groot. Grund dafür sei, dass er im sogenannten externen Vorstand sitzt. Dieser kümmere sich unter anderem um die Finanzen, nicht um Inhaltliches.

Beitrag von Yasser Speck

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