Berlin-Alexanderplatz - Tunnel-Absenkungen und Risse: BVG setzt Pendelverkehr der U2 weiter fort

Fr 21.10.22 | 18:34 Uhr | Von Franziska Hoppen und Boris Hermel
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Ein Pendelzug der BVG fährt am 20.10.2022 in den U-Bahnhof Alexanderplatz ein (Quelle: imago images/Dirk Sattler)
Audio: rbb24 Inforadio | 21.10.2022 | Franziska Hoppen | Bild: www.imago-images.de

Seit zwei Wochen ist die U2 eingeschränkt. Tunnel haben sich deutlich abgesenkt, es wurden auch Risse im Mauerwerk festgestellt. Nun bleibt der Pendelverkehr vorerst bestehen. Auslöser soll ein Hochhausbau am Alexanderplatz sein. Von F. Hoppen und B. Hermel

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) sehen sich gezwungen, den Pendelbetrieb auf der U-Bahnlinie 2 am Alexanderplatz zunächst auf unbestimmte Zeit fortzusetzen. Grund sollen die Absenkungen der Tunnelröhren durch die Hochhausbaustelle des französischen Investors Covivio direkt neben dem U-Bahnhof sein.

"Wir danken allen Fahrgästen für ihr Verständnis, dass Sorgfalt, Verantwortung und Sicherheit wichtiger sind als der verständliche Wunsch nach einer schnellen Wiederaufnahme des regulären U-Bahnbetriebs", schreibt die BVG am Freitag dem rbb auf Nachfrage. Bis die Bahn wieder normal fährt, könne es noch Wochen dauern.

Tunnelröhren um fast vier Zentimeter abgesenkt

Der Grund: Bewegungen im Erdreich am Alexanderplatz haben im U-Bahnhof und den angrenzenden Tunneln zu Rissen und sogar zu Gleisverschiebungen geführt. Die Tunnelröhren sind teilweise um fast vier Zentimeter abgesackt. Und auch wenn die BVG das Bauwerk schon vorsorglich verstärkt hat, die Untersuchungen im Bereich des U2-Tunnels dauern noch an.

Ein U-Bahnbetrieb auf dem betroffenen Gleis Richtung Pankow könne nach Einschätzung von BVG-Fachleuten derzeit aber weiter nicht stattfinden. Seit Bekanntwerden der Absenkung vor zwei Wochen pendelt die U2 deshalb eingleisig zwischen Senefelder Platz und Klosterstraße.

Linke sieht Alex als "Lebensader" für Pendler

Als Auslöser für die Bewegungen im Erdreich wurden bislang die Arbeiten in der Hochhausgrube des Covivio-Turms am Alexanderplatz ausgemacht. 130 Meter hohe Zwillingstürme sollen neben dem Park-Inn entstehen.

Weil gleich zwei weitere Hochhaus-Türme am Alex gebaut werden, hat die Berliner Linke einen sofortigen aber vorübergehenden Baustopp gefordert. Nicht nur für den Covivio-Turm, auch für andere Hochhäuser, die über U-Bahnlinien gebaut werden, zum Beispiel von Signa am Hermannplatz, wo potentiell die U7 und U8 betroffen wären, und am Ku'damm, wo die U3 verläuft.

"Uns geht es darum, dass die Infrastruktur in der Stadt funktioniert", sagte Kristian Ronneburg von den Linken dem rbb. Gerade der Alex sei eine "Lebensader" für Pendler. Auch die Grünen forderten, vor dem Weiterbau des Covivio-Turms zunächst an einem Runden Tisch mit den Verkehrsbetrieben, dem Senat und dem Bezirk Mitte die Herausforderungen des Projekts zu besprechen. Die Infrastruktur der Stadt dürfe nicht gefährdet werden.

Bausenator Geisel: Baustopp nicht nötig

Der Berliner Bausenator Andreas Geisel (SPD) jedoch hält einen Baustopp nicht für nötig. Die knapp vier Zentimeter tiefe Senkung am Alex sei zwar gravierend. Es gebe aber technische Lösungen. Bauphysikalisch seien diese sogenannten Setzungen "nahezu üblich", nicht nur bei Hochhäusern, so Geisel. Auch beim Bau der James-Simon Galerie oder des Neuen Museums sei es zu Absenkungen gekommen. Zuletzt wurde die Warschauer Brücke extra mehrere Zentimeter angehoben, weil man beim Bau des Amazon-Towers mit einer entsprechenden Senkung gerechnet hatte, so Geisel.

Julian Schwarze, Sprecher der Grünen für Stadtentwicklung, lässt das Argument nicht gelten. "Wenn es Setzungen gibt und das von vornherein klar ist, dann muss doch die Frage sein: Warum wurden hier keine Maßnahmen eingeleitet, dass die U-Bahn nicht unterbrochen wird?", sagte er dem rbb.

U-Bahnlinie U2 mit UnterbrechungenU-Bahn-Pendelverkehr auf der U2

Hines baut Tunnelröhren neu

Ein Projekt, das als positives Beispiel für hohes Bauen über U-Bahnlinien voran gehen könnte, ist der geplante Turm des US-Investors Hines am Alexanderplatz. Nachdem die BVG im Planverfahren Widerspruch gegen das Projekt eingelegt hatte, einigten sich Hines und BVG darauf, dass der Investor zuerst beide Tunnelröhren der U5 direkt neben seinem Grundstück auf 75 Metern komplett neu baut. Kostenpunkt: rund 40 Millionen Euro. Erst dann darf Hines anfangen, seinen Turm zu bauen.

Geisel will lieber hohe als breite Türme

Diskussionen gibt es allerdings noch über die Höhe des Hines-Turms. Ursprünglich wollte Hines 150 Meter hoch bauen. Die Linke und die ehemalige Senatsbaudirektorin Regula Lüscher hatten aber eine Verkleinerung auf 130 Meter gefordert – damit der Fernsehturm besser zur Geltung kommt.

Um weiterhin auf die geplante Bruttogeschossfläche zu kommen, mit der Geld verdient werden kann, müsste der Investor damit seine Pläne ändern – und höchstwahrscheinlich breiter werden. Laut Bauverwaltung finden derzeit noch Gespräche mit dem Investor statt.

Geisel betonte aber schon einmal, er sei ein Verfechter des hohen und dichten Bauens, um die Grünflächen und Freiflächen der Stadt zu schützen. Das Thema Klimaresilienz sei von entscheidender Bedeutung, deshalb müsse der Flächenverbrauch eingeschränkt werden. "Lange hohe Türme sind natürlich eleganter. Ich bin für schöne Türme", so Geisel.

Ein Passpunkt für die Kontrollmessung ist am 20.10.2022 auf dem U-Bahnhof Alexanderplatz zu sehen (Quelle: imago images/Dirk Sattler)Ein Passpunkt für die Kontrollmessung im U-Bahnhof Alexanderplatz

Wohl noch wochenlange Einschränkungen

Der französische Bauherr soll nun in der kommenden Woche ein erstes Konzept vorstellen, um nach den Absenkungen den Tunneluntergrund zu verdichten und den betroffenen Gleisabschnitt auf das ursprüngliche Niveau anzuheben.

Die BVG werde das Konzept dann in enger Abstimmung mit der technischen Aufsichtsbehörde und den behördlich beauftragten Gutachtern bewerten. "Sollte es [das Konzept] geeignet sein, wird die Umsetzung nach erster fachlicher Einschätzung ebenfalls noch mehrere Wochen benötigen", teilte die BVG mit. Erst danach könnten Maßnahmen zur U2 entschieden werden.

Unabhängig von der nötigen kurzfristigen Sicherung des Tunnels werde es weitere Reparaturarbeiten am Tunnelbauwerk geben müssen, um die durch die Setzung entstandenen Risse zu beheben. "Ob und in welchem Umfang für die Reparaturen Einschränkungen im U-Bahnbetrieb nötig sein werden, können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen", so ein BVG-Sprecher.

Sendung: rbb24 Abendschau, 21.10.2022, 19:30 Uhr

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Beitrag von Franziska Hoppen und Boris Hermel

17 Kommentare

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  1. 17.

    Es ist ja nicht das erste Mal, das Inverstoreninteressen über die Sicherheit bereits vorhandener Bauwerke gestellt werden. Erinnert sich noch jmd. an die Bauschäden an der Friedrichswerderschen Kirche aufgrund der Bautätigkeit rundherum?
    Die war dann 8 Jahre zu. Ich hoffe inständig, dass es bei der U2 nicht so lange dauern wird.
    Angesichts solcher Fälle fühle ich mich doch sehr der garstige Spruch, mit dem das Bauwesen der DDR des öfteren mal bedacht wurde: "Ruinen schaffen ohne Waffen", erinnert.

  2. 16.

    Genau so ist es.
    Aber die gutste Regula Lüscher wollte sich ja unbedingt als Architektin profilieren. Und in Berlin hat man es ihr gestattet.
    Nun wird ja auch noch das Herz von Berlin-West verschandelt werden. Hochhäuser! Wer braucht sie und wozu? Sie sind Ziel und Quelle von Verkehrsbedürfnissen.
    Ich hoffe, dass das mal die nicht lesenden Planungsingenieure und völlig ahnungslosen Bescheider/Abstempler endlich mal begreifen!

  3. 15.

    Das wäre früher oder später sowieso passiert. Jetzt kann man diese Bewegung des Untergrunds beheben und einfach weiter bauen. Wir freuen uns schon auf die zahlreichen neuen Bauten auf dem Alexanderplatz und die U2 Tunnel waren sowieso in die Jahren gekommen, sodass die U2 dann nach der Sanierung hoffentlich schneller durch die neue Röhre rauschen kann statt bisher. Eventuell sogar autonom?

  4. 14.

    Es wäre sinnvoll, auf Hochhausbauten über U-Bahn-Tunneln zu verzichten. Ein funktionsfähiger ÖPNV muss Vorrang haben vor privaten Bauprojekten.

  5. 13.

    Tut mir leid, aber für mein Empfinden sind das gravierende Gründe, einen Bau über Tunnel zu überdenken und möglichst einzuschränken. Der Druck, der durch so ein hohes Gebäude auf dem Untergrund lastet, hat innerhalb kurzer Zeit zu 4 cm, also technisch relevant für einen sicheren Bahnbetrieb, geführt.
    Mich würde ja ausserdem sehr stark interessieren, ob die verursachten Schäden und Betriebsausfälle vom Bauherren finanziell getragen werden.
    Ich hoffe, da sind Statiker am Werk, die wissen, was sie tun.
    Ich gebe der Linken ja nicht gerne Recht, aber hier gehe ich mit.

  6. 12.

    Nun weiß ja wohl jeder Berliner, dass der Alexanderplatz einem Schweizer Käse ähnelt und Berlin auf Stelzen gebaut wurde (Urstromtal). Wie man dort über die U-Bahn solche wuchtigen Häuser stellen kann, ist mir völlig unklar.
    Ich hoffe das endet nicht wie in Köln...

  7. 11.

    Der Herr Geisel war schon als Innensenator unfähig und er wird es auch in seiner jetzigen Position bleiben kein Wunder das vor seinem Wohnort Polizei präsent ist

  8. 10.

    "...dass die knapp vier Zentimeter tiefe Absenkung bei Covivio zwar gravierend sei, es aber technische Lösungen gebe."
    Man muss diese technische Lösungen aber auch wollen. Darf man annehmen, dass sie dem Bauherren zu teuer gewesen wären?
    Die (in diesem Fall natürlich erst noch zu erwartenden) Gewinne werden wieder einmal privat einkassiert, die Lasten trägt die Allgemeinheit.

  9. 9.

    typisch Politiker-Reaktion: keine Ahnung aber Baustop bzw. Baueinschränkungen über U-Bahn Tunneln für unnötig erachten. "Absenkungen von diesen Bauwerken ist üblich"
    4 cm ist normal??
    Wem will der Herr Senator nicht weh tun. Öffentliche Gelder kann man ja ruhig verschwend ...
    Auch in Zukunft!
    Vielen Dank Herr "Bausenator"!!

  10. 8.

    Hallo,
    Wenn der Tunnel einstürzt wissen wir wenigstens Wer schuld ist!

  11. 7.

    Liebes rbb24-Team,
    da ist euch ein Formulierungsfehler unterlaufen!
    Da das nicht meine "Tages-/Rennstrecke" ist, wurde ich stutzig.
    Also mal selber nachgucken, ob das so geht, wie Ihr es beschrieben habt!
    Seit Bekanntwerden der Absenkung vor zwei Wochen pendelt die U2 deshalb zwischen Senefelder Platz und Klosterstraße.

    Also Vorschlag zur Rettung: ab Senefelder Platz (nach Norden) und ab Klosterstraße (Richtung PP)

  12. 6.

    Wer zahlt da? Der Bauträger?

  13. 5.

    Gott sei Dank, wurde das bemerkt. Eine Katastrophe, wenn bei Fahrbetrieb der Tunnel eingestürzt wäre.

    Viel Glück der BVG bei den Reparaturarbeiten.

  14. 4.

    Man sollte denn Tunnel erst nach dem Bau reparieren

  15. 3.

    In Köln beim unterirdischen Stadtbahnbau stießen die Bauleute auf bauliche Reste der Römerzeit, die in keiner Karte verzeichnet waren; die aktuellste Karten diesbezüglich waren gut hundert Jahre alt und nach den damaligen Erkundungsmethoden erstellt worden. Die Improvisation, die Spundwand am Hindernis enden zu lassen und hinter dem Hinternis wieder beginnen zu lassen, hat dann zur Instabilität geführt und zum schließlichen Zusammenbruchs des Kölner Stadtarchivs.

    Hier aber ist im Untergrund alles vermessen und kartiert, auch die Behörden haben Zugriff darauf und der Bauherr auch. Folglich besteht das Wagnis nicht im Übermut durch Unwissen, sondern in der geschäftlich einträglichen Spekulation vorbei am umfänglichen Wissen. Ich hoffe, dass der Bauherr, der ja ganz offensichtlich Druck gemacht hat, für die Mehraufwendungen geradesteht.

  16. 2.

    Generellen Stopp für diese das Stadtbild weiter verschandelnden Hochhäuser am Alex! Wie konnte so ein Schwachsinn genehmigt werden?

  17. 1.

    Alles sehr gut und richtig. Aber warum klappt es mit den Anschlüssen an der Klosterstraße nicht?

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