Prozess in Berlin-Tiergarten - Klima-Demonstrant zu Geldstrafe in Höhe von 1.350 Euro verurteilt

Mi 30.11.22 | 16:23 Uhr
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Der Angeklagte (r) sitzt im Prozess wegen Beteiligung an Klima-Blockaden neben Gregor Gysi (Die Linke), Anwalt und Mitglied des Deutschen Bundestages. (Quelle: dpa/F. Sommer)
Audio: rbb24 Inforadio | 30.11.2022 | Ulf Morling | Bild: dpa/F. Sommer

Das Amtsgericht Tiergarten hat am Mittwoch einen Klimaschutz-Demonstranten zu einer Geldstrafe von 1.350 Euro verurteilt. Der Student habe sich der Nötigung, des Widerstands sowie des Hausfriedensbruchs schuldig gemacht, begründete das Amtsgericht Berlin-Tiergarten am Mittwoch seine Entscheidung.

Der 24-Jährige hatte zugegeben, sich an mehreren Straßenblockaden der Gruppe "Letzte Generation" beteiligt zu haben. Er habe sich wegen des Klimanotstands den Protesten
angeschlossen, erklärte der Student.

Gysi: Dasitzen ist keine Gewalt

Der Angeklagte wurde vom Berliner Linke-Politiker und Rechtsanwalt Gregor Gysi vertreten. Gysi kündigte Rechtsmittel gegen die Entscheidung an - "es geht hier um Grundfragen". In seinem Plädoyer hatte er gefordert: "Sie sollten den Mut haben, ihn freizusprechen." Der Angeklagte habe gestört, "weil er Angst hat". Die Wut von Autofahrern, die von verursachten Staus betroffen sind, könne er verstehen, so Gysi.

Im Kern sei es eine Spontandemonstration. Das Versammlungsrecht habe "Vorrang vor dem Recht, sich mit dem Auto irgendwo hinzubewegen". Sein Mandant habe sich nicht strafbar gemacht - "Dasitzen ist keine Gewalt".

Der Politiker und Jurist kündigte am Rande an, er werde den Prozess nutzen, "um bei der Bundesregierung vorstellig zu werden, dass sie anders auf die junge Generation zugehen soll". Ein anderes Verhältnis zwischen den Generationen sei erforderlich - "wir Alten müssen lernen ihnen zuzuhören".

Mehrere Male auf Fahrbahn festgeklebt

Der 24-jährige Demonstrant hatte sich laut Ermittlungen an acht Straßenblockaden in der Zeit von Januar bis Juni dieses Jahres beteiligt. Es sei zum Teil zu erheblichen Staus gekommen. Sechs Mal habe sich der Angeklagte mit Sekundenkleber an der Fahrbahn
festgeklebt. Außerdem habe er sich in einem Vorraum des Bundesjustizministeriums an einer Demonstration beteiligt.

Der Angeklagte erklärte, er störe ungern und entschuldige sich bei den betroffenen Menschen, "aber nicht dafür, dass ich für den Erhalt unserer Gesellschaft demonstriert habe". Das Gericht verhängte eine Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15 Euro. Der Staatsanwalt hatte 110 Tagessätze zu je 15 Euro gefordert.

Die Berliner Justiz ist inzwischen mit einer Vielzahl von Verfahren im Zusammenhang mit Blockadeaktionen der Gruppe "Letzte Generation" befasst. Ebenfalls am Mittwoch wurde gegen einen weiteren 24-Jährigen wegen Nötigung in einem Fall eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 15 Euro verhängt. Auch dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Sendung: Fritz, 30. November 2022, 06:00 Uhr

84 Kommentare

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  1. 84.

    Schöner Versuch. Aber Sie "und einige Bekannte aus Berlin" sollten dann eben besser nicht DIE LINKE wählen.

    Gregor Gysi handelt hier zwar als Anwalt - aber andererseits ist es auch das Beste was von der DIE LINKE in der letzen Zeit praktisch gekommen ist: Kritik an der Praxis der Klimablockierer haben, aber solidarisch sein wo es richtig und notwendig ist.


  2. 83.

    Herr Gysi ist nicht nur Politiker, sondern eben hier Rechtsanwalt und Strafverteidiger. Als solcher setzt er sich nicht für "diese Truppe" ein, sondern für seinen Mandanten, das ist sein Job. Im Rechtsstaat im Gegensatz zur Lynchjustiz hat jede/r das Recht auf professionelle Verteidigung, auch Mörder, Kinderschänder und Vergewaltiger!

  3. 82.

    Auch für Sie nun dies, während Sie davon träumen den Rechtsstaat zu zertrümmern:

    "Faktisch ist der Präventivgewahrsam wegen nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar drohender Straftaten eine Maßnahme des Feindstrafrechts und als Verletzung rechtsstaatliche Grundsätze und als zumindest verfassungsrechtlich bedenklicher Eingriff in die Freiheitsrechte zu werten, da es sich um eine Freiheitsentziehung ohne Straftat handelt."

    "Feindstrafrecht ist eine 1985 vom deutschen Strafrechtler und Rechtsphilosophen Günther Jakobs vorgeschlagene Bezeichnung für ein Strafrecht, das bestimmten Gruppen von Menschen die Bürgerrechte versagt und sie als Feinde der Gesellschaft oder des Staates außerhalb des für die Gesellschaft geltenden Rechts stellt. Im Feindstrafrecht sind alle zur Verfügung stehenden Mittel erlaubt. Es ist deshalb kein Strafrecht im herkömmlichen Sinne, sondern ein von rechtsstaatlichen Bindungen befreites Instrument zur Gefahrenabwehr"

  4. 81.

    Wieviele Beispiele aus der Rechtssprechung benötigen Sie, um zu erkennen, dass das zwar so sein sollte, aber eben nicht so ist. Es gab sogar schon 7 Bewährungsstrafen in Folge. Recherchieren dürfen Sie gerne selbst.

  5. 80.

    "Die Kleber mit Fahrerlaubnis dürfen demnächst auch alle brav zur MPU, denn wer sich auf Strassen klebt hat seine Nichteignung zum Führen von Kfz mehr als deutlich unter Beweis gestellt."

    So, so. Und was ist mit Autofahrern, die keine Rettungsgasse bilden oder notorisch Falschparken? Nein, das ist kein whataboutism, das zeigt den Fehler ihrer Gedankengänge auf, die eindeutig politisch motiviert sind.

    Eine politische Justiz hatten wir bis 1945, in der DDR sogar bis 1989.

  6. 79.

    Aha, aber Anderen sprechen Sie pauschal ab, mindestens die gleichen Beiträge zum Umweltschutz zu leisten, weil Sie ja schließlich im Besitz der alleinigen Wahrheit sind und überhaupt der bessere Mensch (?). Das, was Sie leisten, tun Hunderttausende Andere auch, ohne sich damit zu brüsten, wie toll sie doch sind. Alleine, dass Sie überhaupt in einer vollständig geheizten Wohnung sitzen, bei Bedarf ein Kraftfahrzeug nutzen, sich mit ausreichend Lebensmitteln aller Art versorgen lassen und im Internet surfen, verursacht bereits mehr CO2, als es der Großteil der Weltbevölkerung noch tut. Dieser Teil möchte diese Segnungen aber auch erreichen und wird dies sogar tun, ob wir das wollen oder nicht.

  7. 78.

    Absolut richtig, zumal staatliche Gewalt immer auch verhältnismäßig sein muss und dem Bürger frei steht, dies juristisch überprüfen zu lassen. Eine Ampel dient somit der Verkehrslenkung, nicht dem Unterbinden von Verkehr. Eine dauerrote Ampel darf demnach nach angemessener Wartefrist sogar vorsichtig überfahren werden. So etwas mit Blockaden vergleichen zu wollen, wie manche es hier tun, ist schon arg weit hergeholt.

  8. 77.

    Sie verharmlosen leider nichtkörperliche Gewalt, indem Sie nur physische Gewalt als eindeutig hinstellen. Körperliche Gewalt ist aber eben nur ein kleiner Bestandteil von verbotener Gewaltausübung und wenn jemand faktisch festgehalten wird, weil er am Fortkommen gehindert wird, dann ist das eindeutig auch eine Form von ausgeübter Gewalt und zudem die daraus entstehenden Folgen für die Blockierer überhaupt nicht steuerbar. Es geht schon los mit einfachen Dingen, dass einer der Blockierten zur Toilette muss oder vielleicht ein Diabetiker daran gehindert wird, nach Hause zu kommen, um rechtzeitig etwas zu essen. "Selbst Schuld" ist dafür kein Bagatellisierungsgrund. Es geht nicht nur immer um das Behindern von Rettungsmitteln, zumal auch das nicht einfach mit dem Argument "Rettungsgasse" abgetan werden kann. Rettungsgassen sind dafür da, dass Hilfe an eine Unfallstelle vor dem Stau kommt, aber auch sie behindert Rettungskräfte.

  9. 76.

    Nach der Geldstrafe kommt die Bewährung und nach der Bewährung die Haftstrafe. Auch in Berlin, keine Bange. Die Kleber mit Fahrerlaubnis dürfen demnächst auch alle brav zur MPU, denn wer sich auf Strassen klebt hat seine Nichteignung zum Führen von Kfz mehr als deutlich unter Beweis gestellt. Unser Rechtsstaat mag zwar zäh reagieren, aber rechtstaatliche Schmankerl für die Kleber gibt es genug.

  10. 75.

    Ich habe in meinem Beitrag ja die ganze Palette der Abstufung erfahrener, empfundener und ausgeübter Gewalt dargestellt. Das andere überlasse ich den Interpretationskünsten einschlägiger Juristen.

  11. 74.

    Sehr guter Ratschlag. Das habe ich mit einigen Aktiven diskutiert. Dafür bräuchte es aber mehr Leute. Wir könnten uns dann unterstützend anschließen!? Über den dringenden Handlungsbedarf ist sich die Mehrheit einig. Lieber mit den Verantwortlichen wo auch immer konstruktiv reden, als Autofahrer*innen auf die Nerven zu gehen.

  12. 73.

    Nötigung ist auch eine Form von Gewalt, zumal hier bewusst die Fahrzeuge in der ersten Reihe als Werkzeug gegen die folgen eingesetzt werden. Das BVerfG hat die Zweite-Reihe-Rechtsprechung des BGH zur Nötigung durch eine Sitzblockade bestätigt. Die Straftäter der Letzen Generation maßen sich das Recht an, Gewalt ausüben zu dürfen, um politische Ziele zu erreichen. Die Verkehrsampel dem gegenüber stellt "der Staat" als demokratisch legitimierter Inhaber des Gewaltmonopols auf,

  13. 72.

    Der Unterschied dürfte allein darin begründet sein, dass ein Warten in einem geschützten Auto ein geringeres Übel darstellt, als in einer Fußgängerzone den Kotflügel eines Autos in die Seite zu bekommen. Denn Fußgängerzonen zeichnen sich nun einmal dadurch aus, dass nicht jede Sekunde nach allen Seiten geschaut werden muss, sondern seitens von Kindern bspw. auch einmal rumgetollt werden darf.

    Deshalb ist der angenommene Fall - ob nun real oder nicht - vglw. schwerwiegender als die Herbeiführung eines Staus. Der vorrangige Schutz der körperliche Unversehrtheit können Sie bspw. auch daran ablesen, dass von Kfz. zu Kfz. ein geringerer Abstand eingehalten werden muss als beim Abstand Kfz. zu Mensch. Viele missverstehen den dahinterliegenden Sinn grundlegend und so strampeln sich alle Verkehrssicherheitsmaßnahmen oft genug recht hilflos ab.

  14. 71.

    (...)welchen Beitrag leisten Sie persönlich (...)

    Gehen Sie von dem aus, wovon Sie nicht ausgehen wollen. Aber überwinden Sie sich. Ist nur die andere Seite einer Pauschal-Annahme über Ihr Gegenüber zum Start eines Diskurses.
    Ich leiste so gut ich kann, so gut es mir die ökonomischen, sozialen, politischen Verhältnisse erlauben meinen Beitrag.
    Leider erfahre ich da wenig Unterstützung durch jene die die ökonomisch-ökologischen Verhältnisse einrichten. Die sich damit wiederum nur halten können, weil eine Mehrheit die Klimakrise für eine überdrehte Annahme hält.
    Ich bin nun in meinem 62. Jahr. War schon ein politisch bewusster Mensch, als die Studie "Global 2000" des Club of Rome erschien.
    Ich teile mir z.B. mit 10 Menschen ein KFZ. Werde dafür aber regelmässig mit Tickets bestraft, weil man für ein KFZ nicht mehrere Parkvignetten für die an diesem Privatsharing Teilnehmenden Bewirtschaftungszonen erwerben kann. Bleibe aber dennoch dabei. Weil es richtig ist.


  15. 70.

    (...)welchen Beitrag leisten Sie persönlich (...)

    Gehen Sie von dem aus, wovon Sie nicht ausgehen wollen. Aber überwinden Sie sich. Ist nur die andere Seite einer Pauschal-Annahme über Ihr Gegenüber zum Start eines Diskurses.
    Ich leiste so gut ich kann, so gut es mir die ökonomischen, sozialen, politischen Verhältnisse erlauben meinen Beitrag.
    Leider erfahre ich da wenig Unterstützung durch jene die die ökonomisch-ökologischen Verhältnisse einrichten. Die sich damit wiederum nur halten können, weil eine Mehrheit die Klimakrise für eine überdrehte Annahme hält.
    Ich bin nun in meinem 62. Jahr. War schon ein politisch bewusster Mensch, als die Studie "Global 2000" des Club of Rome erschien.
    Ich teile mir z.B. mit 10 Menschen ein KFZ. Werde dafür aber regelmässig mit Tickets bestraft, weil man für ein KFZ nicht mehrere Parkvignetten für die an diesem Privatsharing Teilnehmenden Bewirtschaftungszonen erwerben kann. Bleibe aber dennoch dabei. Weil es richtig ist.


  16. 69.

    Da muss ich Sie leider enttäuschen. Es ist kein Fake. Passiert in Brandenburg an der Havel.

  17. 68.

    @ an alle sich hier zu Wort meldenden Möchtegern-Demokraten: zum Urteil kann jeder stehen, wie er/sie will. Aber die Arbeit eines Anwaltes der Verteidigung ist es nunmal, seinen Mandanten 'rauszuhauen'. Alles andere wäre ja...- na da wären wir schon wieder in anderen Zeiten. Habe den Eindruck, der eine oder andere hier wünscht sich aber gerade das.

  18. 67.

    @ Herr Bodeler, nehmen Sie es mir bitte nicht übel, aber das glaube ich so(!) nicht.

  19. 66.

    Das betrifft zweifellos die direkte, körperliche Gewalt i. S. einer körperlichen Schädigung eines Menschen. Ansonsten ist das Erfahren einer Ge-Walt sehr fließend: Nahezu in jedem Walten steckt eine Form der Gewalt, meistens vglw. harmlos, manchmal auch mit weitreichenden Konsequenzen verbunden.

    Verkehrsampeln werden als etwas Gewaltiges empfunden, bspw. von Menschen, die für sich dauerhaft freie Fahrt reklamieren u. am Liebsten ihre persönl. Grünphase schalten möchten. Die allerdings war nur dem SED-Politbüro vergönnt. Andere traktieren Antragsteller mit dem Herbeiziehen einschlägiger Paragraphen u. machen sich nicht einmal die mindeste Mühe, irgendetwas davon verständlich zu erklären.

    Der rechtssicher formulierte Bescheid ist Garantie für die Staatsverdrossenheit sehr vieler Menschen.

    Die Aktionsform kann ich aus meiner Empfindung heraus nicht gutheißen, u. a. , weil mir zu viel "In-group-Verhalten" da drin steckt. Die Ahndung sollte nicht außerverhältnismäßig sein.

  20. 65.

    Zum Einen, wieder die Frage, wo endet legaler Protest, wo ist Grenze zur Gewalt? Aus Ihren vergangenen Beiträgen ist zu entnehmen, dass Sie die Grenze der Gewalt wohl nicht kennen, da Sie Gewalt gegen Sachen und gegen Menschen wohl als legale Protestform ansehen:
    Zum Zweiten, welchen Beitrag leisten Sie persönlich im Kampf gegen die Klimaerwärmung. Also wo üben Sie Verzicht oder ändern Ihre Lebensgewohnheiten? Oder wollen später sagen: Die Anderen waren es, ich habe protestiert nicht gehandelt!

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