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Quelle: dpa7Klaus-Dietmar Gabbert

Rechte und Pflichten

Krank zur Arbeit - was ist wann erlaubt?

Die einen bleiben bereits bei leichten Halsschmerzen zu Hause, andere schleppen sich trotz heftiger Symptome zur Arbeit. Aber was ist eigentlich richtig? Die Rechtslage sagt: Wer sich fit fühlt, darf arbeiten - selbst wenn der Arzt anderer Meinung ist.

Ob Halsweh oder gebrochener Fuß - auch krankgeschrieben arbeiten viele Berufstätige weiter. Jeder zweite Beschäftigte geht manchmal oder sogar häufiger krank zur Arbeit, wie eine Umfrage der Techniker-Krankenkasse im Jahr 2021 ergab [tk.de]. Frauen neigen demnach mehr dazu als Männer.

Auch die Erfahrungen mit dem Infektionsschutz während der Corona-Pandemie hätten nichts an der Gewohnheit geändert, auch krank im Job zu erscheinen, sagte Gerd Herold, Beratungsarzt bei der Betriebskrankenkasse Pronova BKK, kürzlich der "Ärztezeitung" [aerztezeitung.de]. "Manche haben Sorge, als faul zu gelten oder den Kolleginnen und Kollegen die Vertretung zuzumuten."

Fast jeder zehnte Corona-Erkrankte erscheint einer Umfrage zufolge bei einem milden Verlauf im Betrieb - trotz positivem Test. Neun Prozent der Erkrankten gehen weiterhin zur Arbeit, 17 Prozent arbeiten von zu Hause aus, weitere 17 bleiben ein paar Tage zu Hause bis die schlimmsten Symptome vorüber sind, wie sich aus der repräsentativen Studie "Arbeiten 2022" der Pronova BKK ergibt.

Aber: Darf man eigentlich krank weiterarbeiten? Und wann muss man weiterarbeiten?

Trotz positiven Tests

Fast jeder zehnte Corona-Infizierte geht krank zur Arbeit

Krankschreibung ist kein Arbeitsverbot

Laut geltender Rechtslage muss ein Arbeitnehmer auch dann trotz Krankheit seine Arbeitsleistung zur Verfügung stellen, wenn er dazu in der Lage ist, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen - und sofern er keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) vom Arzt hat. Ein eingegipstes Bein könnte einen am Büroschreibtisch Sitzenden vielleicht nicht an der Arbeit hindern, den Zimmermann auf jeden Fall.

Die Krankschreibung des Arztes ist dabei kein Arbeitsverbot, sondern gilt vor allem als Prognose für den Krankheitsverlauf. Sie stellt klar, dass der Arbeitnehmer aktuell krank ist und nicht unbedingt in der Lage ist, seine berufliche Tätigkeit auszuüben. Wer sich also arbeitsfähig fühlt, darf trotz Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch wieder arbeiten. Dafür muss die Krankschreibung auch nicht vom Arzt aufgehoben werden.

Krankgeschrieben zu arbeiten ist für den Arbeitnehmer auch versicherungsrechtlich - was die Unfall- und die Krankenversicherung betrifft - unbedenklich. Ausnahme: Beschäftigungsverbote, wie sie beispielsweise für Schwangere erteilt werden. Auch für Corona-Infizierte gibt es weiterhin besondere Regelungen in den Corona-Verordnungen der Länder.

Grundsätzlich gilt: Wenn Aktivitäten den Krankheitsverlauf nicht verschlimmern bzw. die Heilung nicht verzögern, darf der Arbeitnehmer die Zeit seiner Krankschreibung frei gestalten - sofern es seiner Genesung zuträglich ist. Ausnahme: wenn der behandelnde Arzt Bettruhe verordnet hat.

Sonderregelung verlängert

Krankschreibungen per Telefon bis Ende März 2023 möglich

Nicht auskurieren bedeutet auch ein Risiko

Trotzdem sollte immer bedacht werden: Wer entgegen ärztlichem Rat krank weiterarbeitet, riskiert unter Umständen insgesamt höhere Ausfallzeiten durch den "Bumerang-Effekt" oder negative Auswirkungen im späteren Berufsleben. Im Zweifel können diese sogar in eine Frühverrentung münden. Werde eine Erkrankung verschleppt, steige das Risiko für eine schlimmere oder langwierigere chronische Erkrankung, sagte Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK, der "Apotheken Umschau". Aus einer Erkältung könne sich möglicherweise eine Lungen- oder gar eine Herzmuskelentzündung entwickeln. Nicht auskurierte Knieverletzungen können beispielsweise Arthrose oder andere dauerhafte Schäden am Gelenk begünstigen.

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Formelle Regeln und Fristen

Bis zu drei Kalendertage dürfen Angestellte im Krankheitsfall in der Regel ohne Attest krank zuhause bleiben. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, den Arbeitgeber unverzüglich über eine Krankmeldung (mit oder ohne AU) zu informieren – per Telefon und zusätzlich per E-Mail, um einen schriftlichen Nachweis vorliegen zu haben.

Wer beim Arzt war und eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bekommen hat, muss dem Unternehmen diese spätestens nach dem dritten Kalendertag, also am vierten Tag, vorlegen. Der Arbeitgeber kann die Bescheinigung jedoch auch schon früher verlangen. Die Art der Erkrankung ist darauf nicht vermerkt, die voraussichtliche Dauer der Erkrankung aber schon.

Was Arbeitnehmer antreibt

Bei der Entscheidung von Arbeitnehmern, sich krank zu melden oder krankschreiben zu lassen, sei "die Schwere der Erkrankung ein entscheidender Faktor", sagte die Arbeitspsychologin Carolin Dietz von der Technischen Universität Chemnitz dem Westdeutschen Rundfunk [wdr.de] im Oktober. Mit einer manifesten schweren Erkrankung gehe man eher gleich zum Arzt. Wer sich noch frage, ob er krank genug sei, um sich krankzumelden oder ob er noch arbeiten könne, beispielsweise bei leichten Kopfschmerzen, arbeite oft noch weiter.

Bei der Entscheidung spielten aber auch die Arbeitsbedingungen eine große Rolle, sagte Dietz, zum Beispiel wie hoch der Druck sei oder wie groß der Spielraum, sich die Arbeit einzuteilen.

Prekäre Verhältnisse befördern "Präsentismus"

Mit "Präsentismus" ist gemeint, dass Arbeitnehmer trotz Gesundheitsbeschwerden weiterarbeiten. Dabei gehe es nicht nur um das Erscheinen am Arbeitsplatz, sondern beispielsweise auch um das Arbeiten trotz Krankheit aus dem Homeoffice, erklärte die Arbeitswissenschaftlerin Daniela Lohaus im Juni im Hessischen Rundfunk [ardmediathek.de].

Antrieb dafür sei oft die Wahrnehmung oder die Tatsache, unverzichtbar zu sein. Das gelte beispielsweise für Menschen, die in der Pflege und anderen, vielfach unterbesetzten sozialen Bereichen arbeiten. Auch Selbständige, denen sonst Einkommenseinbußen drohen, seien betroffen, sagte Lohaus.

Die Pandemie habe zwei unterschiedliche Trends erzeugt, sagte Arbeitswissenschaftlerin Lohaus. Die Menschen hätten sich mehr mit ihrer Gesundheit beschäftigt und ihre Wahrnehmung geschärft. Andererseits nähmen prekäre Arbeitsverhältnisse aber weiter zu, die "Präsentismus" förderten.

Lohaus warnte davor, den "Präsentismus" zu verteufeln. Wichtig sei, dass der Druck, auch krank in jedem Fall arbeiten zu müssen, nicht zu groß würde.

Das gilt für die Arbeitgeber

Im Unternehmen käme Führungskräften dabei eine wichtige Vorbildfunktion zu, so Lohaus. "Wenn die auch krank zur Arbeit kommen, dann machen das auch die Mitarbeitenden", sagte die Arbeitswissenschaftlerin dem Hessischen Rundfunk.

Insgesamt hat der Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht für seine Mitarbeiter und könnte beim Einsatz eines kranken Beschäftigten schadensersatzpflichtig werden. Unternehmen dürfen von krankgeschriebenen Mitarbeitern nicht verlangen, auch nur kleinere Aufgaben zu übernehmen; denn das könnte den Zustand des Arbeitnehmers verschlimmern.

Sendung: rbb 88.8, 31.10.2022, 08:20 Uhr

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