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Audio: Antenne Brandenburg | 04.01.2023 | Susanne Hakenjos | Quelle: rbb

Streit nach Betreiberwechsel

Was hinter der Räumung des Milower Seniorenheims steckt

Der Schock war groß, als kurz vor Silvester ein Seniorenheim in Milow innerhalb von Stunden evakuiert werden musste, weil die Mitarbeitenden streikten. Dahinter steckt eine verwirrende Geschichte um offenbar ungeklärte Mietverhältnisse. Von Simon Wenzel

Die Fakten der Geschichte auf einen Blick:

Der Streit um das Seniorenheim in Milow (Havelland) entwickelt sich zu einer verwirrenden und festgefahrenen Angelegenheit. Offenbar haben die bisherige Betreiberin der Einrichtung und der neue Mieter unterschiedliche Auffassungen über die Rechtskräftigkeit ihrer Verträge mit der Hausverwaltung. Das Haus ist deshalb polizeilich versiegelt und soll es bleiben, bis die Lage klar ist, wie ein Polizeisprecher erklärte.

Der Bürgermeister der Gemeinde Milower Land, Felix Menzel (SPD), sagte, die Lage sei derzeit auch für ihn unübersichtlich. "Wer ist Mieter, wer betreibt es weiter und wie? All das ist leider noch unklar", sagte Menzel dem rbb.

Die 21 Bewohnerinnen und Bewohner der Seniorenresidenz sind in anderen Einrichtungen untergebracht - vorerst allerdings nur temporär. Menzel sagt deshalb: "Das Wichtigste ist aus meiner Sicht für die Angehörigen, dass sie sich um einen neuen Pflegevertrag für die Bewohnerinnen und Bewohner kümmern - wo auch immer."

Rittergut Milow im Havelland

Altersheim komplett evakuiert, weil Pflegekräfte Arbeit niederlegen

Alle 21 Bewohner eines Seniorenheims im Havelland mussten am Donnerstag umziehen: Weil die Pflegekräfte ihren Dienst verweigerten, wurden die Senioren in andere Heime gebracht. Hintergrund ist offenbar ein Streit mit dem Betreiber.

Kein Mietvertrag seit Anfang 2021 aber eine Nutzungserlaubnis

Zu der festgefahrenen Situation konnte es kommen, weil Marita Käppler das Seniorenheim in Milow seit Anfang 2021 ohne einen Mietvertrag betrieb, wie rbb|24 von der Hausverwaltung erfuhr. Käppler bestätigt das.

Auf einen neuen Vertrag konnte sie sich mit der Eigentümergemeinschaft anscheinend nicht mehr einigen. Stattdessen gab es allerdings eine Nutzungsvereinbarung. Zahlungsverzug soll es nach Angaben der Hausverwaltung nicht gegeben haben, trotzdem entschied sich die Eigentümergemeinschaft offenbar dazu, das Haus anderweitig zu vermieten.

Der neue Mieter Oliver Paulick sagt, er habe einen zum 1. Dezember 2022 gültigen Mietvertrag abgeschlossen, die Hausverwaltung bestätigt das und sagt, dass daraufhin Marita Käppler mitgeteilt worden sei, ihre Nutzungserlaubnis werde zum Jahresende 2022 enden. Käppler sagt dazu nur, es habe bislang keine amtliche Räumungsklage gegeben und sie betrachte ihre Nutzungsvereinbarung deshalb weiter als gültig.

Das Brandenburger Landesamt für Soziales und Versorgung (LASV), dessen untergeordnete Behörde, die Aufsicht für unterstützende Wohnformen (AUW), die Einrichtung im abgelaufenen Jahr zwei Mal überprüft hatte, wusste offenbar nichts von der bevorstehenden Kündigung. Auf Anfrage teilt eine Sprecherin des LASV mit, dem Amt sei weder von Seiten des Eigentümers noch von Seiten der Betreiberin eine Kündigung des Vertrags der Pflegeeinrichtung bekannt gegeben worden.

Bisherige Betreiberin spielt auf Zeit, neuer Mieter macht Druck

Die bisherige Betreiberin Marita Käppler sagt rbb|24 zum aktuellen Stand des Konfliktes: "Für mich ist erstmal am wichtigsten, dass die Bewohnerinnen und Bewohner jetzt gut versorgt sind. Ich hoffe, dass sie dort, wo sie untergebracht sind, neue Verträge abschließen können, damit sie zur Ruhe kommen und nicht in ein hin und her geraten. Alles andere wird sich klären, wahrscheinlich müssen wir vor Gericht gehen". Aus ihrer Sicht sei noch nicht abzusehen, wie es weiter gehe mit dem Seniorenheim.

Oliver Paulick hat andere Pläne. Er ist nach eigenen Angaben bestrebt, schon in den nächsten Tagen Verträge mit den Angehörigen der Pflegebedürftigen zu vereinbaren und sagt, er hoffe, anschließend schnell wieder eine Einrichtung an selber Stelle eröffnen zu können. Allerdings in leicht veränderter Form, als betreutes Wohnen.

Er will die Wohneinheiten des bisherigen Pflegeheims künftig als Wohnungen an die Pflegebedürftigen vermieten und dann ambulante Pflege als buchbaren Service anbieten. Darüber habe er die Angehörigen der Pflegebedürftigen bereits informiert, so Paulick. "Wir haben uns jetzt mit denjenigen Angehörigen getroffen, die sagten, dass sie wieder zurück wollen, und werden mit denen Mietverträge abschließen", sagt Paulick rbb|24. Schon in den nächsten Tagen will er soweit sein. Sobald die Mietverträge mit künftigen Bewohnerinnen vorlägen, wolle die Hausverwaltung die Öffnung des versiegelten Hauses durch die Polizei vorantreiben und es anschließend ihm übergeben. Derzeit können weder der neue Mieter noch die bisherige Betreiberin ohne Weiteres in das Haus.

Ehemalige Mitarbeiter haben schon Verträge mit Paulick

Die Situation im Heim war am vergangenen Donnerstag (29.12.) eskaliert, nachdem die Angestellten der Einrichtung die Arbeit eingestellt hatten. Der Landkreis musste die 21 Bewohnerinnen und Bewohner daraufhin evakuieren.

Offenbar hatte es vor Ort eine Auseinandersetzung zwischen der bisherigen Heimleiterin und einer mutmaßlich künftigen Leiterin gegeben, wie die Polizei bestätigt. Die Schilderungen zu den genauen Vorfällen an diesem Tag unterscheiden sich allerdings teilweise stark. Die Polizei teilt auf Anfrage mit, es gebe inzwischen mehrere Anzeigen zu dem Vorfall. Eine wegen Körperverletzung sowie eine wegen des Verdachts auf Hausfriedensbruchs und des Verdachts der unterlassenen Hilfeleistung gegenüber den Pflegebedürftigen.

Ein ehemaliger Mitarbeiter des Seniorenheims, Eric-Christopher Petersen, sagte Antenne Brandenburg, er schäme sich für die Situation, die an dem Tag entstanden sei. Insgesamt zehn der ehemaligen Angestellten von Frau Käppler sollen nun bereits Arbeitsverträge mit dem mutmaßlichen künftigen Betreiber abgeschlossen haben, sagen Petersen und Oliver Paulick selbst.

Angehörige sollen bald Zugang zum Haus bekommen

Mit seinem Modell der Mietwohnungen plus ambulanter Pflege, könnte Paulick, der nicht aus der Pflege kommt, sondern hauptberuflich Immobilien-Sachverständiger ist, womöglich eine bürokratische Hürde umgehen. Als künftiger Betreiber eines Pflegeheims müsste er nämlich bei der zuständigen Behörde drei Monate vor Inbetriebnahme eine Pflichtanzeige machen.

Das hat er noch nicht getan, wie das LASV auf Anfrage mitteilt: "Derzeit liegt der Aufsicht für unterstützende Wohnformen keine schriftliche Anzeige der genannten Personen als neue Betreiber vor. Im telefonischen Kontakt wurde Herr Paulick auf die Anzeigepflicht und die notwendigen Nachweise hingewiesen", schreibt eine Sprecherin.

Die Frage ist, ob die von Paulick geplante Form des betreuten Wohnens überhaupt anzeigepflichtig wäre. Aktuell lässt sich das nicht eindeutig beantworten. Das LASV teilt dazu nur grundsätzlich mit, das Gesetz finde keine Anwendung auf "unterstützende Wohnformen, die selbstverantwortlich geführt werden oder Anlagen des betreuten Wohnens, deren Zweck nicht in der Erbringung von Pflege- oder Betreuungsdienstleistungen liegt", also auf klassische ambulante Pflege, die sich klar von einem Heimbetrieb abgrenzt.

Was Paulick plant ist nicht so eindeutig abzugrenzen: Eine Wohnungsvermietung mit zubuchbarer ambulanter Pflege, beides angeboten von einem Unternehmener für die ehemaligen Bewohner eines Pflegeheims an gleicher Stelle und größtenteils mit dem gleichen Personal - das könnte zumindest einen Graubereich darstellen. Was nicht bedeuten soll, dass Paulick das nicht machen dürfte, er müsste es nur möglicherweise anzeigen, statt wie bisher geplant einfach loszulegen.

Während viele Zukunftsfragen also noch ungeklärt sind rund um das Seniorenheim in Milow, dürfen sich immerhin die Angehörigen der ehemaligen Bewohnerinnen und Bewohner Hoffnung machen, bald die persönlichen Gegenstände aus dem Haus holen zu können. Laut Bürgermeister Menzel sollen sie in den nächsten Tagen benachrichtigt werden, wie und wann sie in das versiegelte Haus könnten. Das Ganze werde begleitet von Ordnungsbehörden. Er gehe unabhängig vom Ausgang der Rechtsstreitigkeiten davon aus, dass anschließend nicht alle der bislang betreuten Pflegebedürftigen nach Milow zurückkehren werden.

Sendung: Antenne Brandenburg, 04.01.2022, 11 Uhr

Beitrag von Simon Wenzel

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