Brand auf Potsdamer Brauhausberg - "Es kann sein, dass das Gebäude in sich zusammenfällt"
Das Feuer auf dem Brauhausberg in Potsdam hat dem früheren Landtagsgebäude massiv zugesetzt. Die Feuerwehr hält es für möglich, dass es vollständig einstürzt. Besonders fatal, denn es ist denkmalgeschützt und hat eine lange Geschichte. Von Kira Pieper
Das rbb Fernsehen sendet am Dienstag, 8. August, um 22 Uhr "Geheimnisvolle Orte - Der Brauhausberg in Potsdam"
- Feuer hat alten Plenarsaal völlig zerstört, Statik der verbliebenen Geschosse muss geprüft werden.
- Brandursache weiter unklar, die Ermittler können wegen Einsturzgefahr noch nicht ins Gebäude.
- Der Bau wurde einst 1902 fertiggestellt, im Laufe der Zeit unterschiedlich genutzt und stand zum Schluss leer.
- Der Eigentümer wollte bis 2026 auf dem Gelände ein Wohn- und Gewerbequartier errichten. Zu dem Brand will er sich vorerst nicht äußern.
Als die Einsatzkräfte der Feuerwehr Potsdam am Samstagnachmittag auf dem Brauhausberg eintreffen, quillt bereits dichter Rauch aus dem Dach des historischen Gebäudes. Zunächst hätten die Feuerwehrleute noch versucht, die Flammen direkt unter dem Dach zu bekämpfen, sagt Andreas Tausche, Einsatzleiter der Feuerwehr Potsdam, am Montag auf rbb-Nachfrage.
Vergeblich. Die Feuerwehrleute hätten sich zurückziehen müssen, denn innerhalb von zehn Minuten sei der Dachstuhl in Vollbrand gewesen und dann eingestürzt. "Wir haben dann mit Hilfe einer Drohne gelöscht. Mit Hilfe der Wärmebildkamera konnten wir die Hotspots sehen", so Tausche.
Ermittlungen wegen Verdachts auf Brandstiftung
Auch wenn noch keine Schadenssumme bekannt ist, das Ausmaß der Zerstörung ist nach Beschreibung des Einsatzleiters verheerend. Die beiden oberen Geschosse seien zerstört, sagt Tausche. "Der alte Plenarsaal ist faktisch nicht mehr da." Der Komplex könnte sogar noch weiter einstürzen, so der Brandexperte. "Die Giebelwände stehen frei und es ist Wind angesagt. Es kann sein, dass das Gebäude in sich zusammenfällt."
Nun müsse die Statik der Gebäudereste geprüft werden. Die Straße Am Havelblick sei aus Sicherheitsgründen gesperrt. Die Feuerwehr rät "dringend davon ab, das Gelände zu betreten".
Auch die Ursache für den Brand ist immer noch unklar. Denn die Begehung der Brandstelle sei wegen der Einsturzgefahr noch nicht möglich, sagte die Polizeidirektion West am Montag auf rbb-Nachfrage. Die Polizei ermittelt wegen des Verdachts der Brandstiftung.
Eigentümer will sich nicht äußern
Es ist schon das zweite Feuer auf dem Gelände innerhalb weniger Tage. Bereits Ende Juli hatte es im Nebengebäude des früheren Landtags in drei Räumen kleinere Feuer gegeben. Auch hier wird wegen des Verdachts der Brandstiftung ermittelt.
Der Eigentümer des Gebäudes – das Berliner Immobilienunternehmen Sanus AG – wollte sich zunächst nicht zu dem Vorfall äußern. "Zum jetzigen Zeitpunkt wollen wir uns erstmal mit den aktuellen Umständen vertraut machen", teilte Vorstandmitglied Jan Holstein schriftlich auf rbb-Nachfrage mit. Eigentlich möchte das Unternehmen auf dem Gelände ein Wohn- und Gewerbequartier errichten. 2026 sollte alles fertig sein.
Als "Reichskriegsschule" gebaut
Der Gebäudekomplex auf dem Brauhausberg hat eine lange Geschichte. Ende des 19. Jahrhunderts wählte Kaiser Wilhelm den Ort als Standort für seine neue "Reichskriegsschule" aus. Bauherr war der Kölner Architekt Franz Schwechten, der bereits die Gedächtniskirche in Berlin gebaut hatte. 1902, nach nur drei Jahren Bauzeit, wurde die "Reichskriegsschule" fertig und konnte der preußischen Armee übergeben werden.
Nach dem Ersten Weltkrieg durfte es im Deutschen Reich keine Kriegsschulen mehr geben. Das Gebäude wurde zum Reichsarchiv umfunktioniert. Schnell platzte es aus allen Nähten, ein Anbau musste her. Während der Umbauten wurde der als maßlos angesehene Turm von 64 auf 50 Meter gekürzt. Im Zweiten Weltkrieg konnten die Alliierten den Turm allerdings offenbar trotzdem noch ganz gut erkennen. Die Folge: Die Gebäude auf dem Brauhausberg wurden stark beschädigt.
Stolpe nannte Landtag "Bruchbude"
Das SED-Regime machte sich das Grundstück 1949 zu eigen, ließ die Trümmer wegräumen und baute das Gebäude provisorisch wieder auf. Bis zur Wende wurde hier die Parteizentrale untergebracht. Schon zu DDR-Zeiten war eine Grundsanierung des Gebäudes vorgesehen, die dann aber nicht mehr umgesetzt wurde.
Als nach der Wiedervereinigung 1991 der Brandenburger Landtag in die Gemäuer zog, sollte es eigentlich nur eine Übergangslösung sein. Diese sollte allerdings 23 Jahre andauern und zum Zankapfel werden. Der einstige Brandenburger Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) bezeichnete das alte Gebäude 2001 gar als "Bruchbude".
Wohl nicht ohne Grund: Im Keller tummelten sich die Ratten, die Zugänge zum Plenarsaal waren so schmal und baufällig, dass sich Politiker und Politikerinnen ständig verletzten, der Innenhof musste bei Sturm wegen herabfallender Ziegel gesperrt werden. Für Wärme sorgte noch die alte Niederdruckdampfheizung von 1902. Instandgesetzt wurde nur noch notdürftig, aber trotzdem teuer. Als im Dezember 2013 der Landtag endlich in den Neubau am Alten Markt zog, soll dem Vernehmen nach niemand so richtig traurig gewesen sein.
Russische Fahne im Sommer 2022
Seitdem stand das mittlerweile denkmalgeschützte Gebäude leer. Von 2015 bis 2018 waren dort Geflüchtete untergebracht. Dann macht das Gelände öfter wegen Vandalismus Schlagzeilen. Als im Sommer 2022 plötzlich eine russische Fahne auf dem Gebäude weht, fühlt sich zunächst niemand für das Entfernen verantwortlich.
Doch auch wenn das Gebäude in den vergangenen Jahren scheinbar mehr und mehr in Vergessenheit geriet oder Negativschlagzeilen machte, sagt Einsatzleiter Andreas Tausche, dass man dennoch eine große Anteilnahme in der Bevölkerung merke seit dem Brand. Die Rauchsäule sei nicht nur weit über der Stadt zu sehen gewesen. Das Bild sei auch mehrfach in den sozialen Netzwerken geteilt worden, so der Einsatzleiter.
Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 07.08.2023, 19:30 Uhr