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Quelle: Privat

#Wiegehtesuns | Die Krankenschwester

"Ich bin im Vergleich zu einigen Patienten noch gut weggekommen"

Nicht für alle ist mit den Lockerungen Corona vorbei. Einige kämpfen noch immer mit den Folgen ihrer Infektion, mit Long Covid. Eher jüngere Menschen und Frauen sind betroffen. Die Krankenschwester Jessica Pellny ist eine von ihnen. Ein Gesprächsprotokoll.

Das Coronavirus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Jessica Pellny ist 29 Jahre alt und wohnt in Bestensee. Seit sieben Jahren arbeitet sie als Krankenschwester in verschiedenen Berliner Krankenhäusern, im vergangenen Jahr vorwiegend auf der Intensivstation der Berliner Charité. Bis sie sich im Dezember selbst ansteckte.

Das letzte Jahr war das härteste Jahr. Der Personalmangel war vorher schon da, aber bei Corona wollten viele nicht arbeiten, etwa weil sie selbst Risiko-Patienten sind. Es war auch körperlich anstrengend: Die Schutzkleidung an- und ausziehen, die Bauchlagerungen. Das Personal läuft am Limit, viele haben Angst, sich anzustecken. Ich selbst hatte Angst, mich anzustecken.

Für die Patienten ist es schrecklich: Wir können sie und ihre Angehörigen nicht adäquat im Sterbeprozess betreuen. Die Angehörigen dürfen die Patienten nicht besuchen, sie sterben ganz allein.

#Wiegehtesuns | Ehrenamtliche

"Irgendjemand muss doch hinsehen"

Rund 150 Menschen suchen täglich die Bahnhofsmission am Berliner Ostbahnhof auf. Seit 18 Jahren arbeitet Rosemarie Franke dort ehrenamtlich. Auch hier hat Corona seine Spuren hinterlassen, sagt sie. Ein Gesprächsprotokoll.

Ich werde nie vergessen, wie ich arbeiten war, es war ein echt harter Dienst und vor dem Brandenburger Tor haben die Corona-Gegner demonstriert. Sie sind an der Charité in Mitte vorbeigelaufen. Da haben die Leute gerade ums Überleben gekämpft und die demonstrieren, weil sie eine Maske tragen müssen.

Im Dezember muss ich mich auf Station angesteckt haben. Als es angefangen hat, habe ich schon gedacht 'Hui, was ist das denn jetzt?' Alles hat wehgetan, die Haut brennt richtig. Ich konnte mich gar nicht bewegen, weil ich solche Schmerzen hatte.

"Es kamen mehr und mehr Symptome dazu"

Mein Verlauf war nicht so schlimm. Ich war vier Wochen mit Fieber und allem zu Hause. Aber danach steigert man sich sonst wieder. Das war bei mir gar nicht. Es kamen mehr und mehr Symptome dazu. Zum Anfang war es die Müdigkeit, Zittern, so eine Kraftlosigkeit in den Armen. Irgendwann war es so schlimm, dass die Beine bei kleinster Anstrengung gezittert haben, dass ich brennende Muskel- und Nervenschmerzen hatte, die durch keine Schmerztablette zu lindern waren. Ich bin trotzdem weiterarbeiten gegangen. Ich wollte mir das nicht anmerken lassen und auch gar nicht wahrhaben, dass es jetzt nicht mehr so geht wie vorher.

Es ist ein komisches Gefühl, ich war gesund. Dann hat man eine Infektion, bei der viele sagen, sie sei gar nicht so schlimm. Jetzt muss ich Tabletten nehmen, die ich vorher nicht nehmen musste. Schilddrüsenunterfunktion. Im Langzeit-EKG kam raus, dass ich einen viel zu hohen Ruhepuls hatte und auch jetzt Tabletten nehme.

Irgendwann konnte ich nach eineinhalb Stunden Laufen gar nicht mehr. Meine Beine sind immer weggeklappt. Da hat mein Hausarzt mich in die Neurologie in der Asklepios Klinik in Lübben überwiesen.

Zeitweise fühle ich mich wie 80. Nach dem Klinikaufenthalt ist es besser geworden. Vielleicht, weil die mir dort ins Gewissen geredet haben. Ich solle mal einen Gang runterschalten. Ansonsten gibt es Tage, an denen ich aufstehe und kaum die Treppe runterkomme.

"Ich habe Glück gehabt"

Ich kann nicht mehr so leben wie früher. Ich plane alles. Ich versuche meine Kräfte einzusparen. Mir fehlt das regelmäßige Reiten sehr, es war für mich immer der Ausgleich zum Beruf. Auch dass ich mich mit Freunden treffe, dazu habe ich gar keinen Elan mehr. Ich hoffe wirklich, dass es durch die Cortison-Therapie und die Reha, die ich machen werde, wieder besser wird.

Ich bin im Vergleich zu einigen Patienten, die ich betreut habe, noch gut weggekommen. Ich schätze mich glücklich, dass es mir noch so geht. Ich habe von Leuten gelesen, die mit Long Covid im Rollstuhl sitzen und die gar nichts mehr machen können. Da habe ich Glück gehabt.

Ich finde es schön, dass man jetzt wieder mehr Freiheiten hat. Ich genieße sie auch, ich gehe auch gerne mal essen. Nur weil ich mein Leben nicht mehr so leben kann, warum sollen es die anderen nicht tun?

#Wiegehtesuns? | Infizierte Erzieherin

"Beim Kindergarten hat sich das Gesundheitsamt bis heute nicht gemeldet"

Systemrelevant und mit Corona infiziert: Die Erzieherin Charlotte Glowczak musste alle Entscheidungen rund um ihre Corona-Infektion selbst fällen - ohne direkte Anweisungen vom Gesundheitsamt. Sie fühlt sich deshalb verunsichert und alleine gelassen. Ein Gesprächsprotokoll.

Meine Hoffnung ist, dass die Ärzte irgendetwas finden, dass einem hilft. Dass die Forschung da vorangeht und für mich selbst eigentlich, dass es so wird wie früher. Mit Einschränkungen kann ich leben, aber ich möchte nicht die Einschränkungen, die ich jetzt habe.

Ich hoffe, dass ich in den nächsten drei, vier Wochen die Reha antreten kann, aber es gibt Leute, die es schlimmer erwischt hat. Denen steht der Rehaplatz eher zu als mir. Ich kriege es bis dahin schon hin und freue mich, wenn dann ein Platz in der Reha frei ist.

Gesprächsprotokoll: Marie-Thérèse Harasim

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Sendung: Brandenburg Aktuell, 18.07.2021, 19:30 Uhr

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