Der rbb|24-Adventskalender | Abgefahren aufgemacht - 12. Tür: Kohle runter und Kekse rauf

Es könnte so schön sein, das Leben mit dem Fließband, wenn es sich nicht in den Dienst der Kohleindustrie stellen würde. Es gibt allerdings einige kleine und große Lebenssituationen, wo das Fließband wieder Gunstpunkte einsammeln kann.
24 kleine Geschichten rund um Bewegung, Geschwindigkeit oder um das bloße Fortkommen, das Verschwinden oder über Menschen, die etwas in Gang setzen - all das natürlich in Berlin und Brandenburg. Alle Türchen auf einen Blick finden Sie hier.
Es fällt schwer, dem Fließband etwas Gutes anzudichten. Aber bevor man das versucht, muss man erstmal mit dem Fließbandmythos, er sei eine Errungenschaft, aufräumen. In Brandenburg - vor allem in der Lausitz - brachte das Fließband Kahlheit und Zerstörung. Die wenigsten Menschen dort können wahrscheinlich lachen oder schmunzeln, wenn sie Charlie Chaplins Abrechnung mit dem Massenproduktionskapitalismus anhand eines Fließbands sehen.
Kein Feierabend fürs Band
Die Bänder in der Lausitz hielten nie an, nie für Arbeiter, die nicht hinterher kamen oder sich einklemmten, nie für die Mittagspause und nie für den Feierabend. An diesen Bändern stand ja auch niemand. Sie ratterten über die Haldenränder hin zu Gleisen und Umladestation, über Straßen, entlang von Baggerhängen, durch gerodete Wälder und über kohlestaubbedeckte Wiesen. Und wenn man an ihnen lang schaute, sah man weitere Bänder, und am Horizont rauchte der Schlot.
Schlimmer als ihr Aussehen sind die Geräusche der Bänder. Sie rattern und quietschen, scheppern, poltern, knarzen und pfeifen. Mit ihrer Unermüdlichkeit und Gnadenlosigkeit verliehen sie dem Tagebau auch seine so effiziente Selbverständlichkeit, machten ihn zu einem Naturereignis, mit dem wir leben müssen: Hier tut sich die Erde auf, speit die Kohle aus, und wir müssen da später dann nur mal drüber harken und alles ist wieder schön glatt. Dazwischen liegen Arbeit, Staub und Krach - so könnte man es emotionslos beschreiben. Wenn Betroffene aber davon berichten, liegen dazwischen Ängste, Vertreibung, Zerstörung, Verschmutzung und nicht zu vergessen: harte Arbeit. All das ist der Preis für den Strom fürs Stahlwerk und die Wärme für die Stube.
Als Trost für die Härten haben die Fließbandbetreiber ein Licht in den Kohlestaub gemalt: "Sieh, ein See, der in der Zukunft leuchtet!" Weder die warme Stube, noch der Stahl und schon gar nicht die heute oft braunen Seen können aber darüber trösten, was die Bänder mit ihrer endlosen Bewegung da angerichtet haben in der Lausitz.
Mit Überraschungskartons unterwegs
Eine Ablenkung weg von diesem Abbaggerungsband könnte vielleicht der Blick auf die Kassenbänder zur Weihnachtszeit sein, oder auf die Laufbänder am Flughafen, die den angestoßenen Koffer ins sonnige Urlaubsglück befördern. Vielleicht auch auf die Sushi-Überraschung der beweglichen Fließbandtheken und natürlich auf die Paketstationsbänder mit den verpackten Weihnachtsüberraschungskartons.
Berlins süßestes Weihnachtsfließband aber steht in Tempelhof - süß zumindest für all jene, die den Spekulatius auch gern mal pfundweise vernaschen. Keks statt Kohle. Es riecht nach Zimt, Kardamom und wer durch die Nase richtig tief Luft holt, spürt den Hauch von Nelke. Der Weihnachtsmann legt hinter dieser Kalendertür den Keks aufs Band und sorgt mit viel Schnee auf den märkischen Kiefern dafür, dass wir zumindest für ein paar Tage die Riesenschornsteine vergessen.