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Quelle: imago images/Ulmer

Interview | Corona-Infektion

Wann sich Geimpfte testen sollten

Die Corona-Zahlen steigen wieder an. Geimpfte sind zwar gut vor schweren Verläufen geschützt, infizieren können sie sich aber trotzdem noch. Warum ein Schnelltest in bestimmten Situationen sinnvoll sein kann, erklärt der Immunologe Andreas Radbruch.

rbb|24: Herr Radbruch, sind Schnelltests bei Geimpften und Genesenen noch sinnvoll?

Andreas Radbruch: Prinzipiell ja. Geimpfte können sich selbst noch infizieren und sind somit auch noch infektiös und können andere Menschen anstecken. Nur eben seltener. Die Frage mit den Tests hängt generell davon ab, wie man in Zukunft mit Covid-19 umgeht. Wenn wir sagen, wir wollen in Zukunft gar nicht mehr wissen, wer infektiös ist und wer nicht, dann braucht man gar nicht mehr zu testen. Wollen wir allerdings einen Überblick über das Infektionsgeschehen im Land haben, dann müsste man auch die Geimpften testen. Zumindest wenn sie Symptome haben.

Zur Person

Im Zusammenhang mit Geimpften ist zurzeit immer wieder von sogenannten Impfdurchbrüchen die Rede, was versteht man darunter?

Das ist eine sehr ungenaue Bezeichnung. Im Prinzip bedeutet es, dass man sich trotz Impfung noch infiziert. Das liegt daran, dass man noch keine sterile Immunität hat. Darunter versteht man eine Immunität, die so dicht ist, dass die Viren erst gar nicht an den Schleimhautzellen andocken können. Dafür bräuchte man jede Menge schützende Antikörper auf den Schleimhäuten. Sobald die Viren an die Schleimhäute rankommen und die Schleimhautzellen befallen können, kommt es zu einer Infektion. Dann haben die Geimpften den Vorteil, dass ihr Immunsystem eine gewisse Immunität hat und sehr schnell mit den Viren fertig wird. Wenn sie wenig Viren einatmen, passiert nichts, wenn es viele sind, kann es zu einer Infektion kommen, die in der Regel aber mild verläuft.

Gibt es Zahlen, wie oft es zu solchen Impfdurchbrüchen kommt?

Das hängt sehr davon ab, wie lange die Impfung zurückliegt. Der Effekt der Impfung verläuft in zwei Phasen. Zuerst kommt die akute Impfreaktion, die bis zu einem halben Jahr dauern kann und langsam nachlässt. In dieser Zeit werden viele Antikörper und reaktive Zellen gebildet. In der zweiten Phase der Impfung kommt das immunologische Gedächtnis und die Langzeitimmunität. Die Langzeitimmunität ist etwas geringer als die akute Immunität. Wir schätzen, dass man da eine geringere Anzahl von Antikörpern hat. Die sogenannten Gedächtnisimmunzellen sind dann immer noch in Alarmbereitschaft, müssen dann aber erst wieder losschlagen, wenn das Virus kommt. In dieser Phase ist man weniger gut vor Infektionen geschützt.

Analyse

Corona trotz Impfung: Worauf es bei Zahlen zu Impfdurchbrüchen ankommt

Kann es sein, dass Geimpfte nicht genug Viruslast in sich tragen, sodass ein Schnelltest negativ ausfällt, sie aber trotzdem andere noch anstecken können?

Das wird mit Sicherheit ein Kontinuum sein. Man erfasst ja auch bei den Ungeimpften im Wesentlichen die schweren Fälle, das heißt: die Leute mit einer hohen Viruslast. Menschen mit einer geringen Viruslast werden eher von den PCR-Tests erfasst. Bei den Schnelltests wird man mit Sicherheit einige falsch Negative haben, also Betroffene, die nur ein bisschen Viruslast haben, aber der Schnelltest zeigt es nicht an. Das beunruhigt mich allerdings nicht. Wahrscheinlich sind sowieso nur die Menschen mit einer hohen Viruslast infektiös.

Welche Teststrategie würden Sie für sinnvoll halten?

Vor einem Jahr haben wir die Regel gehabt, wenn alle ein Impfangebot bekommen haben, ist die Pandemie vorbei. Aus meiner Sicht wäre es an der Zeit, das umzusetzen. Testen muss man dort, wo Impfschutz nicht möglich ist oder er nicht vollständig umgesetzt ist. In Krankenhäusern, Altenheimen und vor allem an Grenzen wäre Testen sinnvoll. Gerade an Grenzen besteht die Gefahr, dass Mutanten eingeschleppt werden.

Wie blicken Sie auf den Herbst?

Ich weiß nicht, wie die politischen Vorgaben sich entwickeln. Es wird ganz klar einen Anstieg an Infektionen geben. Ich rechne aber damit, dass die Hospitalisierungsrate und die Zahl der schweren Erkrankungen niedrig bleibt, weil doch schon viele geimpft sind, vor allem die Älteren, die am anfälligsten sind.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Laura Will.

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