Interaktive Karte für Berlin - An diesen 21 Straßen fallen Parkplätze für Radwege weg
Rot-Rot-Grün macht Ernst: Die Verkehrsverwaltung hat bekannt gegeben, wo neue Radwege entstehen sollen. Viele Radfahrer freut das - doch in fast allen Bezirken sollen Parkplätze wegfallen. Hier erfahren Sie, ob Ihr Kiez betroffen ist. Von Robin Avram und Götz Gringmuth-Dallmer
Es ist eine Liste, die Freude bei Radfahrern - aber auch viel Ärger bei Autofahrern auslösen dürfte: Erstmals hat die Verwaltung von Verkehrssenatorin Regina Günther (parteilos, für Grüne) offen gelegt, wo Parkplätze neuen Radwegen weichen sollen.
Die insgesamt 91 Einzelprojekte für den Radverkehr sollen bald begonnen werden, großteils noch in diesem Jahr. Wo genau, hat die Verkehrsverwaltung nun dem Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses mitgeteilt. Im März hatte dieser Ausschuss 20 Millionen Euro für die Projekte freigegeben. Das Geld fließt hauptsächlich für neue Radwege und Wegweiser an Straßen, anderswo sollen marode Radwege saniert und Nebenrouten asphaltiert werden.
Doch die Abgeordneten im Hauptausschuss wollten auch wissen: In welchen Kiezen müssen sich Anwohner darauf einstellen, dass Parkplätze wegfallen? Nun ist klar: An insgesamt 21 Straßen quer durchs ganze Stadtgebiet soll das der Fall sein. Diese Übersichtskarte zeigt, wo genau.
Hier weichen Parkplätze neuen Radwegen
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ADAC fordert, Anwohner einzubeziehen
Den größten Parkparkplatz-Schwund erwartet die Verwaltung demnach an der Gensinger Straße in Lichtenberg, hier sollen Parkplätze "teilweise deutlich" reduziert werden. Auch an der Südseite der Neuköllner Hasenheide sollen offenbar in größerem Umfang Parkplätze wegfallen.
Bei zwölf weiteren Straßen rechnet die Verwaltung mit einem Wegfall von Parkplätzen in "begrenzter" Anzahl. Und bei sieben Straßen nur mit "marginalen" Auswirkungen. Doch was ist eine "begrenzte" Anzahl? Wenn 5 von 100 Parkplätzen wegfallen? Oder 20 von 100? Für die betroffenen Anwohner macht das einen großen Unterschied.
rbb|24 wollte es genauer wissen. Die Verkehrsverwaltung teilte dazu auf Anfrage schriftlich mit: "Abschließende Aussagen lassen sich erst nach Abschluss der Planungen, die in vielen Fällen noch im Gange sind, treffen."
Anwohner sollen bei allen Projekten mit einbezogen werden
"Die Verwaltung arbeitet hier mit sehr unscharfen Begriffen. Sie sollte den betroffenen Anwohnern möglichst schnell reinen Wein einscheinken", kritisiert der ADAC-Verkehrsexperte Jörg Becker auf Anfrage von rbb|24. Er fordert: "Wenn Parkplätze in Wohnbereichen wegfallen, hätten wir gerne eine Antwort auf die Frage: Wo sollen die Anwohner dann ihre Autos parken?"
Der Sprecher der Verkehrsverwaltung, Matthias Tang, verweist darauf, dass die Bezirke dafür zuständig sind, die Radweg-Planungen umzusetzen. "Bei Projekten, bei denen Parkplätze wegfallen, werden die Betroffenen aber selbstverständlich mit einbezogen", verspricht Tang.
Abschleppen offenbar keine Lösung
Was in Wohngebieten passsiert, wenn Parkplätze neuen Radwegen weichen müssen, lässt sich im Victoriakiez in Kreuzberg besichtigen. Dort fielen an der Dudenstraße für einen so genannten Schutzstreifen - also einen Radweg, der mit gestrichelter weißer Farbe auf der Straße markiert wird - rund 20 Parkplätze weg. Weil der Parkdruck im Kiez so groß ist, stellen viele Anwohner ihre Autos Abends weiterhin auf dem Radweg ab. Seit Dezember lässt die Polizei die Autos nun regelmäßig abschleppen - doch die Zahl der abgeschleppten Falschparker nimmt kaum ab, wie der Leiter des dortigen Polizeiabschnitts vorige Woche dem Tagesspiegel sagte.
"Kein Wunder", meint Jörg Becker vom ADAC. Schließlich seien viele Anwohner nun einmal auf ihre Autos angewiesen und wollen sie nicht verkaufen. "Man muss Anwohnern auch eine Alternative bieten, wenn Parkplätze wegfallen", fordert er. So könnte der Senat Betroffenen vergünstigtes Parken in angrenzenden Parkhäusern oder auf nicht ausgelasteten Supermarkt-Parkplätzen ermöglichen. "Eine interessante Idee", nennt das der Sprecher der Verkehrsverwaltung. Also offenbar eine Idee, auf die die Verwaltung selbst noch nicht gekommen ist.
Poller statt Schutzstreifen?
Auch der Allgemeine Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) verweist darauf, dass viele Parkhäuser in der Stadt nicht ausgelastet seien. Man arbeite gerade an einer entsprechenden Untersuchung, um deren Parkplatz-Potential zu ermitteln. Dennoch hat der Club natürlich in einer Linie die Interessen der Radler im Blick - und fordert Radwege, die gar nicht erst zugeparkt werden können. "Bei manchen Radwegen bringt eine bauliche Trennung mehr Sicherheit. Vor allem an Straßen mit viel Verkehr und viel Schwerlastverkehr", fordert ADFC-Sprecher Nicolas Linck.
Die Berliner Grünen sind offen für solche Vorschläge. Wenn Radschutzstreifen eine gewisse Breite haben, ließen sich Poller möglicherweise ganz leicht hinzufügen, meint der verkehrspolitische Sprecher, Stefan Gelbhaar.
Der infrastrukturpolitische Sprecher der Berliner FDP-Fraktion, Henner Schmidt, findet hingegen, dass Radwege nicht direkt an Hauptverkehrsstraßen verlaufen müssten. Die Pläne, eine Autospur an der Frankfurter Allee für einen Radweg zu opfern sieht er beispielweise kritisch. "Es geht in erster Linie um ein gutes Verkehrsnetz für den Radverkehr, dieses kann man zum Teil auch in ruhigeren Parallelstraßen schaffen, was sicher auch besser für die Radfahrer ist," meint er.
Der Kampf und neue Radwege, er geht in Berlin langsam in seine heiße Phase.
Sendung: Abendschau, 05.05.2017, 19.30 Uhr