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Audio: Antenne Brandenburg | 12.01.2023 | Björn Haase-Wendt | Quelle: Björn Haase-Wendt/rbb

Beispiel Ostprignitz-Ruppin

Warum es immer noch wenige Frauen in der Kommunalpolitik gibt

Frauen sind in Politik immer noch unterrepräsentiert. Das zeigt sich vor allem in Kommunalvertretungen. Die Gründe reichen von Beleidigungen bis hin zu Problemen, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Von Björn Haase-Wendt

Wer den Kreistag von Ostprignitz-Ruppin im Nordwesten Brandenburgs besucht, der sieht vor allem eines: Männer, denn Frauen sind auch hier deutlich unterrepräsentiert. Von den 46 Sitzen im Kreistag entfallen gerade einmal elf auf Frauen. Dabei könnten es mehr sein, findet Lysann Gutenmorgen, die für die CDU im Kreistag sitzt. "Der Mix, der sich bunt gestaltet, ist doch das erfolgreiche für die Politik", sagt sie.

Die Unternehmerin aus Flecken Zechlin, einem Ortsteil der Stadt Rheinsberg, ist seit 2019 gewählte Abgeordnete für den Kreistag von Ostprignitz-Ruppin. Zuvor war sie in der Rheinsberger Stadtverordnetenversammlung aktiv. Vor allem die Probleme in ihrem Ort hätten sie motiviert, in die Politik zu gehen, sagt Gutenmorgen. "Ich habe die unsanierte Turnhalle gesehen, die Schule und die alte Kita. Da habe ich mir gedacht: Du musst was machen und nicht nur meckern."

Frauen in der Brandenburger Politik

Der mühsame Weg zur Parität

Brandenburg war einst Vorreiter, wenn es darum ging, Frauen den Weg zu mehr politischer Teilhabe zu ebnen. Doch das Paritätsgesetz scheiterte – ein Nachfolger ist nicht geplant. Verfechterinnen sehen darin heute aber trotzdem Erfolge. Von Hanno Christ

Verordnete berichtet von Anfeindungen auf Social Media

In ihrer Partei habe sie bisher keine Probleme gehabt, sagt Gutenmorgen. Aber in der politischen Diskussion und in den sozialen Netzwerken erfahre sie immer wieder Anfeindungen. "Du wirst angegriffen, weil du eine andere Sichtweise hast, und teils so aggressiv, dass ich sage, das war unter der Gürtellinie", erklärt die 40-Jährige. Solche Situationen sorgen bei der Unternehmerin und Kommunalpolitikerin für schlaflose Nächte, in denen sie sich um ihre Familie, ihr Unternehmen und ihre Mitarbeiter sorge. "Das macht einen nachdenklich, und ich hätte nicht gedacht, dass so etwas in der heutigen Zeit noch existieren kann."

Die Beleidigungen im digitalen Raum, der Sexismus und auch eine Männerkultur in den Parlamenten seien unter anderem Gründe, warum es so wenige Frauen in der Politik gibt, sagte die Brandenburger Gleichstellungsbeauftragte Manuela Dörnenburg auf einer Podiumsdiskussion zu Frauen in der Politik in Neuruppin. Den Frauen würde in der Politik noch oftmals Gegenwind in Form von sexistischen und abwertenden Äußerungen entgegenschlagen.

Auch Kreistagsvorsitzende kennt unschöne Briefe

Das Problem ist nicht neu. Auch Sigrid Nau, ein Politik-Urgestein in Ostprignitz-Ruppin, musste diese Erfahrung machen. Mit der Wende ging sie in die Politik und gründete in Neustadt (Dosse) den Ortsverband der CDU. "Als Politikerin habe ich viele anonyme unschöne Briefe bekommen. Damit muss man erstmal fertig werden", sagt sie rückblickend. Die heutige Kreistagsvorsitzende hatte sich zunächst nicht getraut, die Briefe jemanden zu zeigen, dann aber habe sie bei der Polizei Anzeige erstattet. "Auch wenn das nichts gebracht hat: Mir ging es dadurch besser", so Nau.

Probleme bei Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Ehrenamt

Neben den Anfeindungen ist aber auch die schwierige Vereinbarkeit von Familie, Beruf und politischem Ehrenamt auf lokaler Ebene ein Problem. Die Kreistags-, Stadtverordneten- und Ausschusssitzungen ziehen sich oftmals vom Nachmittag bis spät in die Nacht. Wer Kinder hat oder Angehörige pflegt, stößt schnell an Grenzen.

Das sieht auch Jenny Salzwedel so, die für die Linke in der Neuruppiner Stadtverordnetenversammlung sitzt. "Wäre ich alleinerziehend, könnte ich das politische Ehrenamt nicht ausführen oder zumindest nicht in dem Umfang", sagt die 27-jährige Neuruppinerin, die den Bau- und Wirtschaftsförderungsausschuss der Stadt leitet.

Damit es mehr Frauen in der Politik gibt, spricht sich die Neuruppinerin für eine Quotenregelung aus. Ihr habe das in der Partei als Newcomerin geholfen, um einen vorderen Listenplatz zu bekommen und es so ins Stadtparlament zu schaffen. Grundsätzlich wünscht sich Jenny Salzwedel in den Parteien mehr Offenheit für junge Frauen und Anerkennung für deren Themen. "Dass man auf Augenhöhe spricht und nicht gleich die Anforderungen so hochschraubt", wie Salzwedel sagt.

Brandenburg will Thema Gleichstellung weiter vorantreiben

Auch die Brandenburger Landesregierung sieht weiter Verbesserungsbedarf, wenn es um die Parität geht. Denn das Land war einst Vorreiter mit seinem Paritätsgesetz. Dieses wurde 2019 vom Landtag verabschiedet und sah vor, dass Parteien ihre Männer und Frauen wechselweise auf Parteilisten platzieren müssen. Allerdings kassierte 2020 das Verfassungsgericht das Gesetz wieder, nachdem mehrere Parteien geklagt hatten.

Brandenburg will den seit dem Jahreswechsel übernommenen Vorsitz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnenkonferenz nun nutzen, um die Gleichstellung von Frauen voranzubringen. "Da geht es natürlich über die Politik hinaus. Also nicht nur um die gleichberechtigte Sitzverteilung. In allen gesellschaftlichen Bereichen müssen wir schauen, dass die sogenannte Genderperspektive, also die Perspektive der Frauenbelange auch wirklich vorkommt", sagt die Landesgleichstellungsbeauftragte Manuela Dörnenburg.

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Und was muss sich auf kommunaler Ebene bessern, damit für Frauen der Schritt in die Politik gelingt? Manuela Dörnenburg und die Kommunalpolitikerinnen aus Ostprignitz-Ruppin sehen mehrere Ansätze: So könnten etwa hybride Sitzungsformate helfen, um lange Fahrtwege zu sparen; auch brauche es veränderte und familienfreundlichere Sitzungszeiten. Aber auch Mentoringprogramme über Parteigrenzen hinweg oder Quoten für kommunale Gremien und Ausschussbesetzungen könnten Frauen den Einstieg in die Politik erleichtern, so die Kommunalpolitikerinnen. Und die Frauen sollten mutig sein und sich Neues trauen, sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete Wiebke Papenbrock: "Wir müssen die Frauen motivieren, selbst Dinge verändern zu wollen. Sie sollten sich nicht entmutigen lassen und einfach machen."

Sendung: Antenne Brandenburg, 12.01.2023, 14:40 Uhr

Beitrag von Björn Haase-Wendt

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