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Quelle: dpa

Amnestieregelung

Häftling in Berlin nach Teil-Legalisierung von Cannabis entlassen

Durch das neue Cannabisgesetz sind plötzlich Dinge erlaubt, die vorher als Straftat galten. Tausende Verfahren werden nun erneut geprüft. In Berlin hat das bereits Konsequenzen.

In Berlin ist bislang ein Häftling infolge der teilweisen Cannabis-Legalisierung entlassen worden. Er habe wegen schweren Raubes und dem Besitz "nicht geringer Mengen Cannabis" im Gefängnis gesessen, sagte eine Sprecherin der Berliner Staatsanwaltschaft der Deutschen Presse-Agentur am Freitag.

Konkret ging es demzufolge um 23 Gramm Gras. Seit dem Inkrafttreten des Cannabisgesetzes am 1. April dürfen Erwachsene in der Öffentlichkeit bis zu 25 Gramm der Droge mit sich führen, zu Hause sind maximal 50 Gramm erlaubt. Die Freiheitsstrafe des entlassenen Häftlings sei ohnehin bald vollstreckt gewesen, sagte die Sprecherin. In Brandenburg wurden laut eines Sprechers des Justizministeriums bisher vier Personen wegen des neuen Gesetzes aus der Haft entlassen.

Nach Teil-Legalisierung

Justiz muss deutlich mehr Cannabis-Verfahren überprüfen als zunächst erwartet

Wer vor dem 1. April wegen Cannabis-Delikten verurteilt worden ist, kommt nun für eine Amnestie infrage: Denn die Justiz muss Verurteilte nach der Teil-Legalisierung so behandeln, als hätten sie die Tat nie begangen. Das bedeutet mehr Arbeit als gedacht.

Schleppende Digitalisierung erhöht den Aufwand der Justiz

Laut dieses Gesetzes müssen begangene Taten, die bisher strafbar, aber seit dem 1. April erlaubt sind, überprüft werden. Sind sie es nach neuer Regelung nicht mehr, gilt in den meisten Fällen eine Amnestieregelung. Das betrifft in Berlin laut der Staatsanwaltschaft etwa 10 bis 15 Prozent der Fälle. Handel, generelle Weitergabe und der Besitz größerer Mengen Cannabis sind nach wie vor verboten.

In Berlin müssen laut der Staatsanwaltschaft knapp 6.000 Verfahren einzeln durchgesehen werden. Dabei werde überprüft, ob rechtskräftige Urteile ganz oder teilweise unter die Amnestie fielen. Konkret geht es um knapp 3.300 Verurteilungen zu Freiheitsstrafen, rund 2.500 Verurteilungen zu Geldstrafen und etwa 100 sonstige Gerichtsentscheidungen. "Der Aufwand, dies alles umzusetzen, ist enorm", sagte die Sprecherin. Das liegt allerdings auch daran, dass die Berliner Justizverwaltung bei der beabsichtigten Digitalisierung noch immer weit hintendran ist und deshalb in allen Fällen auf die Papierakten zugreifen muss.

Fragen und Antworten

Was das neue Cannabisgesetz im Alltag bedeutet

Ab 1. April ist Cannabis weitgehend legalisiert. Aber wo ist Kiffen auch in Zukunft verboten? Was gilt für den Eigenanbau? Und wie will die Polizei die Einhaltung des neuen Gesetzes kontrollieren? Antworten auf die wichtigsten Fragen. Von Sebastian Schneider

Polizei: Teil-Legalisierung macht sich bisher nicht wirklich bemerkbar

Die Berliner Polizei stellt eigenen Angaben zufolge keine besonderen Veränderungen seit dem Inkrafttreten des Gesetzes am Ostermontag fest. Laut eines Sprechers führe man verdachtsabhängig immer wieder Kontrollen bei Autofahrern durch. Besondere Vorkommnisse oder Auffälligkeiten aber seien bislang nicht bekannt. Eine richtige Bilanz werde aber in "höchstens einem Jahr" erfolgen. Bislang mache sich die Teillegalisierung aber nicht wirklich bemerkbar: "Es scheint, als gehe das Leben seinen bisher gewohnten Gang", sagte der Polizeisprecher.

Cannabisgesetz

Eigenanbau und privater Konsum

    - Im öffentlichen Raum ist der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum für Erwachsene künftig legal

    - In der privaten Wohnung können bis zu 50 Gramm aufbewahrt werden, für Heranwachsende (18-21 Jahre) gilt eine Obergrenze von 30 Gramm

    - Der private Anbau von bis zu drei Cannabis-Pflanzen zum Eigenkonsum ist für Erwachsene mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland erlaubt; die Anzahl von drei Pflanzen gilt je volljähriger Person eines Haushalts

    - Cannabis aus privatem Eigenanbau darf nicht an Dritte weitergegeben werden. Der Handel mit Cannabis bleibt kategorisch verboten

    - Bars, Clubs und Kneipen dürfen den Umgang mit Cannabis-Konsum in ihren Räumen selber regeln. In öffentlichen Sportstätten wie beispielsweise Freibädern ist der Konsum verboten (siehe auch Jugendschutz).

Anbauvereine alias "Cannabis Social Clubs"

    - Der gemeinschaftliche, nicht-gewerbliche Eigenanbau zum Eigenkonsum in Anbauvereinigungen (sog. "Cannabis-Clubs") mit maximal 500 Mitgliedern ist ab 1. Juli 2024 erlaubt; die Mitglieder müssen volljährig sein und ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben

    - Für Anbau und Weitergabe von Cannabis an die Mitglieder zum Eigenkonsum wird eine behördliche Erlaubnis benötigt

    - Die Weitergabe von Cannabis darf nur in Reinform erfolgen und soll für Mitglieder auf 25 Gramm pro Tag und 50 Gramm pro Monat beschränkt werden; die Abgabe an Heranwachsende zw. 18 und 21 Jahren wird auf 30 Gramm pro Monat begrenzt, der THC-Gehalt darf hier maximal 10 Prozent betragen

    - Der Konsum in Vereinsräumen ist verboten

    - Es dürfen maximal sieben Cannabissamen oder fünf Stecklinge pro Monat für den Eigenanbau an ein Mitglied abgegeben werden

    - Die gleichzeitige Mitgliedschaft in mehreren Vereinigungen ist verboten

    - Die Zahl der Vereinigungen kann durch die Landesregierungen auf eine je 6.000 Einwohner pro Kreis oder kreisfreier Stadt begrenzt werden

    - Offizielle Verkaufsstellen wie die in den Niederlanden geduldeten, aber formal illegalen "Coffeeshops" wird es nicht geben, sie sind mit EU-Recht nicht vereinbar

Jugendschutz

    - Erwerb, Besitz und Konsum von Cannabis bleibt für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren verboten

    - Privat angebautes Cannabis muss vor dem Zugriff durch Kinder und Jugendliche sowie Dritte geschützt werden

    - Werbung und Sponsoring für den Cannabiskonsum sowie für Anbauvereinigungen sind verboten

    - Der Konsum von Cannabis ist in Fußgängerzonen zwischen 7 und 20 Uhr verboten, sowie in und in Sichtweite vom Eingangsbereich von Anbauvereinigungen, Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Kinderspielplätzen sowie in öffentlich zugänglichen Sportstätten wie Schwimmbädern

    - Für die Definition von Sichtweite gilt ein Abstand von 100 Metern, darüberhinaus ist der Konsum sicher gestattet

    - Die Prävention soll gestärkt werden, u.a. durch Präventionsmaßnahmen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sowie in den Anbauvereinigungen

Straßenverkehr

- Eine im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums eingesetzte Expertenkommission schlägt einen Grenzwert von 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum hinterm Steuer vor. Dieser sei in etwa vergleichbar mit einem Blutalkoholwert von 0,2 Promille

- Mischkonsum von Alkohol und Cannabis soll für Verkehrsteilnehmer grundsätzlich verboten sein: wer also gekifft hat, für den gelten 0,0 Promille

- Diese Regelung muss erst noch im Gesetz festgeschrieben werden

Frühere Verurteilungen

- Begangene Cannabis-Delikte, die vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes strafbar waren, aber seit dem 1. April erlaubt sind, müssen von der Justiz überprüft werden. Sind diese Delikte es nach neuer Regelung nicht mehr, gilt in den meisten Fällen eine Amnestieregelung. Die Justiz muss diese Urteile dann so behandeln, als sei das Cannabis-Delikt nicht begangen worden

- Der Besitz größerer Mengen Cannabis als 50 Gramm zuhause oder 25 Gramm in der Öffentlichkeit sowie der Handel mit Cannabis sind von dieser Amnestieregelung nicht betroffen - und bleibt strafbar

Sendung: rbb24 Inforadio, 05.04.2024, 13 Uhr

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