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Quelle: dpa/Christoph Soeder

Analyse | ARD-Vorwahlumfrage zu Berlin

Franziska Giffey hat die Wahl

Die SPD bleibt mit Abstand stärkste Kraft, die Grünen schieben sich wieder auf den zweiten Platz, die CDU verliert deutlich: Rot-Rot-Grün könnte weiter regieren, aber SPD-Spitzenkandidatin Giffey hätte auch andere Optionen. Von Boris Hermel

Neun Tage vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus bleibt die SPD unangefochten an der Spitze. In der eigens für Berlin erhobenen Sonntagsfrage im ARD-Deutschlandtrend gewinnen die Sozialdemokraten einen Punkt hinzu und liegen nun bei 24 Prozent.

Auch die Grünen legen um einen Punkt auf 18 Prozent zu und schieben sich damit wieder auf den zweiten Platz. Die stärksten Verluste muss die CDU hinnehmen, sie sackt um drei Punkte auf 16 Prozent ab.

ARD-Vorwahlumfrage

Berliner SPD führt deutlich vor Grünen und CDU

Der positive Trend vor der Wahl setzt sich für die SPD fort: Auch in der letzten ARD-Umfrage vor der Berlin-Wahl führen die Sozialdemokraten deutlich vor den Grünen und der CDU. Für eine Überraschung sorgt die Tierschutzpartei.

Giffey kehrt Negativtrend bei Beliebtheit um

Sicher profitieren die Berliner Sozialdemokraten stark vom bundespolitischen Rückenwind für den Kanzlerkandidaten Olaf Scholz, doch auch die Berliner Spitzenkandidatin Franziska Giffey kann ihre Beliebtheitswerte steigern. War sie im BerlinTrend von rbb-Abendschau und "Berliner Morgenpost" Ende August noch um acht Prozentpunkte abgerutscht, so sind jetzt 42 Prozent der Befragten mit ihr zufrieden – ein Plus von fünf Prozentpunkten. Damit bleibt sie mit Abstand die beliebteste unter den Spitzenkandidierenden der Parteien. Die Affäre um die Aberkennung ihres Doktortitels durch die FU wegen Plagiaten schadet ihr offenbar nicht.

Das große Plus von Franziska Giffey ist ihre Bekanntheit: Mit 82 Prozent liegt die frühere Bundesfamilienministerin mit Abstand vor ihren Konkurrenten, nur Linken-Spitzenkandidat Klaus Lederer kommt mit 63 Prozent ansatzweise an sie heran. Das Spitzenpersonal von CDU und Grünen dagegen kann die eigenen Werte trotz der großen Plakatkampagnen im Vergleich zum August nur minimal steigern. Kai Wegner von der CDU ist nur 46 Prozent der Berlinerinnen und Berliner bekannt, von Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch sagen das nur 38 Prozent der Befragten. FDP-Spitzenkandidat Sebastian Czaja ist 51 Prozent der Befragten bekannt, von der AFD-Spitzenfrau Kristin Brinker haben nur 21 Prozent schon mal was gehört.

CDU deutlich schlechter als im Bundestrend

Die jüngsten Zahlen dürften vor allem bei der Berliner CDU für Alarmstimmung sorgen. Während sich die Bundes-CDU bei der Sonntagsfrage von der 20-Prozent-Marke wieder leicht nach oben bewegt, geht es in Berlin weiter abwärts, auf aktuell nur noch 16 Prozent – ein Wert, der noch unter dem historisch schlechtesten Wahlergebnis von 2016 liegt. Damals kam die CDU auf 17,6 Prozent. Die Unionsstrategen um Kai Wegner können diesen Abwärtstrend nicht mehr allein dem Bundestrend in die Schuhe schieben. Da drängen sich dann auch Fragen nach der Wahlkampf-Performance auf Landesebene auf.

Genau umgekehrt das Bild bei den Grünen: Sie liegen mit ihrem Zuwachs auf 18 Prozent zwar klar über den Werten auf der Bundesebene. Dennoch können sie den Abstand zur SPD nicht verringern. Die bittere Erkenntnis für die Grünen: Auch wenn sie in den Umfragen lange vorne gelegen hatten, scheint das Ziel, dass Rote Rathaus grün zu färben und mit Bettina Jarasch die Regierende Bürgermeisterin zu stellen, in weite Ferne gerückt.

SPD mit mehreren Optionen

Ginge die Wahl am übernächsten Sonntag genauso aus, dann wäre die SPD um Franziska Giffey in einer überaus komfortablen Position: Sie hätte die Wahl zwischen drei möglichen Koalitionen. Eine Fortsetzung von Rot-Rot-Grün wäre rechnerisch ein mögliches Bündnis, alle drei Parteien kämen zusammen auf 55 Prozent. Sowohl Grüne als auch Linke haben sich im Wahlkampf klar für diese Machtoption ausgesprochen.

Nur: SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey ist in den letzten Wochen immer stärker von den bisherigen Koalitionspartnern abgerückt. Indem sie die Unterstützung des Volksbegehrens "Deutsche Wohnen & Co Enteignen" zur "roten Linie" für mögliche Koalitionsverhandlungen erklärte, hat sie den Linken mehr oder weniger den Kampf angesagt. Ähnliches gilt für die Weigerung der SPD, die eigentlich längst ausgehandelten Kapitel des rot-rot-grünen Mobilitätsgesetzes vor der Wahl noch zu verabschieden - das sollten wohl vor allem die Grünen als Affront verstehen.

Die zweite Koalitionsmöglichkeit für Giffey und die SPD wäre eine sogenannte Deutschland-Koalition mit CDU und FDP. Nach dem ARD-Deutschlandtrend käme sie auf 47 Prozent, auch das würde für eine Mehrheit der Sitze im Abgeordnetenhaus reichen. Außerdem könnten die Sozialdemokraten versuchen, mit Grünen und FDP eine Ampelkoalition zu schmieden. Mit 49 Prozent hätte auch ein solches Bündnis eine Mehrheit der Mandate.

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Bewegung bei den Kleinstparteien

Erstmals gelingt es im ARD-Deutschlandtrend übrigens einer Kleinstpartei, die Schwelle der Messbarkeit zu überwinden: Die Tierschutzpartei wird aktuell mit drei Prozent ausgewiesen, ist damit aber immer noch weit entfernt vom Einzug ins Abgeordnetenhaus.

Ausgemacht ist das Rennen ums Rote Rathaus aber neun Tage vor der Wahl noch nicht: Zwar sagen gut zwei Drittel der Befragten (69 Prozent), dass sie ihre Wahlentscheidung schon getroffen haben. Das heißt aber auch, mehr als 30 Prozent sind noch unentschlossen – gerade auf diese Wählerinnen und Wähler werden sich die Parteien im Endspurt nun wohl konzentrieren.

Sendung: Abendschau, 17.09.2021, 19:30 Uhr

Beitrag von Boris Hermel

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