DFB-Analystin Ailien Poese - Auf dieses Know-how darf sich Union Berlin freuen

Di 26.07.22 | 16:59 Uhr | Von Shea Westhoff
Ailien Poese
Audio: rbb24 Inforadio | 26.07.2022 | Interview mit DFB-Analystin Ailien Poese | Bild: imago/Matthias Koch

Ailien Poese analysiert als Match-Scout die deutschen Gegner bei der Fußballl-EM der Frauen. Vor dem anstehenden Halbfinale kann sie Schwächen der formstarken Französinnen ausmachen. Nach dem Turnier soll sie das Frauenteam von Union Berlin nach oben führen.

Wenn Ailien Poese sagt, dass das Halbfinal-Spiel der deutschen Frauen-Nationalmannschaft am Mittwoch (21 Uhr) gegen Frankreich "ein absolut offenes Spiel" werden wird, dann muss man ihr glauben. Poese ist bei der EM als Gegnerbeobachterin für den Deutschen Fußball-Bund im Einsatz. Als sogenannter Match-Scout seziert sie die Einzel-Performance der Spielerinnen, die Taktik und die Form aller gegnerischen Teams.

Die Spielweise der stürmischen Elf aus Frankreich hat sie gemeinsam mit einem Team aus weiteren Analysten bereits durchleuchtet. Natürlich erkenne man direkt, dass die Französinnen über eine "unheimlich starke Offensive" verfügen, dass sie auch mit dem Ball "mit viel Tempo" spielen würden und "flexibel sind in ihren ganzen Positionswechseln". In der defensiven Abstimmung täten sich aber Schwächen auf. "Ich würde es so zusammenfassen: Frankreich hat richtig Lust, den Ball zu haben und das Tempo einzusetzen, vor allem mit tiefen Läufen in den Strafraum - aber vielleicht nicht so Lust zu verteidigen."

Vorfreude auf Union Berlin

Die Verantwortlichen des 1. FC Union Berlin dürften sich im März gegenseitig zur Verpflichtung von Poese beglückwünscht haben. Nach der EM soll die 37-Jährige das Frauenteam der Köpenicker als Cheftrainerin nach oben führen. Noch fristet das Team sein Dasein in der Regionalliga. Der Klub kündigte allerdings an, mit Poese als erster hauptamtlichen Trainerin "perspektivisch den Aufstieg in die Bundesliga in Angriff" nehmen zu wollen.

Berührungspunkte mit Union Berlin hatte es zuvor bereits gegeben: Von 1998 bis 2010 war sie dort als Spielerin aktiv, 2016 absolvierte sie im Rahmen ihrer Ausbildung zur Fußballlehrerin eine Hospitation bei Union.

Poese, die beim DFB bereits zahlreiche Juniorenmannschaften betreut hat, findet das Vorhaben von Union Berlin "superspannend", den Frauenfußball "weiter zu pushen": "Den Weg zu ebnen, Strukturen zu schaffen, und dafür auch Mittel zur Verfügung gestellt zu bekommen" freue sie natürlich, sagt sie. Sie hoffe, mit Union Berlin und dem bereits etablierten Team Turbine Potsdam sowie der aufstrebenden Mannschaft von Viktoria Berlin noch "mehr den Frauenfußball in der Region repräsentieren zu können".

Doch bis es so weit ist, will sie das DFB-Team und Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg durch die entscheidende Phase der EM begleiten. Dabei versucht sie vor allem, die Schwachstellen der gegnerischen Teams auszuloten und zu schauen, wo man ansetzen kann, um sich Torchancen zu erspielen. Zum Beispiel: "Ist es sinnvoller, direkt anzulaufen, weil die Viererkette in Ballbesitz nicht so gut ist oder ist es besser, sich zurückzuziehen, weil die tiefen Räume hinter der eigenen Kette gefährlich belaufen werden?" Und: "Wer fällt mit einem Muster auf, was sind Mannschafts-taktische Muster, nach denen sie spielen?"

"Vom Niveau her das stärkste internationale Turnier"

Deswegen schaut sich Poese am Dienstagabend die erste Halbfinalpartie England gegen Schweden im Stadion an, es sind die potenziellen Finalgegner für Deutschland. Poese ist beeindruckt von der bisherigen Leistung der Engländerinnen: Das Gastgeber-Team habe zu Turnierbeginn "Respekt vor der Kulisse" gehabt, "sich aber daran gewöhnt. Das kann auf jeden Fall ein Treibstoff sein. Zumal sie auch von ihren fußballerischen Qualitäten her ja gute Spielerinnen haben."

Das diesjährige Turnier sei insgesamt "vom Niveau her das stärkste internationale Turnier von den Frauen, das ich gesehen habe", stellt sie fest.

Ausgerechnet in diesem Turnier ihr Amt als Match-Scout mit einem Titel zu krönen, das wäre natürlich eine riesige Sache. Aber zunächst muss am Mittwoch gegen starke Französinnen gewonnen werden. Immerhin: Es wird ja "ein absolut offenes Spiel".

Sendung: rbb24 Inforadio, 26.07.2022, 11:15 Uhr

Beitrag von Shea Westhoff

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