Unions Schäfer vor Länderspiel gegen Deutschland - Mit dem Kopf durch die Backsteinmauer

Do 22.09.22 | 11:26 Uhr | Von Till Oppermann
Andras Schäfer während eines Spiels von Union. Quelle: imago images/Chai v.d. Laage
Bild: imago images/Chai v.d. Laage

Wenn Deutschland am Freitag auf Ungarn trifft, wird Andras Schäfer mitmischen. Ungarns Fußballer des Jahres mauserte sich in dieser Saison bei Union Berlin zum Stammspieler. Auf dem Weg musste er viele Hürden überwinden. Von Till Oppermann

Andras Schäfers weinendes Gesicht kennt in Ungarn jedes Kind. Nachdem seine Mannschaft bei der Fußball-Europameisterschaft im Sommer 2021 unglücklich im finalen Gruppenspiel gegen Deutschland ausgeschieden war, stand der Mittelfeldspieler tränenüberströmt vor den Fans seiner Mannschaft und applaudierte. Auch sein Kopfballtor gegen Manuel Neuer reichte nicht zum Achtelfinaleinzug.

Etwas mehr als ein Jahr danach bekommen Schäfer und seine Teamkollegen ihre Chance sich zu revanchieren. Am Freitag trifft Ungarn in der Nations League erneut auf Deutschland. Erstmals wird Schäfer dann als Bundesliga-Stammspieler zu seiner Nationalmannschaft reisen.

Andras Schäfer jubelt im Trikot der ungarischen Nationalmannschaft. Quelle: imago images/Newspix
Andras Schäfer jubelt für Ungarn. | Bild: imago images/Newspix

Eingewöhnungszeit beendet

Es sei immer sein Traum gewesen, in der Bundesliga zu spielen, sagte Andras Schäfer vor einigen Wochen in einem Interview mit den Klubmedien des 1. FC Union Berlin. Nachdem er bereits zur Rückrunde der Vorsaison in die Bundesliga kam, hat sich Schäfer den Teil mit dem "Spielen" in den ersten Wochen der neuen Saison so richtig erfüllt. In den letzten vier Pflichtspielen der Eisernen stand der 23-Jährige stets in der Startelf.

"Das Tempo hier ist viel höher, die Spieler viel besser", erklärte er seine Eingewöhnungszeit nach dem Wechsel aus der Slowakei zu Union. Mittlerweile bereichert er den Spitzenreiter mit seiner guten Technik, dynamischen Läufen, kreativem Passspiel und robustem Zweikampfverhalten.

Über Umwege zum Spieler des Jahres

Insbesondere letzteres traute ihm in seiner Heimat lange niemand zu. Weil Schäfer Asthma hat und als Jugendspieler in den Augen seiner Trainer zu klein und schmächtig war, spielte er trotz seiner technischen Finesse wenig. Erst spät wurde er entdeckt. Nach einer guten Saison in der zweiten ungarischen Liga wechselte er nach Italien, dort konnte er sich nicht durchsetzen. Es folgte der Umweg über die Slowakei.

Nach der Europameisterschaft erinnerte sich Schäfer: "Vor einem Jahr hoffte ich noch irgendwie in die Startelf meines Vereins zu kommen, ich konnte nur davon träumen, mein Land zu repräsentieren." Sein Nationaltrainer Marco Rossi vertraute ihm als einige Stammkräfte ausfielen, Schäfer zahlte es ihm mit guten Leistungen zurück. Monate später wurde der immer noch eher schmale Mittelfeldspieler zum ungarischen Fußballer des Jahres 2021 gewählt.

Durch die Backsteinmauer

Wohl auch weil seine Landsleute Schäfers Unerschrockenheit schätzen. Nach seinem Tor gegen Deutschland, bei dem er fast mit dem deutlich größeren Manuel Neuer zusammengerasselt wäre, sagte er, dass ihm der mögliche Zusammenprall egal gewesen sei. "Ich hätte den Ball durch eine Backsteinmauer geköpft, um zu treffen."

Mit dieser Einstellung wird der eiserne Andras auch am Freitag der deutschen Nationalmannschaft begegnen. Im ungarischen Trikot wurde er schon auf jeder Position im zentralen Mittelfeld eingesetzt, nun wird er vermutlich als eher defensiver Mittelspieler die Aufgabe bekommen, deutsche Angriffe zu zerstören und den gewonnenen Ball mit seinen Dribblings in die gegnerische Hälfte zu tragen.

Selbstbewusster Underdog

Das Schönste am Fußball sei es, gegen eine der besten Mannschaften der Welt ohne Druck und mit einem Gefühl der Freiheit spielen zu können, schwärmte Schäfer Anfang September nach dem Remis mit Union gegen den FC Bayern. Angesichts der Tatsache, dass auch ohne die abgereisten Manuel Neuer und Leon Goretzka noch fünf Bayern-Profis für Deutschland spielen, könnte sich dieses Spielgefühl wiederholen. Union würde schließlich beweisen, dass Teamarbeit Unterschiede zwischen Einzelspielern ausgleichen kann – genau wie bereits vor einem Jahr die ungarische Mannschaft, so Schäfer.

Auch wenn der Ungar in Union-Manier bereitwillig versucht, in die Rolle des Underdogs zu schlüpfen, mangelt es ihm nicht an Selbstvertrauen. Auf die Frage, ob er ein verdienter Fußballer des Jahres sei, antwortete Schäfer: "Wenn jemand mich fragen würde, eine Liste zu schreiben, würde ich mit meinem Namen anfangen."

Sendung: rbb24 Inforadio, 20.09.2022, 10:15 Uhr

Beitrag von Till Oppermann

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