Spielanalyse - Gegen RB Leipzig verkörperte Andras Schäfer Union Berlin

So 21.08.22 | 10:39 Uhr | Von Till Oppermann
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Andras Schaefer (R) of Union Berlin befindet sich im Zweikampf mit Kevin Kampl von RB Leipzig. (Foto: picture alliance/Xinhua News Agency)
Audio: rbb24 inforadio | 20.08.2022 | Nikolaus Hillmann | Bild: picture alliance / Xinhua News Agency

Der 1. FC Union siegt im Stadion an der Alten Försterei im Kollektiv. Aber gegen RB Leipzig deutete Andras Schäfer an, dass er schon bald eine Stütze seiner Mannschaft werden könnte. Von Till Oppermann

Kein Fußballer wird gerne ausgewechselt. Andras Schäfer grinste trotzdem bis über beide Ohren, als Urs Fischer ihn in der 74. Minute des Bundesliga-Topspiels seiner Unioner gegen RB Leipzig vom Platz nahm. Fischer hatte dem Mittelfeldspieler mit seinem Startelfeinsatz einen großen Wunsch erfüllt. Der 23-Jährige dankte es seinem Boss erst mit einer guten Leistung und dann mit einer innigen Umarmung.

Schäfer verkörpert Union in doppelter Hinsicht

Fischer sei der Trainer von dem er in seiner Karriere bisher am meisten gelernt habe, schwärmte Schäfer vor dem Spiel im Interview mit dem Vereinsfernsehen. Obwohl er erst seit Januar in Berlin spielt, führte der Ungar weite Teile des besagten Interviews auf Deutsch. Und obwohl Schäfer bis heute kein regelmäßiger Stammspieler im eisernen Mittelfeld ist, verkörpert er sowohl Unions kämpferische Grundtugenden als auch die spielerische Weiterentwicklung der Mannschaft seit dem ersten Bundesligaspiel nach dem Aufstieg, das fast auf den Tag genau vor drei Jahren ebenfalls gegen Leipzig noch mit 0:4 verloren ging.

Union verbindet Kampf mit einer Spielidee

Die Unioner siegten letztlich verdient mit 2:1, aber waren den Leipzigern statistisch gesehen nur bei der Laufleistung und der Anzahl der Fouls überlegen. Allein daraus könnte man schließen, dass die Köpenicker vor allem wegen ihrer robusten Spielweise und dem großen Aufwand gewonnen haben. Das würde aber zu kurz greifen.

Beide Treffer fielen nach einem Ballgewinn im Mittelfeld, auf den ein vertikaler Pass auf die Sturmspitzen Sheraldo Becker und Jordan Siebatcheu folgte, die zielstrebig zum Abschluss kamen. Jeweils brauchte Union vom Ballgewinn bis zum Torerfolg höchstens zwölf Sekunden. Schablonenartig. Fischer lobte knapp: "Bereitschaft, Kompaktheit und gutes Umschalten, da war die Mannschaft heute sehr präzise und gut." Robin Knoche ergänzte: "Wir waren super auf den Gegner eingestellt und haben unseren Plan gut umgesetzt."

Vor dem 2:0 zeigte Schäfer seine Klasse

Ein Teil dieses Plans war die Hereinnahme von Andras Schäfer. Vor dem Spiel begründete Fischer dessen Einsatz mit einer guten Trainingswoche. Aber Schäfers Qualitäten passen perfekt zu einem Gegner wie RB Leipzig, der mit vielen Verlagerungen die ganze Breite des Feldes ausnutzt und hoch presst. Gegen die vielen Seitenwechsel ist hohe Laufbereitschaft gefragt und wer RB im Aufbau den Ball abluchst, findet viel Platz für den schnellen Becker hinter der Abwehrkette. Beides kann Schäfer, letzteres bewies er vor dem 2:0. Er gewann im Mittelfeld mit einer Grätsche gegen Konrad Laimer den Ball und suchte sofort Siebatcheu in der Tiefe, der für Becker auflegte.

Vergleich mit Laimer lohnt sich

Generell lohnt der Vergleich mit Laimer, um Schäfers Wert für Union und sein Potenzial in der Zukunft einzuschätzen. Beide Akteure wurden mit ähnlichen Aufgaben im 3-5-2 auf der Achterposition im zentralen Mittelfeld aufgeboten. Weil Laimer nur drei Minuten vor Schäfer ausgewechselt wurde, lassen sich auch ihre Statistiken gut vergleichen. Dass Laimer mehr Pässe spielte, die mit einer Quote von 74 zu 53 Prozent deutlich konstanter ankamen, ist nicht etwa Schäfers Ungenauigkeit geschuldet Der Unioner musste bei nur 33 Prozent Ballbesitz seiner Mannschaft einfach häufiger riskant in die Tiefe spielen.

Schäfer könnte Laimers Entwicklung folgen

Anders sieht es bei Laufleistung und Zweikampfquote aus: Hier dominiert Schäfer mit 10,06 zu 8,49 Kilometern und 70 zu 43 Prozent gewonnener Zweikämpfe. Laimer gilt als einer der besten zentralen Mittelfeldspieler der Liga. Dem FC Bayern wurde großes Interesse an einer Verpflichtung nachgesagt. Wenn Schäfer, zu dessen Stärken auch Tempo und gutes Dribbling gehören, Konstanz in seine Leistungen bekommt, blüht ihm eine ähnliche Entwicklung wie dem zwei Jahre älteren Österreicher. Sportdirektor Oliver Ruhnert hat für im Bundesligavergleich eher lächerliche eine Million Euro einen Rohdiamanten verpflichtet.

Neue Generation überzeugt

Union sei ein besonderer Verein, schwärmte Schäfer kürzlich, der auf dem Weg in die Bundesliga nach einem verschenkten Jahr in Italien den Umweg über die hierzulande eher unbekannte slowakische Liga nahm. Der reflektierte Schäfer weiß, was er am familiären Umfeld bei Union hat. Die Chancen stehen gut, dass er den Eisernen eine Weile erhalten bleibt.

Dass mit Schäfer auch die jungen Paul Jaeckel, Julian Ryerson (beide 24 Jahre alt) und Diogo Leite (23) erneut überzeugten, bestätigt Ruhnerts Weg, der den Kader im Sommer im Schnitt um zwei Jahre verjüngte. Die eisernen Zukunftsperspektiven glänzen. Auf dem Weg dahin leben sie weiter den Moment. In Anbetracht der Atmosphäre nach dem Sieg breitete Schäfer weiterhin breit grinsend seine Arme aus und sagte: "Was soll ich sagen."

Sendung: rbb24 Inforadio, 20.08.2022, 21 Uhr

Beitrag von Till Oppermann

15 Kommentare

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  1. 15.

    Bei euch ist mittlerweile der Größenwahn angekommen den ihr Hertha immer wieder unterstellt.

    WER HOCH FLIEGT WIRD TIEF FALLEN

  2. 14.

    Mann kann und muss die Ziele am Anfang einer Saison anpassen, aber halt nicht mit @Klassenerhalt“ maßlos untertreiben, bzw. schwindeln!

  3. 13.

    Stimmt, wollte halt eine flapsige Aussage zu diesem Verein machen. Vielleicht werde ich ja noch Politiker.

  4. 12.

    Das sollte man nicht allzu ernst nehmen. Dieser RW ändert nach jedem Spieltag sein "ehrliches und realistisches" Saisonziel. Nach dem Hertha Spiel: Vizemeister; nach Mainz: Top 5; nach RBL: Vizemeister . . . nach drei Niederlagen in Folge . . .

  5. 11.

    "Aber die haben ja in ihrem Kaufrausch, mit dem sie sich ihre zwei Punkte erkauft haben, finanziell etwas verausgabt."

    Wieso verausgabt? Ich mag den Club auch nicht, aber sie haben in diesem Jahr einen ansehnlichen Transferüberschuss erwirtschaftet. Also immer vorsichtig mit diesen leichtfertigen Behauptungen.

  6. 10.

    Immer schön auf dem Teppich bleiben! Sollte es gelingen, wäre es fantastisch. Wenn nicht, wäre es aber auch keine Enttäuschung, oder?

  7. 9.

    Ich schaue nur nach hinten,um eine Entwicklung zu beschreiben. Hast mich wohl komplett falsch verstanden. Ich bin mir sicher, dass UNION schon weiß, wie die nächsten Jahre weiter gehen soll. Auch was das NLZ angeht. Im Übrigen war diese Entwicklung schon zwei Jahre vorher in Liga zwei zusehen.
    EISERN

  8. 8.

    Immer nur nach hinten schauen ist nicht gut. Jetzt ist ein guter Zeitpunkt mit breiter Brust und Selbstvertrauen nach vor zu schauen, wohin es weiter geht. Langfristige neue Perspektiven setzten.
    1FCU

  9. 7.

    Und jetzt angemessene Prioritäten setzen, unter die ersten Drei sollte realistisch sein! Da freuen wir uns auf ein weiteren neuen verdienten Wettbewerb!!!
    Eisern

  10. 6.

    Die nächste Stufe sollte dann das neue NLZ sein, um selbst dafür zu sorgen eigenen Nachwuchs zu integrieren, was uns bisher noch nicht so gelingt.

    Kein Wunder, tummeln sich in diesem Haifischbecken in unserer Region nicht nur die ortsansässigen Clubs.

    Je länger sich der FCU so präsentiert und andere Mitbewerber tendenziell auf dem absteigenden Ast sind, so höher die Chance in Zukunft auch eigene Rohdiamaten im neuen NLZ zu schleifen.

  11. 5.

    Wollen wir mal hoffen, dass uns Spieler wie Andras noch etwas länger erhalten bleiben. O.K. der Büchsenverein kann ihn gerne für 100 Millionen haben. Aber die haben ja in ihrem Kaufrausch, mit dem sie sich ihre zwei Punkte erkauft haben, finanziell etwas verausgabt. Oder wir tauschen ihn gegen den Timo Werner. Ach nee, doch besser nicht. Warum? Andras ist jetzt ein Eiserner. Herzlich willkommen!

  12. 4.

    Einfach phantastisch, welche Entwicklung dieser Verein gemacht hat. Erstes Bundesligaspiel:
    0:4... Drei Jahre später gewinnen wir vier Derbys und viermal muss der Brauseclub dran glauben. Und die Taktik bei der Entwicklung, auf Jahre geplant, geht voll auf. Mit Erfahrung in die Mission Bundesliga gestartet, und nach und nach talentierte, junge Spieler eingebaut. Und immer auf dem Teppich geblieben.
    EISERN

  13. 3.

    Und ich sage: doch 2.Platz am Ende der Saison sollte das ehrliche und realistische Ziel sein!

  14. 2.

    Danke für die gute Analyse, Till Oppermann. Sehr schön der "Kniff", diese am Spieler Andras Schäfer zu orientieren, denn er steht als symptomatisches Beispiel für den gestriges Erfolg des FCU. Sehr gut hat mir auch der junge Diogo Leite gefallen, der nahezu alles was kam souverän wegverteidigt hat. Aber man könnte auch alle anderen Spieler (und nat. den Fischer Urs) anführen, da das gestern wieder eine Top Teamleistung nach den Vorgaben des Trainerstabs war.

    PS: Wenn ich mir notgedrungen mal den Inforadio Podcast "Hauptstadtderby" mit Kruse und Beeck anhöre, da der schöne RadioEins PC "Union am Ball" mit MC Lücke ja leider nach nur einer Saison wegrationalisiert wurde - Danke Frau Schlesinger! -, fasse ich mir nicht selten an die Rübe. Letztens behaupteten die beiden z. B. unisono, dass Sportjournalisten/-reporter generell null Ahnung vom Fussball haben. Till Oppermann hat hier wieder mal den Gegenbeweis angetreten.

  15. 1.

    Ich erkenne auch die Leistungen von Union an und drücke gerne weiter die Daumen.

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