Interview | Füchse-Sportvorstand Stefan Kretzschmar - "In Berlin muss man hart kämpfen, um Aufmerksamkeit zu bekommen"

Mo 28.11.22 | 17:43 Uhr
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Stefan Kretzschmar, Sportvorstand der Füchse Berlin. / imago images/Eibner
Video: rbb24 | 29.11.2022 | Dennis Wiese | Bild: imago images/Eibner

Seit knapp drei Jahren ist Stefan Kretzschmar Sportvorstand der Füchse Berlin. Sportlich geht es aufwärts, aktuell ist der Handball-Bundesligist Tabellenführer. Ein Gespräch über Identifikation, die Stärken des Teams und den Traum von Titeln.

rbb|24: Herr Kretzschmar, Tabellenführer in der Handball-Bundesliga, in der European League auch ganz weit vorne. Wie viel Spaß macht Ihr Job gerade?

Stefan Kretzschmar: Eigentlich macht er schon seit zweieinhalb Jahren relativ viel Spaß. Es ist viel zu tun: medial, mannschaftsintern und auch mit Sponsoren. Das ist bei so einem ambitionierten Verein und Projekt wie hier in Berlin vielleicht ein bisschen mehr als in vielen anderen Vereinen. So eine zeitintensive Aufgabe war anfangs nicht geplant, aber ich steigere mich da immer mehr rein. Mit der Zeit wächst die Identifikation mit dem Team und dem Klub. Dann merke ich schon, wie ehrgezig ich persönlich bin und genauso nehme ich das auch in der Mannschaft und im gesamten Verein wahr. Und wenn es Spaß macht, arbeitet man gerne.

Zur Person

Was gehört genau zu den Aufgaben des Sportvorstandes Stefan Kretzschmar?

Ich bin in erster Linie Kommunikations-Bindeglied. Ich bin also Ansprechpartner für die Spieler, die schon hier sind und ich habe mir mit Bob [Hanning, Geschäftsführer; Anm. d. Red.] und Jaron [Siewert, Trainer; Anm. d. Red.] Gedanken zu machen, wie wir den Verein und die Mannschaft in Zukunft aufstellen wollen. Da geht es darum, Ideen zu entwickeln, welche Spieler uns weiterhelfen könnten und auch mit den bestehenden Spielern zu sprechen, die nach Möglichkeit noch gerne länger hier bleiben würden.

Und abseits der direkten Arbeit an und mit der Mannschaft?

Es sind auch ganz andere Aufgaben wie Sponsorengespräche, damit wir unser Budget erweitern und uns besser aufstellen können. Oder die mediale Außendarstellung. Sie spielt natürlich über unsere Social-Media-Kanäle, aber auch mit ganz normalen Interviews eine Rolle. In Berlin muss man hart kämpfen, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Das ist ein anderes Pflaster als Magdeburg oder Lemgo. Hier muss man sich behaupten. Das ist eine größere Herausforderung.

Sie haben eben gesagt, Sie steigern sich in die Aufgabe hinein. Würden Sie sagen, dass es nun - nach knapp drei Jahren - der beste Stefan Kretzschmar in dieser Rolle ist?

Das weiß ich nicht. Aber es ist zumindest die beste Mannschaft, mit der ich jetzt arbeite. Ich stelle fest, dass es immer mehr meine Mannschaft ist, die ich mitentwickeln und zusammenstellen durfte. Im ganzen Prozess des Zusammenstellens, angefangen mit den ersten Gesprächen mit den meisten dieser Spieler, war ich involviert beziehungsweise federführend. Das schärft und vergrößert natürlich Identifikation ungemein, weil ich ein viel persönlicheres Verhältnis zu den Spielern habe.

Wie viel Stolz ist da auch dabei?

Dafür gibt es noch keinen Grund. Stolz entwickelt man - glaube ich - dann, wenn man tatsächlich Titel gewinnt. Ich bin sehr froh über die Entwicklung. Ich sehe, wie unsere Mannschaft und das Trainerteam arbeiten. Das macht mich glücklich. Das muss ich ehrlich sagen. Es ist wesentlich leichteres Arbeiten im aktuellen Erfolgsfall, als wenn wir eine Krise bewältigen müssten. Das hatten wir in meinem ersten Jahr. So lässt es sich besser und euphorischer arbeiten. Und ich hoffe, dass es in naher Zukunft mal einen Grund geben wird, stolz zu sein. Das wäre dann natürlich gleichbedeutend mit einem Titelgewinn.

Wir träumen alle vom maximalen Ziel und das wäre irgendwann die deutsche Meisterschaft und die Champions League.

Füchse-Sportvorstand Stefan Kretzschmar

Zum Beispiel dem deutschen Meistertitel. Den gab es in der Vereinshistorie noch gar nicht. Was lässt Sie denn glauben, dass das mit dieser Mannschaft und vielleicht auch in dieser Saison klappt, Meister zu werden?

Das ist noch weit weg. Klar: Jeder von uns träumt. Man muss sich Ziele bildlich vorstellen können, sonst wird man sie nie erreichen. Wenn man sich Ziele zu gering steckt, werden das auch die Ergebnisse sein, die man dann erzielt. Wir träumen alle vom maximalen Ziel und das wäre irgendwann die deutsche Meisterschaft und die Champions League. Das versuche ich auch in meiner Vision immer den Spielern zu erklären, dass wir dahin wollen und diese Qualität erreichen wollen. Ich mag aber den Ansatz meines Trainers sehr, der tatsächlich immer darauf bedacht ist, die Jungs für den Moment, für das jeweils nächste Spiel zu fokussieren.

Klingt nach dem klassischen "von Spiel zu Spiel denken".

Natürlich könnt ihr alle diesen Satz nicht mehr hören. Es ist auch irgendwie blöd, das immer wieder zu formulieren. Aber so funktioniert die Liga. Wir sehen jedes Wochenende, dass Mannschaften stolpern können, dass diese Gefahr sehr groß ist. Die Qualität ist hoch. Deshalb sind wir gut beraten, uns tatsächlich jetzt wieder auf den nächsten Gegner zu konzentrieren. Aber eben auch das ganz große Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Denn da wollen wir hin, dass hier unter dem Hallendach irgendwann auch mal eine Fahne hängt "Deutscher Meister" oder dass wir Champions League spielen. Das ist unser großes Ziel und dafür arbeiten wir alle ziemlich hart.

Sie sagen, Sie wollen die Spieler in die Vision einbinden. Wie funktioniert das ganz praktisch?

Glaubwürdigkeit ist enorm wichtig. Spieler merken relativ schnell, ob du sie anlügst und ihnen was vormachst oder ehrlich mit ihnen sprichst und selbst Feuer gefangen hast. Wenn es dich selbst nicht interessiert, wenn du selbst nicht dafür brennst und hart arbeitest, glaubt es dir am Ende auch keiner. Du solltest den Spielern offen sagen, wie die Perspektiven des Vereins zu sehen sind - dazu gehört auch ganz klar, wo die Grenzen sind: im ökonomischen und momentan vielleicht auch im sportlichen Bereich. Dann musst du sie auf die Reise mitnehmen. Glücklicherweise sind Spieler sehr ehrgeizig, um dir auch zu folgen.

Du musst den Spielern nicht sagen, was wir wollen und was die Zielvorgaben sind. Sie sagen es dir und sie sagen es auch offensiv in Interviews.

Stefan Kretzschmar über den aktuellen Kader

Wohin kann dieser Weg bei den Füchsen führen?

Ich glaube selbst ganz fest daran, dass dieser Verein alle Möglichkeiten hat, dauerhaft europäische Spitze zu spielen. Es ist die Hauptstadt. Es sind tolle Trainingsbedingungen. Bob Hanning hat hier in den letzten Jahren eine hervorragende Infrastruktur aufgebaut. Das ist alles da. Ökonomisch müssen wir uns weiterentwickeln, um die Gehälter der Großen vielleicht auch irgendwann mitzahlen zu können. Das wird nämlich nötig sein, um dauerhaft erfolgreich zu sein. Aber daran arbeiten wir. Da sind wir wiederum auch ehrlich zu den Spielern.

Zurück ins Hier und Jetzt: Was beeindruckt Sie in dieser Saison an der aktuellen Mannschaft?

a) Wie sehr sie brennt. Ich sehe das bei jedem Spiel. Schon in der Kabine und auch, wenn sie rauskommt und in die Halle geht. b) Der Fokus. Bis auf das Spiel gegen Minden [die Füchse verloren beim Tabellenletzten; Anm. d. Red.] hat sie nie abreißen lassen. c) Ganz wichtig: dass sie selbst das Ziel formulieren. Du musst ihnen nicht sagen, was wir wollen und was die Zielvorgaben sind. Sie sagen es dir und sie sagen es auch offensiv in Interviews. Da sind sie sehr ambitioniert und sind sich auch alle einig. Dazu kommt, wie hart sie arbeiten. Und dann haben wir noch einen überragenden Trainer, der sie gut vorbereitet und das mit der nötigen Ruhe.

Als nächstes geht es in der European League gegen den portugisieschen Klub Aguas Santas Milaneza (Dienstag, 20:45 Uhr). Was für ein Spiel erwarten Sie?

Die European League ist für uns - und das soll nicht arrogant klingen - auch eine Testphase. Da wollen wir jungen Spielern eine Chance geben. Natürlich haben wir das Final Four als großes Ziel und wollen auch den Titel gewinnen. Aber eine Mannschaft wie die Portugiesen müssen wir in einem Heimspiel einfach schlagen. Das ist keine Frage und auch das soll nicht hochnäsig klingen. Wir müssen sehen, dass wir die Spielanteile verteilen, den jungen Spielern die Möglichkeit geben, europäisch spielen zu können. Das wichtigere Spiel kommt für mich Samstag in Erlangen. Dort sollten dann nach Möglichkeit alle topfit sein.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Dennis Wiese, rbb Sport.

Sendung: rbb24, 28.11.2022, 18 Uhr

1 Kommentar

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  1. 1.

    Sie müssen nur was mit Klima finden z.B. Hallenboden plastikverseucht oder so u. sich mit diesem auf dem BER festkleben - da bekommen Sie ihre Aufmerksamkeit - per Sport nur wenn es um Sportthemen rund um Hertha geht ;-)

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