Wegen Umweltauflagen - Wie sich der Spreewaldmarathon ein Stück weit neu erfindet

So 25.12.22 | 14:20 Uhr | Von Thomas Juschus
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Teilnehmer des Halbmarathon beim Spreewald-Marathon passieren die Buschmühle im Spreewald. (Quelle: dpa/Frank Hammerschmidt)
Bild: dpa/Frank Hammerschmidt

Der Spreewaldmarathon ist Brandenburgs größtes Breitensportevent. Kostensteigerungen und Anforderungen des Naturschutzes machen die Veranstaltung aber schwieriger. 2023 muss deshalb ein besonderes Programm aufgefahren werden. Von Thomas Juschus

Die Planungen für den Spreewaldmarathon 2023 laufen längst wieder auf Hochtouren. Vom 20. bis 23. April heißt es bereits zum 21. Mal "Auf die Gurke, fertig, los!"

Was 2003 mit knapp 3.000 Teilnehmern seinen Anfang nahm, hat sich zur größten Breitensport-Veranstaltung in Brandenburg entwickelt. 2012 vermeldeten die Organisatoren um Vereinschef Hans-Joachim Weidner erstmals mehr als 10.000 Teilnehmer. Der Teilnehmerrekord stammt aus dem Jahr 2019, ehe 2020 und 2021 aufgrund der Corona-Pandemie der Spreewaldmarathon ausfiel; 14.320 Teilnehmer gingen vor drei Jahren in den zehn Sportarten Laufen, Skaten, Radfahren, Wandern, Walken, Run & Bike, Paddeln, Stand up Paddling, Longboard und Handbike in Lübben, Goyatz, Straupitz (alle Landkreis Dahme-Spreewald), Lübbenau (Oberspreewald-Lausitz) und Burg (Spree-Neiße) an den Start.

Über die Veranstaltung

Der Spreewald-Marathon hat eine der flachsten Strecken weltweit (2 Höhenmeter). Der Streckenrekord datiert aus dem Jahr 2005. Damals siegte der Marokkaner Marchane Abdekebir in 2:23,00 Stunden.

Der Radmarathon 2023 mit Start und Ziel in Lübbenau wird erstmals von den Berlinerin Jens Voigt (zweimaliger Etappensieger Tour de France und ehemaliger Stunden-Weltrekordler) und dem Olympia-Teilnehmer und Eurosport-Experten Robert Bengsch moderiert.

Am Sonntag (23. April) startet und endet in Burg der fast schon traditionelle "Antenne Brandenburg-Lauf". Zehn Kilometer müssen die Läuferinnen und Läufer zurücklegen.

Bis zum 1. Februar läuft die zweite Phase der Anmeldungen mit reduzierten Startgebühren. Alle Sportarten und Strecken auf: www.spreewaldmarathon.de

Kosten für Dixi-Toilette von 60 Euro auf 300 Euro am Tag angestiegen

Beim Neustart in diesem Jahr gingen die Anmeldungen um fast ein Drittel zurück. Etwas mehr als 9.000 Teilnehmer verzeichnete der Spreewaldmarathon. Für die Veranstaltung ein herber Einschnitt, da sie sich nach eigenen Angaben zu 90 Prozent aus den Startgeldern finanziert. Die übrigen zehn Prozent steuern als Sponsoren die Sparkassen der drei Landkreise sowie mit Fördermitteln das Brandenburger Ministerium für Bildung, Jugend und Sport bei.

Neben geringeren Einnahmen auf der einen Seite hat Vereins-Chef Hans-Joachim Weidner auf der anderen Seite auch mit deutlich gestiegenen Ausgaben und Sicherheitsauflagen zu tun. Für 2023 rechnet er erstmals mit Ausgaben von mehr als 300.000 Euro - damit hätten sich die Kosten in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt (2011: 152.926,10 Euro). "Wir erleben gerade eine Preisexplosion. Vor Corona hat mich eine Dixi-Toilette 60 Euro am Tag gekostet - jetzt sind es über 300 Euro", sagt Weidner, der in der Vergangenheit aufgrund der vielen Startorte viele Einrichtungen und Services gleich mehrfach vorhalten musste. "Wir können aber aufgrund unserer Erfahrungen nicht alle Kosten an unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei den Startgebühren weitergeben. Da gibt es Schwellenwerte bei denen die Leute nicht mehr kommen", so Weidner. Ein Startplatz im klassischen Marathon-Lauf kostet für Frühbucher weiter 45 Euro.

Traditionelle Route muss für den Naturschutz geändert werden

Für die 21. Ausgabe des Spreewaldmarathons zeichnet sich derzeit ein weiterer Rückgang der Meldungen ab, weil Weidner auch bestimmte Strecken nicht mehr anbieten kann. Der Lauf durch das Biosphärenreservat Spreewald ist nicht mehr erlaubt, auch der bisherige Kurs für den klassischen Marathon am Sonntag mit Start und Ziel in Burg ist nicht mehr möglich. Denn die traditionelle Strecke, die teilweise durch das Zentrum des Naturschutzgebietes Innerer Oberspreewald führte, sei nicht mehr genehmigungsfähig. Die Gründe seien vielschichtig. "Wesentlich waren die potenziellen Störungen des Brutgeschehens im Naturschutzgebiet, das Befahren des Naturschutzgebietes mit Kraftfahrzeugen und die Präzedenzwirkung. Die stetig wachsenden Teilnehmerzahlen bis 2019 spielten auch eine Rolle, waren aber nicht entscheidend", teilt Sprecher Thomas Frey vom Landesamt für Umwelt (LfU) dazu mit.

Der Veranstalter habe deutlich konfliktärmere Streckenführungen für den Marathon und Halbmarathon entwickelt, die als genehmigungsfähig eingeschätzt werden. "Diese Strecken stellen einen geeigneten Kompromiss zwischen Naturschutzzielen und den Vorstellungen der Veranstalter dar. Sie tangieren zum Beispiel das Naturschutzgebiet nur noch auf einem kurzen Abschnitt. Allerdings müssten diese Alternativstrecken nun noch vom Veranstalter bei den Genehmigungsbehörden der Landkreise eingereicht werden", teilte der Sprecher weiter mit.

Der Tourismusverband Spreewald steht hinter dem Spreewaldmarathon, unterstützt diesen und steht mit dem Veranstalter und dem Biosphärenreservat in engem Austausch. Wie viele Übernachtungen auf das Breitensportevent zurückzuführen sind, lasse sich aber nicht genau sagen. "Vielleicht so viel - an den drei Tagen 2019 gab es im Umkreis von 30 Kilometern im Spreewald keine freien Unterkünfte mehr. 2019 war allgemein mit über zwei Millionen Übernachtungen das bisher erfolgreichste touristische Jahr im Spreewald. Der Spreewaldmarathon ist jedes Jahr ein Garant für ausgebuchte Ferienunterkünfte an dem Wochenende und sorgt natürlich auch für volle Restaurants", erklärt Silvia Jonas, Sprecherin beim Tourismusverband Spreewald.

Lübben und Goyatz entfallen als Startorte

Für Hans-Joachim Weidner ist die neue Streckenführung des Spreewaldmarathons, der mehrmals von den Lesern des Fachmagazins "Laufzeit" in die Top Ten der beliebtesten Laufveranstaltungen Deutschlands gewählt wurde, ein fauler Kompromiss. Insbesondere der Wegfall des Biosphärenreservatslaufes wurmt den 64-Jährigen. "Der Wegfall bereitet uns erhebliche Kopfschmerzen. Durch das Fehlen einer der beliebtesten Strecken geht das Konzept '3 Tage laufen' nicht mehr auf." Da Sportler sehr langfristig ihre Veranstaltungsteilnahmen planten, sei der Anmelderückgang kaum noch aufzuholen, "selbst wenn noch kurzfristig eine attraktive Kompromissstrecke gefunden wird." Allein hier seien 1.500 Anmeldungen weniger zu erwarten, so Weidner.

Eine erste Konsequenz für ihn aus rückläufigen Teilnehmerzahlen, steigenden Kosten und größeren Auflagen des Umwelt- und Naturschutzes ist eine Streichung der Startorte Lübben und Goyatz für 2023. Straupitz, Lübbenau und Burg gehören wie bislang weiterhin dazu - mit einem Potpourri an Sportarten. 39 Wettbewerbe auf 24 Strecken sind trotzdem geplant. "Wir müssen jetzt gucken, wie lange wir das durchhalten. Unsere Konzeption mit fast 15.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Spitze in einem ländlichen geprägten Raum hat uns aber absolut recht gegeben. Den Sinn unserer Veranstaltung zweifele ich deshalb auch nicht an - im Gegenteil: daraus ziehe ich meine Kraft", sagt Weidner. In den vergangenen 20 Jahren sei ein Wandel durchlebt worde. Dem wolle er sich 2023 nun mit dem Spreewaldmarathon erfolgreich stellen - "Auf die Gurke, fertig, los!"

Beitrag von Thomas Juschus

14 Kommentare

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  1. 14.

    Ich bin in diesem Jahr zum ersten Mal den Spreewald - Marathon gelaufen und war begeistert von der Strecke, der Natur und vor allem auch von der ruhigen Atmosphäre dieses Laufes. Es fällt mir deshalb wirklich schwer zu glauben, dass durch die Veranstaltung tatsächlich Schäden an der Natur verursacht werden.
    Für mich ist das Ganze ein Spiegelbild unsereres Umgangs mit solchen Themen. Wäre mal interessant zu erfahren, wie lange es dauert, bis die entsprechenden Verwaltungen einknicken, wenn ein großer Investor eine noch größere Batteriefabrik im Spreewald bauen möchte...

  2. 13.

    " Menschen sind nicht förder-oder schutzwürdig."
    Also ganz egoistisch beglückwünsche Sie zu dieser Erkenntnis. Endlich mal einer, der's kapiert hat.

  3. 12.

    Eine schöne Tradition aus dem Jahre 2005. Und, Tradition bedeutet die Asche von gestern bzw.vorgestern an zustarren oder das Feuer des Lebens zu fördern.
    Die Veranstaltung hat Herausforderungen,die zu bewältigen sind. Die Erkenntnisse, dass in den bestimmen Gebieten die Natur übermäßig strapaziert wird, die Kosten steigen und die Preise nicht eins zu eins weiter geben werden können.
    Zur Natur sei zu sagen, dass es immer noch Leute gibt, die glauben die Landschaft gebe es zum null Tarif. Herzlichen willkommen im Jahre 2022 bzw bald 2023. Ich könnte auch einfach vor dem Brandenburger Tor parken, weil ich einen Vorteil für mich sehe. Die Regelung besagt die Allgemeinheit hat hier vorrangig und ich habe meine Anliegen anders zu lösen nicht mehr nicht weniger.
    Den Veranstaltern wünsche ich die kreativen Ideen und Konzepte, dass Event Starten zu lassen.
    Allen schöne Feiertage und Start ins neue Jahr.

  4. 11.

    Einfach mal nachdenken: „Kinder haften für ihre Eltern!“
    So ändern uns die Zeiten.

  5. 10.

    Nach Ihnen die Sintflut? Als Rentner haben Sie nun aber wirklich viel Zeit, Demokratie zu begreifen.
    Die Nachwachsenden haben ebenso ein Recht auf Sauerstoff aus der Luft und ein Minimum an Leben in grüner Natur wie Sie.
    Auch als leidenschaftliche Läuferin muss ich nicht mit anderen Massen durch die Natur trampeln, um mich ein Mal großartig zu fühlen. Sportliche Massenevents schaden der Umwelt, dienen lediglich der Unterhaltung und dem Geldbeutel der Veranstalter und sie verblöden die Zuschauenden. Die Werte des Sports kann Jeder im Kleinen und für sich leben. Das wäre authentisch und ökologisch wie sozial hilfreich.

  6. 9.

    Naja, das mit der "freien Natur" ist ja offensichtlich auch nicht wriklich ernst gemeint. Und die Strecken beim Spreewaldmarathon sind nicht mehr oder weniger "scheußlich" wie beispielsweise in der Stadt Berlin. Auch um Burg und Lübben sind die Straßen asphaltiert...

  7. 8.

    Es ist schon beängstigend, wie Holger23 antwortet. Hier hat die sog. Naturschutzstategie schon Erfolg gezeigt.
    Spreewälder sind Kulturmenschen auf kleinem Raum. Wirtschafts- und Kulturraum und haben den Naturschutz nie ausgeschlossen.
    Durch verordneten Naturschutz sind Leittierarten mehr bedroht durch unwissende Menschen und den Spreewaldmarathon.

  8. 7.

    Noch beängstigender ist, dass Holger23 im Stande ist, die Situation zu beurteilen.
    Die Kulturlandschaft Spreewald definiert sich über menschlich behutsames Zutun über mehr als ein Jahrtausend. Der Spreewälder hat sich noch nie den Ast abgesägt, auf dem er sitzt. Seit Jahren versucht ein indoktrinierter und sog. Naturschutz den Spreewäldern die Welt zu erklären in der sie seit Generationen leben, arbeiten und behutsam die Natur nutzen.
    Der Spreewaldmarathon ist eher die unschädliche Variante.

  9. 6.

    Diese Verordnungen gehen ja auf den Druck weniger Personen zurück, die sich anmaßen, im Namen vieler zu handeln und die staatlichen Stellen knicken willig ein, nicht nur in Brandenburg, Hauptsache, man kann sich populistisch anbiedern.

  10. 5.

    Schade das Lübben kein Startort mehr ist. Das ist dann auch mein aus für den Spreewaldmaraton . Schönster Start und Ziel von allem war auf der Schloßinsel.

  11. 4.

    Welche Umweltinitiativen meinen Sie?
    Ich lese hier von Auflagen, welche vom behördlichen Naturschutz erteilt werden. Speziell vom Landesamt für Umwelt und der Unteren Naturschutzbehörde.

  12. 3.

    Der einzige Störfaktor in unserem Land sind die Menschen. Wenn die nichts essen, nichts ausscheiden und irgendwo auftreten würden, wäre die Welt in Ordnung. Dabei ist Sport sooooo gesund. Nicht in der Stadt auf dem scheußlichen Beton, nicht in Sporthallen, die mit furchtbaren Energien beheizt werden müssen. In der freien Natur. Ach geht ja nicht. Frosch vor Mensch. Gruselige Zukunft uns allen.

  13. 2.

    Es ist schon beängstigend, dass es immer noch Menschen gibt, die glauben, dass der Mensch die Natur beherrschen sollte.

  14. 1.

    Es ist schon beängstigend, wie durch Auflagen, die von vermeintlichen Umweltinitiativen ausgehen, Sportveranstaltungen, die dem Wohlbefinden, der Aktivität und der Gesundheit von Menschen dienen, in höchstem Maße eingeschränkt oder unmöglich gemacht werden. Aber Menschen spielen im Weltbild dieser Initiativen keine Rolle, Menschen sind nicht förder-oder schutzwürdig.

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