50 Jahre "Tor des Monats" | Gábor Király - "20 Prozent sind Talent, 80 Prozent Arbeit"

Do 11.03.21 | 22:53 Uhr
Herthas Gabor Kiraly freut sich (Quelle: imago-images)
Bild: imago-images

Als wäre seine graue Jogginghose nicht schon extravagant genug gewesen, schoss der Torhüter Gábor Király 1998 auch noch ein "Tor des Monats". Im Gespräch erzählt er, warum er dabei auch Mitleid empfand und weshalb die Jogginghose ihn auch heute noch begleitet.

rbb|24: Gábor Király, am 22. Juli 1998 haben Sie ein "Tor des Monats" erzielt. Als einer von elf Herthanern und nur fünf Torhütern überhaupt. Erinnern Sie sich denn noch an den Treffer?

Gábor Király: Es war ein Vorbereitungsspiel gegen den Karlsruher SC. Ich wollte einen schnellen Konter einleiten und mit dem Abschlag unseren Stürmer Alphonse Tchami erreichen. Der Ball war ein bisschen zu lang. Karlsruhes Torwart Simon Jentzsch ist auch an die richtige Stelle gekommen, dann aber leider ausgerutscht. In der Zeit springt der Ball über ihn und geht ins Tor.

Sie klingen nicht so, als hätten Sie sich wahnsinnig gefreut?

Natürlich habe ich Mitleid gehabt. Aber ich denke, Simon hat es gut verarbeitet. Und wir sind trotzdem Freunde geblieben.

Wann haben Sie sich das Tor zum letzten Mal angeschaut?

Heute. Ich habe ein Video davon auf meinem Handy.

Als der Ball das erste Mal den Boden berührt, ist er schon weit in der gegnerischen Hälfte. Haben Sie diese mächtigen Abschläge denn geübt?

Natürlich, wie jeder Torhüter. In dem Fall war es auch Glück, dass ich das Tor getroffen haben und der Ball nicht seitlich in Richtung Eckfahne gegangen ist.

Für die Wahl zum Tor des Jahres hat der Treffer trotz allem nicht gereicht.

Dafür habe ich es kassiert, von Olaf Marschall. Ein Fallrückzieher, ein sensationelles Tor (beim 4:3 des 1. FC Kaiserslautern gegen Hertha BSC am 12. September 1998, Anm. d. Red.). So stand für mich das ganze Jahr im Zeichen des Tor des Monats. Eines kassiert, eines geschossen.

Hatten Sie denn eine Torprämie in ihrem Vertrag?

Natürlich nicht. Erst danach.

Sie lachen. Tatsächlich haben Sie wenige Tage nach der Ehrung für das Tor des Monats vorzeitig ihren Vertrag verlängert. Mit Torprämie?

Nein. Unsere Aufgabe als Torhüter ist natürlich, Bälle zu halten, nicht Tore zu schießen. Auch wenn man manchmal in der Schlussphase enger Spiele mit nach vorne kommt.

Haben sie denn noch mal getroffen?

Im Halbfinale des Ligapokals 2000 habe ich gegen Bayer Leverkusen (5:4 n.E. für Hertha, Anm. d. Red.) den vorletzten Elfmeter geschossen. Damals stand Pascal Zuberbühler im Tor. Nicht der kleinste Torhüter. Aber mein Schuss ging vom Pfosten rein. Richtig platziert.

Für einen Torhüter waren Sie überhaupt ziemlich gut im Umgang mit dem Ball. Haben Sie denn zumindest in der Jugend mal als Feldspieler agiert?

Ich war fünf Jahre alt, als ich mit dem Fußball angefangen habe. Im ersten Jahr war ich Stürmer, aber ich wollte unbedingt Torwart sein. Nach einem Jahr durfte ich dann zwischen die Pfosten. Natürlich habe ich in einigen Trainingseinheiten auch im Feld gespielt und das immer ernst genommen. Weil ich zeigen wollte, dass ich auch das konnte.

Auf dem Platz wirkten Sie eher wie ein Spaßvogel, nicht wie ein akribischer Arbeiter.

Ich hatte ein bisschen Talent dafür, Bälle zu fangen. Aber vor allem habe ich viel gearbeitet. Ich glaube, 20 Prozent sind Talent, 80 Prozent Arbeit. Ich war 26 Jahre Profi, habe 882 Ligaspiele gemacht, 108 Länderspiele. Ich habe alles rausgeholt, was möglich war.

Ein ebenso akribischer Arbeiter ist Ihr Landsmann und ehemaliger Mitspieler Pál Dárdai.

Wir kennen uns schon seit der U12-Nationalmannschaft. Wir sind nicht täglich in Kontakt, aber wir können uns jederzeit anrufen und miteinander reden. Nicht nur über Sport, sondern auch privat.

Haben Sie sich denn gefreut, dass er nochmal Trainer geworden ist oder hätte er lieber Jugendtrainer bleiben sollen?

Das ist eine schöne Aufgabe. Pál hat einen Plan und Hertha gehört in die erste Bundesliga.

Seinen Job verloren hat hingegen Michael Preetz.

Wir haben in guten und schlechten Zeiten nebeneinander auf dem Platz gestanden. Das bleibt in unserem Herz. Mit Arne Friedrich, mit Zecke Neuendorf, mit all diesen Leuten stand ich zusammen auf dem Platz. Das ist eine besondere Connection, das bleibt für ewig, denke ich.

Die Hertha-Legende mit deer grauen Schlabberhose macht Schluss: Gabor Kiraly beendet mit 43 Jahren seine Karriere. / imago/Camera 4
Schon sein Vater Ferenc war Fußballer, absolvierte fast 300 Profi-Spiele für den Heimatverein der Királys, den LFC Haladás. | Bild: imago/Camera 4

Für ewig bleibt auch Ihre berühmte, graue Jogginghose in Erinnerung. Die es jetzt auf Ihrer Homepage zu kaufen gibt. In Zeiten von Corona und Homeoffice ist das doch sicher ein Verkaufsschlager?

Unser Portfolio ist ein bisschen größer. Wir haben einen eigenen Fußballverein, eine Torwartschule und auch diesen Shop. Und da auch die Jogginghose. Seit fünf Jahren. Und das nicht nur in grau, so wie ich sie immer getragen haben, sondern auch in schwarz. Der Schnitt stammt aus meiner aktiven Zeit - sehr bequem.

Ihr Fußballverein trägt Ihren Namen, Király SZE. In welche Liga spielt der Klub momentan und wie lauten die Ziele?

Wir spielen in der Regionalliga, sind dort momentan Dritter. Wir wollen in die dritte Liga aufsteigen. Vor allem aber möchte ich die Erfahrung meiner 26 Profi-Jahre weitergeben. Wir haben hier 250 Kinder, vom Kindergarten bis zur A-Jugend. Wir arbeiten mit 22 Trainern, haben eine Reha-Abteilung, kriegen im Sommer auch ein Hotel.

Bei Ihrem Freund Pál Dárdai spielen die Söhne selbst Profi-Fußball. Was ist mit Ihren Kindern?

Meine Tochter ist 20 und studiert, da geht es in Richtung Sport-Psychologie. Mein Sohn wird 17 diesen Sommer. Er ist auch Torwart, spielt bei uns in der Erwachsenen-Mannschaft. Ich behandle ihn genauso wie alle anderen Torhüter. Wir sagen auch "Sie" untereinander. Da gibt es keine Ausnahme.

Trägt er denn auch die graue Jogginghose?

Am Anfang ja. Aber vor drei, vier Jahren hat er seinen eigenen Stil gefunden. Die Leute sollen ihn auch nicht mit mir vergleichen. Er hat eine eigene Persönlichkeit. Er arbeitet hart, macht das super und ich bin hoch zufrieden.

Pál Dárdai sagte unlängst, die eigenen Kinder haben es immer doppelt schwer, wenn ihr Vater zugleich ihr Trainer ist. Vielleicht schicken Sie Ihren Sohn also einfach zur Hertha nach Berlin?

Wir waren auch schon dort, arbeiten mit der Hertha-Akademie zusammen, tauschen uns aus. Corona hat uns gestoppt. Aber sobald es möglich ist, kommen wir wieder nach Berlin. Beide Kinder sind in Berlin geboren, die Verbindung ist sowieso da. Aber erstmal sollen sie noch Kinder sein.

Träumen Sie manchmal vom Fußball? Und wenn ja, halten Sie dann Bälle oder schiessen Sie Tore?

Nein, 26 Jahre waren genug. 26 Jahre lang war ich nur zwei Mal im Urlaub. Ich vermisse momentan gar nichts. Irgendwann kommt das wieder, dann geht der Motor wieder an. Bis dahin: Ich habe alles für den Fußball gegeben. Jetzt möchte ich ein bisschen meine Freiheit haben.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führte Ilja Behnisch.

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