Pferd verweigert, Reiterin schlägt zu - Annika Schleu erlebt Shitstorm nach Kontrollverlust beim Reiten

Fr 06.08.21 | 15:38 Uhr
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Die Berlinerin Annika Schleu auf dem Pferd im Modernen Fünfkampf (Quelle: dpa/Stanislav Krasilnikov)
Bild: dpa/Stanislav Krasilnikov

Die Berlinerin Annika Schleu lag nach zwei Disziplinen im Modernen Fünfkampf bei den Olympischen Spielen auf Goldkurs. Dann kommt das Springreiten, das Pferd verweigert, der Lauf bekommt keine Punkte. Damit nicht genug, Schleu erlebt einen Shitstorm.

Annika Schleu saß mit Tränen überströmt auf dem Rücken des Pferdes "Saint Boy" und konnte gar nicht fassen, was ihr da gerade passierte. Das ihr beim Springreiten zugeloste Pferd verweigerte sich ihrer Kontrolle und ließ sich erst über eine Minute nach Beginn ihres Laufs dazu bewegen, in den Parcours zu starten. Auf dem Abreiteplatz habe man sich "sehr gut verstanden", erklärte Schleu nach dem Wettkampf: "Es gab keinen Fehler." Doch als es im Reiterstadion losgehen sollte, blockte das Tier ab: "Ich war kurz davor, abzugrüßen, bevor es losging, weil ich gemerkt habe, dass irgendetwas ganz und gar nicht stimmt", sagte Schleu.

Davor waren die Bilder, die nun für heftige Netzreaktionen sorgen, allerdings schon über die Bildschirme gelaufen. Angefeuert von der Bundestrainerin Kim Raisner schlug die Berlinerin das sichtlich verängstigte Pferd mit der Gerte. "Hau mal richtig drauf! Hau drauf!", rief Raisner deutlich hörbar ihrem Schützling zu - und Schleu tat wie ihr geheißen.

Shitstorm im Netz wegen "Tierquälerei"

Die Reaktionen auf diese Bilder ließen nicht lange auf sich warten. Im Netz entbrannte direkt nach dem Lauf, den Schleu ohne Punkte auf Rang 31 beendete, ein regelrechter Shitstorm. Auf Twitter und Instagram trendeten am Freitag die Hashtags "Schleu" und "Tierquälerei". Darunter wird Athletin nun Tierquälerei vorgeworfen und ihrer Trainerin Verantwortungslosigkeit. Die weist allerdings jegliche Schuld von sich und ihrer Atheltin. "Es ist nicht ihre Schuld. Das Pferd wollte immer nur zur Tür", sagte sie anschließend und erklärte, dass sie versucht hätten das Pferd zu wechseln.

Die Regeln sehen vor, dass die Athletin das Pferd wechseln kann, wenn es zuvor vier Mal den Sprung verweigert hat. Saint Boy hatte tatsächlich auch vorher schon Probleme. Das Pferd wollte wenige Minuten zuvor bei Gulnas Gubaidullina vom Team des Russischen Olympischen Komitees nicht über die Hindernisse, verweigerte allerdings "nur" drei Mal. Ein Tierarzt erklärte das Pferd für einsatzbereit. Schleu musste auf Saint Boy. Dass sich weder Pferd noch Reiterin wohl fühlten, spielt den Regularien zufolge keine Rolle.

Déjà-vu für die Modernen Fünfkämpferinnen

"Ich kann es kaum glauben, dass uns das zwei Olympische Spiele hintereinander passiert", gestand Bundestrainerin Raisner in der ARD und fing selbst an zu weinen. Ein komplett misslungener Ritt und null Punkte im Springreiten hatten 2016 auch die Träume vom zweiten Olympia-Gold nach 2008 von Lena Schöneborn beendet. "Es kann fast keiner besser nachempfinden als ich. Es war die gleiche Situation wie in Rio", sagte Schöneborn, die auf der Tribüne saß und die bitteren Momente ihrer langjährigen Trainingspartnerin miterlebte: "Es ist der worst, worst case, der jetzt eingetreten ist. Mit allen anderen Punktzahlen hätte man Annika keine Medaille mehr nehmen können."

Es sei tragisch, sagte die grenzenlos enttäuschte Schleu: "Ich werde wohl eine Weile brauchen, um darüber hinwegzukommen." Dabei ging es glänzend los. Zum Auftakt im Fechten hatte die Weltranglisten-Dritte ihre Ambitionen unterstrichen und sich am Donnerstag souverän an die Spitze gesetzt. "Ich bin plötzlich in einer Situation, in der ich noch nie war", sagte sie ungläubig darüber, am Finaltag die Gejagte zu sein. Nach einer guten Leistungen im Schwimmen blieb die WM-Vierte vorne. Dann begann das Drama.

Sendung: rbb UM6, 06.08.2021, 18:00 Uhr

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94 Kommentare

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  1. 94.

    Unser Leben hat halt leider viele Baustellen, unabhängig UND mit Corona und Klimawandel. Tierschutz ist keine Aufgabe für Gelangweilte sondern eine Daueraufgabe ,auch wegen der vielen Ignoranten in unserer Gesellschaft Im vorliegenden Fall hat nicht nur die überforderte Reiterin versagt sondern auch die Trainerin. Da muss sich am Regelwerk was ändern. Tiere sind keine Maschinen. Und nein, es geht aktuell nicht " nur um Tiere als Lückenbüßer". Es geht AUCH immer um Tiere, die können sich nämlich nicht selbst helfen.

  2. 93.

    Da muss ich Ihnen widersprechen. Man kann als Reiter wohl erkennen (oder man sollte es ), ob ein Pferd nur bockig ist, oder panisch reagiert.Und körperliche Gewalt seitens des Reiters verstärkt nur die Panik, man sehe sich doch bloß die Augen des Tieres an. Wer sein Pferd. so wenig "lesen" kann, der sollte sich lieber ein Schaukelpferd kaufen.

  3. 92.

    @Gal: nein, NICHT "plötzlich". Ich habe hier bereits mehrfach öffentlich eindeutig gegen den Pferdesport meine Meinung kundgetan (Trabrennen und Hitze-Kutschenrennen).
    Zu einem anderen Beitrag, der von "Gelangweilten" spricht: also von gelangweilt kann keineswegs die Rede sein. Nur bin ich bei diesem Thema emotional ziemlich getriggert. Mein Weltbild ist NICHT anthropozentrisch. Da geht der Mensch also nicht vor das Wohl der Tiere. Ich billige diesen respektvoll Gleichberechtigung auf diesem Erdball zu.

  4. 91.

    @Mona: ich (Beitrag 1) habe mich schlussendlich vom Reitsport vor vielen Jahren vollständig verabschiedet.
    Einfach, weil man den Tieren damit nie was Gutes tut. Wer bisschen Empathie hat, stelle sich vor, in einem Angstzustand eine Metallstrense oder -kandare in den Mund zu bekommen, festgeschnallt mit Lederriemen. Dazu ein Gewicht auf dem Rücken und dann er Antrieb z.B., wie hier geschehen mit Gerte, damit über HIndernisse zu hüpfen.
    Auch ich kenne die tiefe Verbundenheit, die man mit den Tieren aufbauen kann. Einzig das Ausitzen ohne Sattel und ohne Zaumzeug bei freiem Willen des Tieres wäre ok. Was aber zu gefährlich für die allermeisten Reiter.
    Das Tierwohl sollte auch hier vorgehen. Auch auf Ponyhöfen und überall. Bereits die Stallhaltung ist eine Zumutung für ein Steppentier.

  5. 90.

    In der Tat ist es Tierquälerei, aber man kann dieses Problem nicht allein auf die Athletin und die Trainerin abschieben. Wir wohnen unweit der Rennbahn Hoppegarten und sehen häufig Jockeys nach den Rennen oder dem Training. Um die großen, schreckhaften Tiere unter Kontrolle zu bringen, wird auch hier geschlagen, manchmal auch getreten. Dann muss dieser Sport in Gänze in Frage gestellt werden. Es ist nicht dieses eine arme Pferd, alle sportlich genutzten Tiere werden angetrieben durch den Ergeiz ihrer Athleten und das selten mit netten Worten.

  6. 89.

    Sportsoldaten sind so sehr Soldaten wie Löwenzahn eine Zierpflanze ist. Das ist schlicht Sportförderung unter dem Deckmantel Bundeswehr, um den Steuerzahler übers Ohr zu hauen. Das hat auch nichts mit Kameradschaft zu tun, einen solchen Missstand totzuschweigen.

  7. 88.

    Herr Kühn, die Regelwerke als verantwortlichen, die rohe Behandlung des verängstigten Tieres durch eine wie es scheint völlig unfähige Reiterin, die ihre ganze Erfahrung nicht einbringen kann, um das Tier zu beruhigen (die hiermit bezweifelt werden darf) und eine niveaulose Trainerin, die bei Versagen nur die Schläge als Ausweg kennt, entschuldigenden Fingerzeig hochzuhalten, ist an Erbärmlichkeit nicht zu toppen. Springreiten scheint also eher eine Leistung des Pferdes zu sein, der hochgefeierte Reiter gibt nur die Richtung vor. Für mich genau so wenig Sport wie Schach oder Halma.

  8. 87.

    Mit Schleu kann man nur mitfühlen. Aber warum Tiere die Medaillen holen sollen erschließt sich mir nicht. Jeder Zirkus kämpft mit Tierschutzaufkagen, aber im Sport dürfen Tiere an die Leistungsgrenze getrieben werden. Tiersport sollte man grundsätzlich stilllegen.

  9. 86.

    Shit storm auf dem apple computer getippt, in Nike schuhen und mit lecker macchiato und sandwich mit Schinken auf dem Tisch.
    Solange man die Ausbeutung nicht direkt vorgehalten bekommt, ist das natürlich ethisch korrekt. Was für eine Welt in der wir Leben. Ich halte das Schlagen von Tieren für falsch, nur diese Doppelmoral der shitstormer und Medienaufbereiter ist wirklich abstoßend und ethisch in keiner Weise vertretbar!
    Wie Kinder schon lernen, dient das zeigen mit dem Finger auf andere dazu von eigenen Problemen wegzulenken.

  10. 85.

    Also ich denke mir halt, dass jedes Jahr Milliarden Tiere in Masthaltung unter schlimmsten Bedingungen leben und sterben müssen. Das interessiert kaum jemanden. Und dann schlägt eine Reiterin ihr Pferd und alle rasten aus. Finde ich unverhältnismäßig.

  11. 84.

    Danke, hier schließe ich mich gerne an!

    Tierwohl? Fragwürdig! Tierquälerei? Nein! Das geht zu weit, und es ist heuchlerisch hoch Zehn, jedenfalls bei Manchem.

    Ich kann die ganzen Lissys und Connys und Wendys ja verstehen, wenn zwischen Pferd und Mensch etwas gewachsen ist, was einen verzaubern kann, und dass dann solche Bilder wirklich in der Seele wehtun, kein Problem. Aber es gibt auch noch die Realität! Und in dieser ist das Pferd eben doch hier und da Mittel zum Zweck, um eine ganz bestimmte Leistung zu erreichen. Wer kann schon zweifelsfrei (!) sagen, dass Tiere wie Pferde tatsächlich alles aus Spaß mitmachen, wozu der Mensch das Tier benutzt?!

    Dann bitte konsequent alles was mit Pferden usw. und Sport zu tun hat, zu Ende denken.

    D.M.

  12. 83.

    Bravo Pferdchen , gut gemacht................

  13. 82.

    Welche Leiche? Wer ist denn gestorben?
    Das Tier ist bestimmt nicht durch die Schläge traumatisiert, sondern eher durch den Reitsport an sich. Bitte bleiben Sie bei der Verhältnismäßigkeit.

    Ach, sind Sie eigentlich Vegetarierin oder Veganerin? Wenn nicht, gehen Sie auch über Leichen. Und wenn sie sich pflanzlich ernähren, sind das auch Leichen auf Ihrem Teller....

  14. 81.

    Woher nehmen sie ihre Fachkompetenz um das beurteilen zu können ? Man fängt bekanntlich vor der eigenen Haustür an zu kehren.

  15. 80.

    Solange Tiere vom Gesetzgeber als reine Sache behandelt werden, ist das Tierschutzgesetz eine reine Farce!

    In der "Sache" Pferd hat deren Vorgeschichte zum Menschen schon immer eine besondere Bedeutung genossen. Als Postbote beritten, als Kutschpferd eingesetzt und auf dem Acker als Arbeitspferd genutzt. Von der Antike bis hinein ins 20.Jahrhundert.

    Ich bewundere unsere Reiterstaffel. Wie liebevoll und einfühlend sie mit ihren Schützlingen umgehen und wie jede/r von ihnen eine Symbiose mit diesem Geschöpf bilden.

    Deshalb bin ich, wie hier oft in den Kommentaren beschrieben, nicht der Meinung, dass kein Pferd im "Sportwettbewerb" benutzt werden sollte.
    Es kommt immer auf den menschl. Respekt zum Tier an, in welcher Form der Umgang mit ihm gepflegt wird.

  16. 78.

    Schämt euch! Ihr zieht hier über eine Sportlerin her ohne jegliches Hintergrundwissen. Schimpft dass sie das Tier quält. Ich behaupte, dass jeder von euch Tiere tötet! Denn ob Mücke oder Pferd, woran macht man den Wert Des Lebens eines Tieres fest? Ich finde euren Shitstorm einfach nur peinlich und heuchlerisch. Das typische mit Finger auf andere zeigen.

  17. 77.

    Hier kann sich der Volkszorn wieder richtig austoben. Das ist keine Tierquälerei. Hunde in kleinen Wohnungen halten und die Scheiße auf der Straße liegen lassen ist Menschenquälerei.

  18. 76.

    Vielleicht sollte man diesem sogenannten „Pferdesport“ generell ein Ende setzen. Ob nun Dressur-, Spring- oder Sonstwas reiten. Ebenso tun mir die Pferde auf der Trabrennbahn Leid. Die Tiere machen das alles bestimmt nicht freiwillig.
    Für den Shitstorm kriegt die Frau kein Mitleid von mir.

  19. 75.

    Die Trainerin gehört nachhause auf ihr Sofa und die Reiterin genauso! Ich bin selbst geritten, ich war mit meinem Pferd auf genau drei kleinen Turnieren, und habe dann zum wohl des Tieres beschlossen ich lasse den Turnierquatscj, weil mein Pferd sich da nie wohl gefühlt hat. Warum kann man mit einem Lebewesen nicht respektvoll umgehen, und einfach auch mal danach gehen wie das Tier es empfindet. Wie saint boy das empfinden haben muss, konnte man auch als nicht Reiter erkennen!

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