Ein Jahr bedingungsloses Grundeinkommen - "Die Leute schlafen besser, sie treffen klügere Entscheidungen"

Ein Jahr lang hat Jeremy Scheibe ein bedingungsloses Grundeinkommen von 1.000 Euro monatlich bekommen - vergeben von einem Berliner Verein. Der hofft auf Erkenntnisse für ein Grundeinkommen für alle - und zieht ein positives Fazit.
So richtig glauben konnte es Jeremy Scheibe aus Lübbenau (Oberspreewald-Lausitz) nicht, als er die Nachricht bekam: ein Jahr lang sollte er ein bedingungsloses Grundeinkommen erhalten - 1.000 Euro monatlich zur freien Verfügung. Jetzt, ein Jahr später, zieht er sein Fazit.
"Beruhigt hat mich das schon. Einfach das Gefühl zu haben, da ist noch etwas, auf das man sich stützen kann, das hat mich schon positiv begleitet", erzählt er.
Arbeiten war Jeremy Scheibe in der Zwischenzeit trotzdem. Sein Grundeinkommen hat er aber nicht etwa gespart, sondern für etwas verwendet, mit dem viele Berufsanfänger nach dem Studium zu kämpfen haben. "Ich hatte Bafög-Schulden, die ich so möglichst schnell zurückzahlen konnte, nicht wie sonst über mehrere Jahre", sagt der Lübbenauer.
Einen Teil des Geldes hat er zudem gespendet und er hat einige Reisen unternommen. Seine Arbeit aufzugeben, wenn auch nur für ein Jahr, kam für Scheibe hingegen nicht in Frage.
Verein ermöglicht Grundeinkommen
Ermöglicht hat das Ganze ein Verein aus Berlin, der Jeremy Scheibe im vergangenen Jahr ausgelost hat. Der Verein "Mein Grundeinkommen" begleitet die Aktion mit einer Studie. Er will unter anderem herausfinden, ob die Begünstigten positiver in die Zukunft schauen, so Michael Bohmeyer vom Verein.
"Wir haben das jetzt schon über 1.000 Mal gemacht und haben gelernt, dass die Leute besser schlafen, dass sie klügere Entscheidungen treffen, dass sie teilweise ihre Jobs wechseln und dann Jobs finden, die besser zu ihnen passen und man kann insgesamt sagen, dass sie als Persönlichkeiten aufblühen", zieht Bohmeyer ein positives Fazit. Die Teilnehmer würden zudem gesünder und verhielten sich sozialer.
Bohmeyer ist ein Verfechter des bedingungslosen Grundeinkommens für alle. Die Aktion soll eine Diskussionsgrundlage liefern. Denn unumstritten ist das Grundeinkommen nicht. Unklar ist weiterhin, ob Menschen dann überhaupt noch Jobs im Niedriglohnsektor übernehmen.

Viele Unklarheiten, aber positive Auswirkungen
"Es gibt ein paar Leute, die wahrscheinlich früher oder später eh gekündigt hätten. Die können sich jetzt die Zeit nehmen, den richtigen Job zu finden. Wir erleben aber, dass es einen großen Motivationssprung gibt. Sowohl bei den Leuten, die in ihrem Job bleiben, als auch bei denen, die nun einen neuen Job haben", sagt Michael Bohmeyer.
Den richtigen Job hat auch Jeremy Scheibe gefunden. Der studierte Politikwissenschaftler arbeitet jetzt im Potsdamer Landtag. Dort kann er seine Erfahrungen mit dem Grundeinkommen zukünftig direkt einbringen.
Sendung: Antenne Brandenburg, 17.05.2022, 14:12 Uhr