rbb24
  1. rbb|24
Video: rbb24 Abendschau | 21.08.2022 | Daniel Brose | Quelle: dpa/Sebastian Willnow

Freiwillige Feuerwehren in Brandenburg

"Für das Ehrenamt ist eine Belastungsgrenze erreicht"

Bei den großen Waldbränden in diesem Jahr haben die Freiwilligen Feuerwehren die Hauptarbeit geleistet, die tagelangen Einsätze kosteten Kraft und Nerven. Doch das System Feuerwehr könnte ohne die Freiwilligen nicht bestehen. Von Florian Ludwig

Die Bilder gingen durch ganz Deutschland. Südbrandenburg hat in diesem Jahr schon mehrere Große Waldbrände erlebt: Ausgehend von der Gorischheide in Sachsen, griff ein Waldbrand im Juni auf Brandenburger Gebiet über - insgesamt 800 Hektar in Brandenburg und Sachsen standen in Flammen. In der Lieberoser Heide waren es Anfang Juli fast 100 Hektar, die in Brand geraten waren. Der größte Waldbrand Brandenburgs in diesem Jahr ereignete sich schließlich in der Nähe von Falkenberg. Hier standen Ende Juli ebenfalls rund 800 Hektar in Flammen.

Tausende Kräfte waren bei den Großbränden in munitionsbelasteten Gebieten im Einsatz, die meisten von ihnen frewillig. Das hat Folgen: Schlafstörungen, Erschöpfung, und immer wieder Diskussionen mit Behörden und Arbeitgebern. Doch ans Aufgeben denken die meisten Kameraden nicht.

Personalmangel in der Leitstelle Lausitz

"Das ist wie bei The Day After Tomorrow - dann geht nichts mehr"

Der Fachkräftemangel ist in aller Munde, überall wird Personal gesucht. Doch während beim Bäcker ohne Mitarbeiter "nur" der Ofen kalt bleibt, kann es an anderen Stellen brenzlig werden - beispielsweise, wenn der Leitstelle Lausitz die Leute ausgehen. Von Anke Blumenthal und Florian Ludwig

Probleme, die Fahrzeuge ausreichend zu besetzen

"Wenn die Familie nicht dahinter steht, wenn da kein Rückhalt ist, kann man das nicht machen", sagt Björn Horn, Zugführer bei der Freiwilligen Feuerwehr Herzberg (Elbe-Elster). "Manchmal ist es wirklich belastend, wenn man so viele Einsätze hintereinander hat", sagt er mit Blick auf die vergangenen Monate. Die anstrengendsten Einsätze seien jene in der Nacht, so Horn. "Zwischen zwei und drei Uhr ist man in der Tiefschlafphase. Man läuft erstmal neben der Spur", erzählt er.

Ans Aufgeben denkt er nicht. "Wenn man sich einmal dafür bereit erklärt hat, dann fährt man auch. Das gehört dazu, das ist eine Berufung", wie er sagt.

Horn hat den nötigen Rückhalt. Seine Frau stehe zu 100 Prozent hinter ihm, sein Arbeitgeber, ein Unternehmen für erneuerbare Energien, habe Verständnis. "Das ist ein größerer Konzern, der steckt das leichter weg als ein kleiner Handwerksbetrieb", so Horn.

Doch das ist nicht die Regel. "Wir haben manchmal, gerade tagsüber, Probleme, das nötige Personal zusammenzukriegen", erklärt Horn. Trotz moderner Technik, die Feuerwehren müssten längst überregional zusammenarbeiten, um die nötige Mannschaft zusammenzubekommen.

Sauer ist Horn auf seine Kameraden nicht. Er hat Verständnis dafür, dass jeder auch sein Geld verdienen wolle und andere Verpflichtungen habe. "Im Ehrenamt verdient man leider kein Geld".

Falkenberg/ Elbe-Elster

Bisher größter Waldbrand des Jahres in Brandenburg jetzt offiziell gelöscht

Das Feuer bei Falkenberg (Elbe-Elster) ist gelöscht. Darüber hat am Dienstag der stellvertrende Feuerwehrchef der Verbandsgemeinde Liebenwerda informiert. Der Brand hatte in seiner größten Ausdehnung über 800 Hektar betroffen.

"Es ist eine ehrenamtliche Sache - Manche Sachen gehen vor"

Auch Kreisbrandmeister Steffen Ludewig bemerkt eine zunehmende Erschöpfung der Einsatzkräfte. "Die Motivation ist nach wie vor da", sagt er. "Doch durch die Vielzahl der Einsätze wird es schwierig, die personell abzusichern". Verständnis zeigt aber auch er. "Es ist eine ehrenamtliche Sache, es ist eine Freiwillige Feuerwehr. Manche Sachen gehen da einfach vor", so Ludewig. Auch er berichtet von Problemen, bei Einsätzen tagsüber die Fahrzeuge zu besetzen. Meist müssten gleich mehrere Ortswehren alarmiert werden.

Noch immer ist die Lage in diesem Jahr angespannt, sagt der Kreisbrandmeister. Es werde zudem immer schwieriger für die Kameraden, von ihren Arbeitgebern freigestellt zu werden. Die grundsätzliche Bereitschaft der Unternehmen sei da, doch durch die Vielzahl der Einsätze können längst nicht alle Kräfte zu einem Einsatz eingezogen werden. "Es ist eine Belastungsgrenze erreicht für das Ehrenamt", so Ludewig.

Dabei kommt es besonders bei der Feuerwehr auf das Ehrenamt an, erklärt Martin Neumann, der stellvertretende Leiter der Feuerwehr in der Verbandsgemeinde Liebenwerda. Würden die Arbeitgeber die Freiwilligen für ihre Einsätze nicht freistellen, würde das gesamte System nicht funktionieren, ist er sich sicher. "Wenn unsere Ehrenamtlichen nicht mehr dürften, würde das gesamte System von jetzt auf gleich zusammenbrechen", so Neumann.

Interview | Waldbrand Lieberoser Heide

"Es kann nicht sein, dass wir nach dem Prinzip Hoffnung handeln"

Der Brand in der Lieberoser Heide gilt als gelöscht - die Feuerwehr sucht noch immer nach Glutnestern im Boden. Im Interview spricht der zuständige Amtsdirektor Bernd Boschan über die Lehren aus dem Brand - und stellt deutliche Forderungen.

Faszination Feuerwehr ist ungebrochen

Mit Millioneninvestitionen versucht das Land sich gegen die Überlastung zu stemmen. Doch die Technik kann nicht verhindern, dass in den Wehren nicht jeder Freiwillige zu jedem Einsatz kann.

Die Faszination für die Feuerwehr und damit der Zustrom Freiwilliger ist unterdessen ungebrochen. Das belegen Zahlen des Brandenburger Innenministeriums. So hatten die Freiwilligen Wehren im Land 2015 insgesamt 39.280 Mitglieder. Im letzten Jahr waren es gerade einmal 670 weniger - 38.610.

Eine gegenläufige Entwicklung und damit Hoffnung für die kommenden Jahre zeigt sich bei den Mitgliederzahlen der Jugendfeuerwehren. Waren es 2015 noch 12.805 Jugendliche, die sich freiwillig in der Feuerwehr engagierten, waren es im vergangenen Jahr 16.104 - fast 3.300 mehr, bei insgesamt immer weniger Jugendlichen.

Waldbrände in Brandenburg

Förster fordert: Land soll Kampfmittelbelastung minimieren

Drei Kollegen - zwei sind in der Feuerwehr

Doch Jugendliche haben häufig mehr Zeit als angestellte Arbeitnehmer. Noch komplizierter wird es, wenn die Freiwilligen selbstständig sind, so wie Karsten Gärtner. Er hat in Bad Liebenwerda einen kleinen Malerbetrieb. Zu seinem Geschäft gehören Malerarbeiten, Tapezieren oder Fassaden - "wenn es die Feuerwehr zulässt", wie er sagt.

Auch Karsten Gärtner ist lange in der Feuerwehr, seit 1996. Welchen Stellenwert sie für ihn hat? "An erster Stelle ist die Ehefrau, an zweiter Stelle kommt dann schon das Hobby Feuerwehr", sagt er. Doch ein Hobby sind die zahlreichen Einsätze häufig nicht mehr.

Zwei Angestellte hat Karsten Gärtner in seinem Betrieb, einer von ihnen ist ebenfalls in der Freiwilligen Feuerwehr. Im Ernstfall bleibt oft nur noch ein Mitarbeiter übrig. Es gebe Aufträge, während der ein Feuerwehreinsatz unmöglich sei, erklärt er. "Bei anderen Arbeiten überlegen wir dann. Geht einer von uns? Gehen beide?" Oft wechseln sie sich bei ihren Einsätzen ab.

Die meisten Kunden hätten Verständnis. "Aber es gibt auch Sitationen, in denen die Kunden sagen, Mensch, es ist schön, dass ihr wieder mal da seid", sagt Gärtner. Bei den letzten beiden Großschadenslagen, bei Mühlberg und Falkenberg, waren jeweils beide im Einsatz. "Die Laune der Kunden kann ich teilweise auch verstehen. Es ist ja nicht so, dass man in zwei Stunden wiederkommt, sondern manchmal erst nach drei, vier oder fünf Tagen."

Brandstelle im Grunewald

Nach dem Ascheregen

In einer Nacht Anfang August wurden Tausende Berliner durch einen lauten Knall geweckt - im Grunewald war der Sprengplatz der Polizei in Brand geraten. Wie sieht es dort eine Woche nach dem Ende des Einsatzes aus?

Freiwillige Einsätze als Verlustgeschäft

Gärtner kritisiert vor allem den bürokratischen Aufwand, den die Freiwilligkeit in Verbindung mit Selbstständigkeit mit sich bringt. Ja, er werde weiter bezahlt, sagt er. Doch vieles muss beachtet werden.

Die Entschädigung für den Verdienstausfall muss beantragt werden, erklärt Gärtner. Das macht er sowohl für sich, als auch für seinen Mitarbeiter. Zwei unterschiedliche Formulare seien dafür bereits nötig. Bei den Großschadenslagen gibt es wieder andere Formulare, dann übernimmt der Landkreis die Erstattung. Bei kleineren Einsätzen springt die Verbandsgemeinde Liebenwerda ein. "Jeder Antrag ist irgendwie anders auszufüllen. Da sind auch Sachen dabei, bei denen man zum Steuerberater muss, nachfragen muss", sagt er. Ein zusätzlicher Aufwand, neben seiner eigentlichen Arbeit und den Einsätzen bei der Feuerwehr.

Alles bekommt Gärtner außerdem nicht erstattet. "Deswegen bin ich oft gespalten, überhaupt zum Einsatz zu fahren. Zum Einsatz zu gehen ist oft ein finanzieller Verlust", erklärt der Maler.

Karsten Gärtner wünscht sich einerseits mehr hauptberufliche Kräfte, andererseits einen besseren finanziellen Ausgleich. "Dann fällt es jedem leichter, auch wieder zur Feuerwehr zu gehen."

Eines wird im Gespräch mit den freiwilligen Kräften deutlich. Trotz aller Belastungen, trotz des zusätzlichen Aufwandes - keiner der Feuerwehrleute denkt über einen Austritt aus der Feuerwehr nach. Denn die Feuerwehr, das ist immer wieder zu hören, ist nicht nur ein Hobby. Sie ist Berufung. Und ohne die Freiwilligen würde das gesamte System Feuerwehr komplett in sich zusammenstürzen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 20.08.2022, 18:00 Uhr

Artikel im mobilen Angebot lesen