Freiwillige Feuerwehren in Brandenburg - "Für das Ehrenamt ist eine Belastungsgrenze erreicht"

So 21.08.22 | 12:38 Uhr
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Qualm von Glutnestern und kleineren Feuern steht am 29.07.2022 in einem Wald im Landkreis Elbe-Elster (Quelle: dpa/Sebastian Willnow)
Video: rbb24 Abendschau | 21.08.2022 | Daniel Brose | Bild: dpa/Sebastian Willnow

Bei den großen Waldbränden in diesem Jahr haben die Freiwilligen Feuerwehren die Hauptarbeit geleistet, die tagelangen Einsätze kosteten Kraft und Nerven. Doch das System Feuerwehr könnte ohne die Freiwilligen nicht bestehen. Von Florian Ludwig

Die Bilder gingen durch ganz Deutschland. Südbrandenburg hat in diesem Jahr schon mehrere Große Waldbrände erlebt: Ausgehend von der Gorischheide in Sachsen, griff ein Waldbrand im Juni auf Brandenburger Gebiet über - insgesamt 800 Hektar in Brandenburg und Sachsen standen in Flammen. In der Lieberoser Heide waren es Anfang Juli fast 100 Hektar, die in Brand geraten waren. Der größte Waldbrand Brandenburgs in diesem Jahr ereignete sich schließlich in der Nähe von Falkenberg. Hier standen Ende Juli ebenfalls rund 800 Hektar in Flammen.

Tausende Kräfte waren bei den Großbränden in munitionsbelasteten Gebieten im Einsatz, die meisten von ihnen frewillig. Das hat Folgen: Schlafstörungen, Erschöpfung, und immer wieder Diskussionen mit Behörden und Arbeitgebern. Doch ans Aufgeben denken die meisten Kameraden nicht.

Probleme, die Fahrzeuge ausreichend zu besetzen

"Wenn die Familie nicht dahinter steht, wenn da kein Rückhalt ist, kann man das nicht machen", sagt Björn Horn, Zugführer bei der Freiwilligen Feuerwehr Herzberg (Elbe-Elster). "Manchmal ist es wirklich belastend, wenn man so viele Einsätze hintereinander hat", sagt er mit Blick auf die vergangenen Monate. Die anstrengendsten Einsätze seien jene in der Nacht, so Horn. "Zwischen zwei und drei Uhr ist man in der Tiefschlafphase. Man läuft erstmal neben der Spur", erzählt er.

Ans Aufgeben denkt er nicht. "Wenn man sich einmal dafür bereit erklärt hat, dann fährt man auch. Das gehört dazu, das ist eine Berufung", wie er sagt.

Horn hat den nötigen Rückhalt. Seine Frau stehe zu 100 Prozent hinter ihm, sein Arbeitgeber, ein Unternehmen für erneuerbare Energien, habe Verständnis. "Das ist ein größerer Konzern, der steckt das leichter weg als ein kleiner Handwerksbetrieb", so Horn.

Doch das ist nicht die Regel. "Wir haben manchmal, gerade tagsüber, Probleme, das nötige Personal zusammenzukriegen", erklärt Horn. Trotz moderner Technik, die Feuerwehren müssten längst überregional zusammenarbeiten, um die nötige Mannschaft zusammenzubekommen.

Sauer ist Horn auf seine Kameraden nicht. Er hat Verständnis dafür, dass jeder auch sein Geld verdienen wolle und andere Verpflichtungen habe. "Im Ehrenamt verdient man leider kein Geld".

"Es ist eine ehrenamtliche Sache - Manche Sachen gehen vor"

Auch Kreisbrandmeister Steffen Ludewig bemerkt eine zunehmende Erschöpfung der Einsatzkräfte. "Die Motivation ist nach wie vor da", sagt er. "Doch durch die Vielzahl der Einsätze wird es schwierig, die personell abzusichern". Verständnis zeigt aber auch er. "Es ist eine ehrenamtliche Sache, es ist eine Freiwillige Feuerwehr. Manche Sachen gehen da einfach vor", so Ludewig. Auch er berichtet von Problemen, bei Einsätzen tagsüber die Fahrzeuge zu besetzen. Meist müssten gleich mehrere Ortswehren alarmiert werden.

Noch immer ist die Lage in diesem Jahr angespannt, sagt der Kreisbrandmeister. Es werde zudem immer schwieriger für die Kameraden, von ihren Arbeitgebern freigestellt zu werden. Die grundsätzliche Bereitschaft der Unternehmen sei da, doch durch die Vielzahl der Einsätze können längst nicht alle Kräfte zu einem Einsatz eingezogen werden. "Es ist eine Belastungsgrenze erreicht für das Ehrenamt", so Ludewig.

Dabei kommt es besonders bei der Feuerwehr auf das Ehrenamt an, erklärt Martin Neumann, der stellvertretende Leiter der Feuerwehr in der Verbandsgemeinde Liebenwerda. Würden die Arbeitgeber die Freiwilligen für ihre Einsätze nicht freistellen, würde das gesamte System nicht funktionieren, ist er sich sicher. "Wenn unsere Ehrenamtlichen nicht mehr dürften, würde das gesamte System von jetzt auf gleich zusammenbrechen", so Neumann.

Faszination Feuerwehr ist ungebrochen

Mit Millioneninvestitionen versucht das Land sich gegen die Überlastung zu stemmen. Doch die Technik kann nicht verhindern, dass in den Wehren nicht jeder Freiwillige zu jedem Einsatz kann.

Die Faszination für die Feuerwehr und damit der Zustrom Freiwilliger ist unterdessen ungebrochen. Das belegen Zahlen des Brandenburger Innenministeriums. So hatten die Freiwilligen Wehren im Land 2015 insgesamt 39.280 Mitglieder. Im letzten Jahr waren es gerade einmal 670 weniger - 38.610.

Eine gegenläufige Entwicklung und damit Hoffnung für die kommenden Jahre zeigt sich bei den Mitgliederzahlen der Jugendfeuerwehren. Waren es 2015 noch 12.805 Jugendliche, die sich freiwillig in der Feuerwehr engagierten, waren es im vergangenen Jahr 16.104 - fast 3.300 mehr, bei insgesamt immer weniger Jugendlichen.

Drei Kollegen - zwei sind in der Feuerwehr

Doch Jugendliche haben häufig mehr Zeit als angestellte Arbeitnehmer. Noch komplizierter wird es, wenn die Freiwilligen selbstständig sind, so wie Karsten Gärtner. Er hat in Bad Liebenwerda einen kleinen Malerbetrieb. Zu seinem Geschäft gehören Malerarbeiten, Tapezieren oder Fassaden - "wenn es die Feuerwehr zulässt", wie er sagt.

Auch Karsten Gärtner ist lange in der Feuerwehr, seit 1996. Welchen Stellenwert sie für ihn hat? "An erster Stelle ist die Ehefrau, an zweiter Stelle kommt dann schon das Hobby Feuerwehr", sagt er. Doch ein Hobby sind die zahlreichen Einsätze häufig nicht mehr.

Zwei Angestellte hat Karsten Gärtner in seinem Betrieb, einer von ihnen ist ebenfalls in der Freiwilligen Feuerwehr. Im Ernstfall bleibt oft nur noch ein Mitarbeiter übrig. Es gebe Aufträge, während der ein Feuerwehreinsatz unmöglich sei, erklärt er. "Bei anderen Arbeiten überlegen wir dann. Geht einer von uns? Gehen beide?" Oft wechseln sie sich bei ihren Einsätzen ab.

Die meisten Kunden hätten Verständnis. "Aber es gibt auch Sitationen, in denen die Kunden sagen, Mensch, es ist schön, dass ihr wieder mal da seid", sagt Gärtner. Bei den letzten beiden Großschadenslagen, bei Mühlberg und Falkenberg, waren jeweils beide im Einsatz. "Die Laune der Kunden kann ich teilweise auch verstehen. Es ist ja nicht so, dass man in zwei Stunden wiederkommt, sondern manchmal erst nach drei, vier oder fünf Tagen."

Freiwillige Einsätze als Verlustgeschäft

Gärtner kritisiert vor allem den bürokratischen Aufwand, den die Freiwilligkeit in Verbindung mit Selbstständigkeit mit sich bringt. Ja, er werde weiter bezahlt, sagt er. Doch vieles muss beachtet werden.

Die Entschädigung für den Verdienstausfall muss beantragt werden, erklärt Gärtner. Das macht er sowohl für sich, als auch für seinen Mitarbeiter. Zwei unterschiedliche Formulare seien dafür bereits nötig. Bei den Großschadenslagen gibt es wieder andere Formulare, dann übernimmt der Landkreis die Erstattung. Bei kleineren Einsätzen springt die Verbandsgemeinde Liebenwerda ein. "Jeder Antrag ist irgendwie anders auszufüllen. Da sind auch Sachen dabei, bei denen man zum Steuerberater muss, nachfragen muss", sagt er. Ein zusätzlicher Aufwand, neben seiner eigentlichen Arbeit und den Einsätzen bei der Feuerwehr.

Alles bekommt Gärtner außerdem nicht erstattet. "Deswegen bin ich oft gespalten, überhaupt zum Einsatz zu fahren. Zum Einsatz zu gehen ist oft ein finanzieller Verlust", erklärt der Maler.

Karsten Gärtner wünscht sich einerseits mehr hauptberufliche Kräfte, andererseits einen besseren finanziellen Ausgleich. "Dann fällt es jedem leichter, auch wieder zur Feuerwehr zu gehen."

Eines wird im Gespräch mit den freiwilligen Kräften deutlich. Trotz aller Belastungen, trotz des zusätzlichen Aufwandes - keiner der Feuerwehrleute denkt über einen Austritt aus der Feuerwehr nach. Denn die Feuerwehr, das ist immer wieder zu hören, ist nicht nur ein Hobby. Sie ist Berufung. Und ohne die Freiwilligen würde das gesamte System Feuerwehr komplett in sich zusammenstürzen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 20.08.2022, 18:00 Uhr

11 Kommentare

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  1. 11.

    Gerade dort gibt es noch Menschen, die eigenständig Entscheidungen treffen, Verantwortung übernehmen und selbständig handeln können. Fähigkeiten, die den meisten Beschäftigten in unserer Gesellschaft abgehen. Kann man leider immer häufiger bei manchen Wünschen in jedem Geschäft feststellen wo es heißt: „Da muss ich zuerst den Chef fragen“!

  2. 9.

    Die FFw haben eigentlich mehrere Probleme:
    1) Konkurrierende Angebote, die ein "Vereinslebem" für junge Menschen unattraktiv werden lassen.
    2) Grössere Entfernungen zwischen Wohn- und Arbeitsort, die die Wehren tagsüber vor Personalprbleme stellen und auch generell die Überalterung der Bevölkerung auch durch Wegzug.
    3) Sich häufende Großschadenslagen, für die das System der FFw nicht ausgelegt ist.

    Gegen 1) und 2) hilft mehr Werbung wie https://www.rbb24.de/studiofrankfurt/panorama/2021/09/feuerwehr-unterrichtsfach-uckermark.htm

    Bei 3) ist das Land zusammen mit den Kreisen und Kommunen gefordert. Warum nicht im öffentlichen Dienst mehr Personal für bisher ausgelagerte Aufgaben einstellen, welches dann bei Großereignissen löschen hilft? Hauptproblem dürfte die Finanzierung sein.

  3. 8.

    Wir aus dem Artikel deutlich hervor geht ist auch die Bürokratie eine zusätzliche Belastung. Die Verwaltung sollte hier mal näher am Bürger sein und 1 Vordruck und ein Empfänger für die Erstattung vom Lohnausfall heraus geben. Wie das dann innerhalb der Verwaltung hin und her geschoben wird sollte nicht Aufgabe des Antragstellers sein.

  4. 7.

    Die Freiwillige Feuerwehr scheint genug Leute zu haben, wenn sie sogar Berufsfeuerwehrkollegen ablehnt.

  5. 6.

    Genau. Und wer nicht beim örtlichen Fußball Club spielt muss eine Abgabe leisten mit der externe Söldner finanziert werden. Sorry aber lange nicht mehr einen solchen Blödsinn gelesen. Die Bürger bezahlen bereits genug Abgaben in Form von Steuern. Ein Ehrenamt führt man als persönliches Engagement aus. Oder eben nicht. Das hat nichts mit doof sein zu tun.

  6. 5.

    Ja das sehe ich auch so ohne uns ehrenamtliche würde manches nicht funktionieren und man wird manchmal von anderen dafür nur belächelt selbst schuld und andere Sprüche muss man ertragen.
    Es ist schade das unsere Gesellschaft immer egoistischer wird .

  7. 4.

    Wenn in einer Stadt von 17 Tausend Menschen etwa 10% unter 18 Jahren sind und keine Ersatzabgabe zahlen müssen, der Rest schon, dann kommen bei €200 / Jahr zusammen, 17000×(1-0.1)×200, 3 Millionen und 60 Tausend Euro
    Damit ließe sich eine Feuerwehr aufbauen

  8. 3.

    Auf lange Zeit wird eine Feuerwehrersatzabgabe kommen müssen. Wer in eine Gemeinde zieht muss standardmäßig ein Brief bekommen mir Einladung zur FF, wer nicht kann / nicht will, muss eine Ersatzabgabe bezahlen; nur so kann FF erhalten werden
    Immer zu hoffen dass einer 'doof' genug ist es gratis zu machen ist nicht zukunftsfähig

  9. 2.

    Bei zunehmender Teuerungsrate und Zunahme von Einsätzen, ohne finaziellen Ausgleich werden manche Freiwilligen ihre Belastungsgrenze bald überschreiten, und dann wird die Berufung ad akta gelegt werden müssen.

    In der Pflege harren viele Beschäftigte auch nur noch aus, weil sie ihre Berufung zum diesen Beruf verspüren, aber auch da sollte man sich nicht darauf verlassen, zumal jetzt die finanzielle Belastung ordentlich zunimmt.

    Bis jetzt hat die Politik finanzielle Entlastung nur für den nicht arbeitenden Teil der Bevölkerung konkretisiert, ich hoffe, dass allsbald auch für die Beschäftigte etwas konkretes auf den Tisch kommt

  10. 1.

    Die freiwillige Feuerwehr bei uns in D ist aus historischen Gründen entstanden, was ich als sehr positiv ansehe. Da muß dann nicht, wie häufig in anderen Ländern aus der nächst größeren Stadt 40 bis 60 Kilometer angerückt werden, wenn es irgendwo brennt.
    In D wird sowieso sehr viel ehrenamtlich geleistet (ich gehöre auch dazu) und zwar außerdem bei sozialen Einrichtungen, Sportvereinen, Kirchen etc., 48 Prozent der dt. Bevölkerung sollen es sein. Nur habe ich manchmal den Eindruck, daß dies unseren Politikern immer noch zu wenig erscheint.

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