Schwedt/Leipzig - Bundesverwaltungsgericht befragt Zeugen im Prozess um Rosneft-Klage

Di 07.03.23 | 15:59 Uhr
Symboldbild: Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. (Foto: Picture Alliance/Global Travel)
Audio: Antenne Brandenburg | 07.03.2023 | S. Schiwy und F. Pilarski | Bild: Picture Alliance/Global Travel

War es rechtmäßig, zwei deutsche Tochterfirmen des russischen Ölkonzerns unter deutsche Treuhand zu stellen? Vor dem Bundesverwaltungsgericht ringen Anwälte des Bundes und von Rosneft genau um diese Frage.

In der mündlichen Verhandlung über die Klage des russischen Ölkonzerns Rosneft gegen die Treuhandverwaltung zweier deutscher Tochterfirmen haben am Dienstag zwei frühere Geschäftsführer von Rosneft Deutschland ausgesagt. Beide Manager wurden vor dem Bundesverwaltungsgericht zu Problemen des Unternehmens mit Banken und Versicherungen nach Ausbruch des Ukraine-Krieges befragt. Das Gericht in Leipzig will sich damit ein Bild über die Lage der deutschen Rosneft-Töchter verschaffen, bevor sie unter die Treuhandverwaltung gestellt wurden.

Zentral stand am Dienstagvormittag die Frage im Mittelpunkt, inwiefern der Betrieb der Rosneft Deutschland GmbH und der Schwedter PCK-Raffinerie durch die Russland-Verbindung ihrer Eigentümer gefährdet war. Die Gefahren durch die sogenannte Overcompliance - eine "Übererfüllung" der Sanktionsregeln - waren ein wichtiger Grund für die Bundesregierung, die Rosneft-Töchter unter Treuhandverwaltung zu stellen.

IT-Dienstleiter und Partner zogen sich zurück

So hatten sich offenbar nach dem russischen Überfall auf die Ukraine fast alle IT-Dienstleister von der Gesellschaft abgewandt. Probleme nach einem Hackerangriff im März sollen sich monatelang hingezogen haben. Das geht aus Emails hervor, die von der Vorsitzenden Richterin zitiert wurden.

Bei der Vernehmung der früheren Rosneft-Deutschland-Geschäftsführer kamen weitere Details zur Sprache: So hatten fast alle westlichen Partner-Banken im Frühjahr 2022 ihre Zusammenarbeit aufgekündigt oder stark eingeschränkt und Bürgschaften verweigert. Zum Beispiel soll die Schweizer Filiale der Citybank über Monate die Entladung eines Schiffs verhindert haben, weil der Zahlungsfluss unterbrochen wurde. Um bestimmte Geschäfte der PCK abzuwickeln, habe sich die Gesellschaft am Ende sogar an die Schwedter Stadtsparkasse gewandt.

Einschränkend erklärte Jörg Tumat, dass die Lage im Sommer 2022 nicht mehr bedrohlich gewesen sei. "In vielen Fällen wurde dann doch weiter zusammengearbeitet", sagte der 53-Jährige, der Mitte Mai vorigen Jahres Chef der deutschen Rosneft-Tochter geworden war.

Auch auf Produktseite zeichneten sich größere Probleme ab

Ein weiteres der sogenannten Overcompliance-Probleme bestand auch auf der Kundenseite. So plante der Ölkonzern BP zunächst, keine PCK-Produkte mehr abzunehmen. Nach Einschätzung eines der früheren Rosneft-Deutschland-Chefs hätte dies große Veränderungen im Markt ausgelöst. Er vermutet, dass BP in einer Übergangszeit seine Tankstellen (u.a. Aral) nicht hätte versorgen können.

Anwälte der Bundesregierung sahen Risiken

Die Anwälte der Bundesregierung ließen in ihren Fragen durchblicken, dass sie die Risiken deutlich größer einschätzten. So habe es Schwierigkeiten gegeben, einen Haftpflichtversicherer für die PCK zu finden. Das Gericht wies auf die Dimension hin: Wäre es nicht gelungen, den Betrieb zu versichern, hätte der PCK die Stilllegung gedroht.

Rosneft Deutschland und RN Refining Marketing sind Mehrheitseigner der wichtigen PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt. Im vorigen September wurden sie unter die Treuhandverwaltung durch die Bundesnetzagentur gestellt. Der Bund begründete diesen Schritt mit einer drohenden Gefahr für die Versorgungssicherheit in Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine. Rosneft hält die Anordnung der Treuhandverwaltung für rechtswidrig.

Für die Rosneft-Klage ist das Bundesverwaltungsgericht in erster und letzter Instanz (AZ.: BVerwG 8 A 2.22) zuständig. Vor zwei Wochen hatte es einen ersten Verhandlungstag gegeben. Wann eine Entscheidung fallen soll, ist noch offen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 07.03.2023, 16:10 Uhr

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