Bilanz der Wirtschaftsförderung - Brandenburg bleibt Investoren-Magnet

Do 14.03.24 | 21:14 Uhr | Von Michael Schon
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Symbolbild: BASF-Schwearzheide in Brandenburg am24.06.2020.(Quelle: imago/Rainer Weisflog)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 14.03.2024 | Andreas König | Bild: imago/Rainer Weisflog

Die Brandenburger Wirtschaft stand zuletzt oft in Negativ-Schlagzeilen: Das Fürstenwalder Goodyear-Reifenwerk steht vor dem Aus, Krise bei der Glasmanufaktur in Tschernitz. Dennoch haben Unternehmen 2023 rund 2,5 Milliarden Euro investiert. Von Michael Schon

  • Wirtschaftsinvestitionen auf Allzeithoch
  • Minister Steinbach sieht grundlegenden Wandel der Wirtschaftsstruktur
  • Bürger bleiben oft skeptisch gegenüber Neuansiedlungen

Es ist ein Termin, den Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) sichtlich zu zelebrieren weiß. Die landeseigene Wirtschaftsfördergesellschaft WFBB legt Zahlen vor. Es sind gute Zahlen. Im Jahr der Landtagswahl könnte es für einen Wirtschaftsminister schlechter laufen: mehr als 5.700 neue Arbeitsplätze, 212 Investitions- und Innovationsprojekte, ein Rekord-Investitionsvolumen von 2,5 Milliarden Euro. Die Bilanz für 2023 kann sich sehen lassen, befindet der Minister. Brandenburg bleibt Investoren-Magnet.

Die Freude ist offenbar so groß, dass Steinbach sich beim Referieren der Zahlen kurz in der Größenordnung vergreift: 50 Millionen Euro pro Arbeitsplatz seien in den vergangenen vier Jahren im Schnitt in Brandenburg investiert worden. Hoppla, das waren gleich zwei Nullen zu viel.

Aber auch wenn es in Wirklichkeit 500.000 Euro waren, ist das für den Minister Anlass zum Jubel. Denn solch hohe Summen pro Arbeitsplatz lohnten sich nur im produzierenden Gewerbe mit seiner entsprechenden Wertschöpfung, so Steinbach. Das sorge dann auch für höhere Gewerbesteuern als beispielsweise im Dienstleistungsgewerbe.

Botschaft: Kommunen können sich in Brandenburg über neue Ansiedlungen besonders freuen. In Grünheide beispielsweise seien zuletzt sechs Millionen Euro Gewerbesteuer von Tesla geflossen.

Steinbach warnt vor mangelnder Veränderungsbereitschaft

So einfach ist es allerdings nicht mit der Freude über Gewerbeansiedlungen. Das kann auch Berufsoptimist Steinbach nicht verhehlen. Während der Satz "Brandenburg bleibt Investoren-Magnet" für viele vor kurzem noch eine rundweg gute Nachricht gewesen wäre, zeigt das Beispiel Tesla und die Ablehnung seiner Erweiterungspläne in Grünheide, wie skeptisch viele Brandenburger und Brandenburgerinnen mittlerweile sind.

Steinbach spricht dann von mangelnder Veränderungsbereitschaft, die "nicht hilfreich" sei. Er kritisiert aber auch, dass der Einstieg in die Energiewende über 20 Jahre lang verschleppt worden sei – und Veränderungen daher nun mit besonders großer Wucht auf die Menschen zukämen.

Bei Gewerbeansiedlungen will er sich künftig auf "eine Allianz der Willigen" stützen. Das bedeutet: Aus einem Katalog von 30 Gewerbegebieten habe sein Haus diejenigen herausgefiltert, bei denen die jeweiligen Kommunen tatsächlich Interesse an Gewerbeansiedlungen haben. Zunächst würden diese von der Landespolitik gezielt unterstützt, um Konflikte in anderen Kommunen zu vermeiden.

Hoffen auf die "Wohlstandsspirale"

Dass die Ansiedlung neuer Unternehmen ein zunehmend herausforderforderndes Betätigungsfeld für einen Wirtschaftsminister ist, scheint Steinbach also bewusst zu sein. Es müsse gelingen, Menschen Ängste zu nehmen und sie beim Umbau des Wirtschaftsstandorts Brandenburg mitzunehmen, mahnt er. Anderenfalls sei Brandenburgs Wohlstand in Gefahr. Es müsse den Leuten klar sein: Ihr habt einen persönlichen Vorteil von den Veränderungen, nicht nur einen Nachteil.

Dieses Argument versucht der Chef der Brandenburger Wirtschaftsförderung, Steffen Kammradt, zu untermauern. Beispiel Bayern: Ingolstadt, wo die Zentrale von Audi auf einer Fläche in der gleichen Größe wie das Tesla-Werk in Grünheide liege, habe sich seit den 1950er Jahren stark entwickelt. Aus einem mäßig industrialisierten Städtchen sei eine Stadt mit 140.000 Einwohnern, zahlreichen Zulieferern und dem zweithöchsten Bruttoinlandsprodukt in Deutschland geworden.

Kammradt spricht von einer Wohlstandsspirale: Wer beim Autobauer gutes Geld verdiene, gebe auch mehr für einen Haarschnitt oder seine Brötchen aus.

20 Prozent der Unternehmen vor dem Umbruch

Brandenburg hat da wohl noch einen Weg vor sich. Auch, weil Wirtschaftsminister Steinbach bis zum Ende des Jahrzehnts zunächst große Umbrüche prophezeit.

Die schlechte Nachricht: Er erwartet, dass in den nächsten sechs Jahren etwa 20 Prozent der Unternehmen ihr Geschäftsfeld verlieren, beispielsweise, weil ihre Produkte auf dem Weltmarkt nicht mehr konkurrenzfähig sind.

Die gute Nachricht: Brandenburg könne diesen Effekt "überkompensieren" und werde nach einem wirtschaftlichen Umbau mindestens so gut dastehen wie vorher, verspricht Steinbach. "Oder ein bisschen besser." Nebeneffekt: Der Niedriglohnsektor, zu dem aktuell noch rund 30 Prozent der Jobs zählen, werde kleiner – weil die neuen Jobs besser bezahlt seien als diejenigen, die nach der Wiedervereinigung entstanden seien.

Beim Wirtschaftswachstum rechnet Steinbach schon in diesem Jahr mit erneut guten Zahlen. Nachdem sich Brandenburg Anfang des vergangenen Jahres bei sechs Prozent Wachstum mit dem Titel "dynamischstes Bundesland" schmückte, sei auch in diesem Jahr wieder mit einem Wachstum deutlich über dem Bundesdurchschnitt zu rechnen. Die Zahl liegt noch nicht vor, dennoch schwärmt der Minister: "Das war keine Eintagsfliege."

Am Ende bleibt also ein sichtlich zufriedener Wirtschaftsminister. Steinbach würde im Herbst Steinbach wählen. Daran dürfte nach dem Termin kein Zweifel bestehen.

Sendung: rbb24, 14.03.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Michael Schon

22 Kommentare

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  1. 21.

    Das ist kein Argument :-(
    Was wollten Sie beitragen?
    Aber ich versuche mal Sie sachlicher, mit einem anderen Niveau einzubinden: Für wie wichtig halten Sie Standortentscheidungen, damit sich eine Region gut entwickeln kann?

  2. 20.

    In Brandenburg leben einige Menschen, die so sind wie Sie. Deshalb haben viele, die etwas können, das Land verlassen. Übrig gebliegen sind zu viele Dauernörgler wie Sie.

  3. 19.

    Wie Sie die Wirtschaftsleistung beurteilen wollen, ohne das die Geldgeberländer eingerechnet werden, ist Ihre Sache. Es ist auch so wie von Ihnen angegeben möglich. Und darauf kommt es an. Das bloße BIP reicht nicht aus.
    Auch haben Sie recht, wenn Sie bemerkt haben, dass Brandenburg, in den wichtigsten Rankings, zu den Letzten gehört. Das ist richtig.
    Aber vor allem nicht nötig.

  4. 18.

    Belesen Sie sich doch einfach selbst. Ist ja nicht so dass wir in einem autoritären Staat leben in dem solche Kennzahlen geheim gehalten werden. Die von Ihnen so oft gescholtene Landesregierung ist da sehr transparent. Ob das bei Ihren Vorurteilen ausreicht bezweifle ich zwar aber lesen bildet trotzdem.
    "BIP pro Kopf ist noch aussagekräftiger für die Wirtschaftsleistung"
    Stimmt natürlich nicht da sie die Demografie komplett außen vor lassen. Dass in BRB vergleichsweise mehr Rentner als in den meisten anderen Bundesländern leben klammern Sie damit aus.
    BIP pro Erwerbstätigen ist die Kennzahl die Sie wahrscheinlich meinen. Und siehe da BRB sowieso die Nummer 1 der ostdeutschen Flächenländer liegt inzwischen sogar vor dem Saarland und Schleswig Holstein.

  5. 17.

    Ja genau.

    Und selbst das wird schon übelst angegriffen und bringt die Wutbürger auf die Kiefer.

    Siehe Pinguinfahrrad...

  6. 16.

    Was heraus kommt, wenn der Staat selber handelt anstatt Privatwirtschaft zu fördern, konnte man in der DDR sehen. Sehnen Sie sich wirklich nach der Zeit so sehr zurück? Bis auf wenige Ausnahmen hat sich die soziale Marktwirtschaft in der Bundesrepublik besser bewährt.

  7. 15.

    Subventionen ,Planwirtschaft ,Gängelung, Bürokratie, Grüne Ideologien etc. für was lässt man sich da eigentlich feiern ?

  8. 14.

    "Wenn die Bürokratie im Immissionsschutzverfahren abgebaut wird, ja nur vorhandene Möglichkeiten genutzt werden, Stichworte vorzeitiger Beginn, isses auch wieder nicht Recht."

    Geltendes Bundesrecht umzusetzen ist kein Bürokratieabbau.

  9. 13.

    Die Wirtschaftsförderung teilt fremdes Geld zu: Subventionen. Oder schlimmer: sagt wo Subventionen zu holen sind. Braucht man das? Ist das WM nicht genug ausgestattet (in einem gut 2 Mio. Einwohnerland)? Man lässt lieber fördern als es selbst zu tun? Wachstumsimpulse, die die von mir genannten Kennzahlen beeinflussen, sind nach über 30 Jahren fällig. Insofern hat der WM nach Veränderung recht.

  10. 12.

    Wenn die Bürokratie im Immissionsschutzverfahren abgebaut wird, ja nur vorhandene Möglichkeiten genutzt werden, Stichworte vorzeitiger Beginn, isses auch wieder nicht Recht.

  11. 11.

    Na mal wieder am Fake News verbreiten?

    1. Nur für Neu-Anwohner. Die Bestandskunden fröhnen weiterhin ihrer Wasserverschwendung für ihren grünen Rasen und ihre regelmäßige Poolfüllung. Dank Gartenwasserzähler unschlagbar billig...

    2. Reglementiert? Wird dann abgestellt, wenn man im Jahresverlauf Oktober drüber kommt? Selbst wenn, mit achtsamem Umgang mit Wasser kommt man nichtmal in die Nähe der Maximalmenge.

    Vorschlag: den Durchschnittsverbrauch gibt es günstig, wer mehr verbraucht muss saftige Aufschläge zahlen für den Mehrverbrauch.

  12. 10.

    Wieder mal ehrlich nachgefragt:

    Vergisst man so einfach mal 2 Nullen?
    Der WM bereitet sich wohl langsam auf seine Politrente vor, die bald fällig ist.
    Wenn der WM so vergesslich ist, hat er da bei Tesla auch so einiges vergessen oder falsch eingeschätzt?

  13. 9.

    „wo die Zentrale von Audi auf einer Fläche in der gleichen Größe wie das Tesla-Werk in Grünheide liege, habe sich seit den 1950er Jahren stark entwickelt“
    Im Unterschied dazu, wird den Anwohnern in Grünheide im Gegenzug zur Ansiedlung von Tesla das Wasser reglementiert. Das sorgt nicht für Jubelstimmung und fördert erst recht nicht die Akzeptanz weitere Ansiedlungen und Vergrößerungen.

    Hier wünsche ich mir mehr Augenmaß, so dass Ansiedlungen nicht auf Kosten der angrenzenden Gemeinden gehen. Wenn dies berücksichtigt würde, wären es gute Nachrichten in diesem Bericht.

  14. 8.

    "In der Fläche und weiter draußen sieht es immer noch mau aus."

    Da ist ja auch niemand, da will keiner hin; stattdessen lieber weg. Brandenburg lebt von der Region Berlin und Potsdam.

  15. 7.

    Nun ja, rechnet man die Investitionskosten für die Fahrzeugfabrik eines gewissen Südafrikaners heraus, dürfte nicht mehr viel übrig bleiben. Bei der großen Skepsis der Bevölkerung wäre es ggf. ratsam irgendwelche Blendungsversuche bleiben zu lassen. Verlängerte Werkbänke wie in Luckenwalde oder Fürstenwalde machen nach und nach dicht. Das ist wirtschaftspolitisch möglicherweise verkraftbar, sieht allerdings beim Wähler nicht so schön aus und spricht eher weniger für einen starken Wirtschaftsstandort. Größte Investorenmagneten in Brandenburg sind die Nähe zu Berlin und die zur Verfügung stehenden großen Flächen. Das Fachkräfteangebot, die Infrastruktur und die Bürokratie sind es hingegen nicht. Letztere sind aber alles Dinge die in der Hand der Landesregierung liegen. Kein Grund also sich auf die Schultern zu klopfen.

  16. 6.

    Ja Wossi, so ist es. Brandenburg startet von einem sehr niedrigen Niveau. Das hängt damit zusammen, dass nach der Wende überwiegend verlängerte Werkbänke entstanden sind und man auf Niedriglohn gesetzt hat. Zum Beispiel der Apparatebau und das Reifenwerk in Fürstenwalde. Da ist wenig an Innovationen passiert. Entsprechend standen und stehen diese Firmen vor dem Aus. Auch hat man mit viel Subventionen versucht Investitionen ins Land zu holen, was sich als Luftnummer erwiesen hat.
    Deshalb ist es ja so wichtig ein Cluster für Elektromobilität hier aufzubauen.
    Sie machen ja hier in Endlosschleife Werbung für Ihre wirtschaftspolitischen Fähigkeiten. Ich würde Sie im September als Wirtschaftsminister wählen.

  17. 5.

    So. Wird nicht lange dauern, dann kommen die ersten Schlechtmacher-Kommentare.

    Deshalb von mir ein Lob an das Land, die Leute die das erarbeitet haben und auch an diejenigen an den entsprechenden Stellen der Politik, denen das zu verdanken ist.
    Bei Lichte betrachtet geht's uns gut. Jedenfalls besser als es einige immer meinen.
    Schönes Wochenende

  18. 4.

    Unternehmen ?? oder der Steuerzahler durch Subventionen ???

  19. 3.

    So ist es. Er sagt zu den wirklich wichtigeren Kennzahlen aus gutem Grund nichts:
    BIP pro Kopf ist noch aussagekräftiger für die Wirtschaftsleistung
    Schuldenstand des Landes relativ zum BIP und Doppelverschuldung durch Aushebelung der Schuldenbremse.
    Entwicklung der Anzahl der sozialversicherten Arbeitsverhältnisse , Arbeitslosenzahlen, Lohnsteuereinnahmen,
    Steuereinnahmen aus Industieansiedlungen gerne auch vor und nach der Ansiedlung
    Forderungen aus dem (Länder) Finanzausgleich im Verhältnis und deren Entwicklung
    Und: Ist es nicht riskant, vor einer Wahl eine Veränderung einzufordern wenn man selbst regiert? Insbesondere dann, wenn die Leute nicht mehr zu den Letzten gehören wollen?

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